Alexandre Fasel, derzeit Botschafter der Schweiz in London, ist eine Ikone. «Unser bester Diplomat», sagt ein Kollege über den Freiburger. «Er ist unumstritten, brillant, auch als Vorgesetzter sehr geschätzt».
Als es in der Bundesratssitzung kürzlich Fragen gab, warum der Top-Diplomat nicht zur EU nach Brüssel versetzt werde, sondern in die Provinz nach Kairo, sagte Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) laut Insidern: Fasel wolle gar nicht nach Brüssel, er wolle nach Kairo.
Fasel selbst habe allerdings erst im Nachhinein erfahren, dass er nach Kairo wolle.
Derzeit werden wie alle paar Jahre die Botschafterposten neu besetzt. Eine Reihe von herausragenden Schweizer Diplomaten werde dabei von der Berner Zentrale «weggemobbt», wie sich einer ausdrückt.
Was Fasel widerfuhr, ist ein Muster, das man im EDA unter Cassis und seinem Generalsekretär Markus Seiler beobachtet. «Es werden Gerüchte über Leute gestreut, Halbwahrheiten, Andeutungen, Vermutungen, sehr viele persönliche Angriffe», sagt ein Diplomat.
Als Treiber dieses «Machtspiels» wird Markus Seiler gesehen, der ehemalige Chef des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), dem von Geschäftsprüfern des Parlaments wiederholt Fehlverhalten und Führungsversäumnisse vorgeworfen wurden, zuletzt in der Affäre um die Crypto AG, zuvor in der Affäre um den Spion Daniel Moser. Im EDA präge Seiler jetzt die Entscheide, auch die Personalentscheide, sagen seine Kritiker.
Gesteuert werde über Personalbeurteilungen. «Man hat ein System entwickelt, mit dem man angeblich die Fähigsten findet, das aber in Tat und Wahrheit Willkür etabliert». Beurteilungen dienten dazu, starke Persönlichkeiten auszuschalten. Diese seien eine Gefahr für Seiler und Cassis, die wenig Kompetenz mitbrächten. Also müsse weg, wer stark und unkonventionell sei.
«Befördert werden Arschkriecher», sagt einer, er spricht gar von «Stalinismus». Am Werk sei «das Netzwerk», das die Posten unter sich verteile. Cassis selbst wird von diesen Stimmen dabei als schwach beschrieben. «Faktisch ist Seiler der Chef.» Gespräche mit Diplomaten zeigen grosse Verbitterung. Und Sorge um die Aussenpolitik. Reihenweise sei brillantes Personal in den letzten Jahren abgeschossen oder vertrieben worden.
In der neuen Versetzungsrunde trifft es etwa Yves Rossier, ehemals Staatssekretär, heute Botschafter in Moskau. Ihm wurde, wie schon der «Tages-Anzeiger» schrieb, der Posten in Riga angeboten. «Das ist brutal», sagt ein Diplomat. «Ein ehemaliger Staatssekretär wird in eine Botschaft abgeschoben, die man schliessen könnte.»
Oder Heidi Grau, herausragende Diplomatin, derzeit Sondergesandte der OSZE für die Ukraine, wurde der Botschafterposten in Haiti angeboten. Haiti, ein Abstellgleis, zudem gefährlich, gerade für eine Frau.
In die Knochen fuhr vielen der Fall von Roberto Balzaretti, Staatssekretär, der das EU-Abkommen ausgehandelt hatte. Er war ein loyaler Vertrauter von Cassis, wurde fallengelassen und nach Paris abgeschoben. Das Signal: Es kann jeden treffen.
Viele weitere Karrierediplomaten, unter ihnen viele Frauen, sind zuletzt in internationale Organisationen abgewandert. Das Interesse im EDA an ihrer Rückkehr tendiert gegen null, wie etwa der Fall Grau zeigt.
Viele wollen derzeit gar nicht zurück. «Dieser Geist im EDA - mich schaudert es», sagt einer. Viele in den sozialdemokratisch, aber oft auch freisinnig geprägten Diplomatenkreisen hoffen, dass Innenminister Alain Berset doch noch Aussenminister wird. Weil man annimmt, dass er sich für die traditionelle Schweizer Aussenpolitik und Diplomatie einsetzen würde.
Bezeichnend ist auch der Fall von Mirko Manzoni, der als Botschafter in Mosambik einen historischen Friedensvertrag zwischen Regierung und Rebellen vermittelte. Nur in Bern wurde das nicht honoriert. Manzoni ist jetzt persönlicher Gesandter des Uno-Generalsekretärs - ein Posten, den er ohne Support aus Bern erhielt.
«Im EDA herrscht eine Art Omertà», sagt einer. Dabei sei das EDA immer ein Departement gewesen, in dem viel gelästert werde, das gehöre zur inneren Logik der Diplomatie, weil es viele Wechsel gebe, Versetzungen und Rivalitäten zwischen den Alphatieren. «Jetzt wird praktisch nicht mehr gelästert, es ist sehr wenig Platz geblieben für jegliche Kritik».
Laut EDA läuft indes alles sauber ab. Die Posten würden aufgrund der «Übereinstimmung von Eignung, Kenntnissen und Erfahrungen einer Person mit den auf Grund des Anforderungsprofils des neuen Postens verlangten Kompetenzen» besetzt. Auch die familiäre Situation der Anwärter sowie, wenn möglich, deren Präferenzen würden berücksichtigt. «Ausschlaggebend sind letztlich die dienstlichen Bedürfnisse, damit die offenen Missionschefstellen mit dafür möglichst optimal qualifizierten Diplomatinnen und Diplomaten besetzt werden können», so das EDA. (aargauerzeitung.ch)