Es ist die vielleicht grösste Volksabstimmung ausserhalb der offiziellen Politik: 2.27 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter der Migros können sich zum Alkohol-Verbot äussern. Die Abstimmungsfrage lautet: «Möchten Sie das Alkoholverkaufsverbot in den Migros-Filialen aufheben und der Anpassung der regionalen Statuten zustimmen?» Zum Showdown kommt es am 4. Juni. Dann fällt der Entscheid - und zwar einzeln in den zehn Migros-Genossenschaften. Theoretisch könnte es sein, dass die Migros Zürich das Verbot aufhebt, während die Migros-Aare dieses beibehält. Das hiesse dann, dass in den Kantonen Aargau und Bern kein Bier gekauft werden könnte, in Zürich aber schon.
Die amtierenden Migros-Oberen plädieren geschlossen für die Aufhebung des Verbots. Doch jetzt tritt ein Migros-Schwergewicht an die Öffentlichkeit und setzt sich dagegen ein. Herbert Bolliger, während 13 Jahren Konzernchef und davor ebenfalls in verschiedenen Funktionen bei der Migros tätig, organisiert eine Kampagne gegen die Reform. Nun äussert er sich im Interview dazu.
Um den Alkohol-Verkauf zu verhindern, müsste mindestens ein Drittel der Genossenschafter Nein stimmen. Halten Sie das für realistisch?
Herbert Bolliger: Gottlieb Duttweiler war ein Visionär. Denn schon damals war für ihn die Gesundheit der Bevölkerung ein zentrales Anliegen. Wenn den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern dieses so aktuelle und wichtige Thema sowie die Werte der Migros genau so am Herzen liegen, besteht tatsächlich eine Chance.
Bislang ging man von einem flächendeckenden Ja aus, da es nur wenig Widerstand gab. Könnte Ihr Engagement nicht dazu führen, dass einige Regionen nun mit Nein abstimmen und so ein Flickenteppich entsteht?
Die Gefahr eines Flickenteppichs besteht so oder so, auch ohne meine Stellungnahme.
Sie berufen sich auf Duttweiler – er selber war jedoch gar nicht gegen den Alkoholverkauf.
Er war dagegen, dass in den Migros-Filialen Alkohol verkauft wird.
Aber nicht durchwegs. Und in Ihrer Ära als Migros-Chef wuchs das Unternehmen - auch mit Läden wie Migrolino, die Alkohol im Sortiment haben. Ist es da kein Widerspruch, dass Sie beim orangen M dagegen sind?
Nein, das ist überhaupt kein Widerspruch. 1937 gründete Duttweiler zwar den Giro-Dienst - selbstständige Detaillisten, die nebst Migros-Produkten zu fixen Margen auch Alkohol verkauften. Heute heissen diese Filialen Migros-Partner. In den Migros Filialen wurde jedoch nie Alkohol verkauft. Das ist doch gut so.
Sie haben sich seit Ihrem Rücktritt kaum je zur Migros geäussert, hielten sich bewusst zurück, jetzt organisieren Sie sogar eine Kampagne. Wie kam es zu diesem Umdenken?
Ich äussere mich als Genossenschafter zu einer Urabstimmungsfrage, weil ich dazu als Mitglied aufgefordert bin, und ich engagiere mich in der «Gruppe für die M-Werte». Zu Geschäftsthemen habe ich mich aber nie geäussert, auch wenn es mich schon ab und zu gejuckt hat.
Die Filialflächen würden ohne Alkohol-Abteilung geplant. Wenn man schaut, wie viel Fläche diese Abteilungen bei Coop beanspruchen, wird schnell klar, dass ein grosse Abstrich im übrigen Sortiment unausweichlich wäre. Dies mag in grossen MMM-Filialen kein Problem sein, wir hier in den Randregionen haben aber schon jetzt dass Problem, das wir für gewisse Waren über eine Stunde Autofahrt auf uns nehmen müssen. Ist man gezwungen diese Fahrt jede Woche zu machen leidet die Freizeit, das Konto und auch das Klima