Gegründet wurde die Hamburger Band Tocotronic im Jahr 1993, was bedeutet, dass die Jungs bereits seit sagenhaften 22 Jahren zusammen Musik machen – ausgenommen Rick McPhail, der ein bisschen später hinzukam. Man mag Tococtronic gemeinhin für ihre eigensinnigen Wortspielereien, für die Ironie, die durch viele ihrer Zeilen schimmert und nicht zuletzt für ihre Frisuren.
Ihr habt in einem Interview mal sehr hübsch gesagt: «Wenn wir noch das gleiche machen wie zu unseren Anfängen, wären wir heute nichts anderes als unser eigenes Plagiat.» Ihr habt euch also eine Art Verbot der Wiederholung auferlegt. Was ist neu bei eurem neuen Album?
Jan Müller: Hui, das ist eine komplexe Frage. Naja, erstmal ist natürlich die Komposition eine andere. Und das Leitmotiv, wenn ich das mal so hochtrabend sagen darf, ist die Liebe. Unser neues Album stellt den Versuch dar, das Thema Liebe von verschiedenen Seiten her zu betrachten.
Ist deshalb euer Album rot und heisst auch «Rotes Album», weil es darin um Liebe geht?
Ja, aber die Farbe Rot enthält natürlich eine gewisse Doppeldeutigkeit: Es ist auch die Farbe des Kampfes, des politischen Kampfes. Darum kommt auch unser Album am 1. Mai raus.
Ich habe mehr die Liebe als den Kampf herausgehört. Es klang irgendwie nach Versöhnung und sehr viel Poesie.
Poesie und Politik sind für mich kein Gegensatz. Schau dir nur Brechts Gedichte an, wunderschön und sehr politisch. Aber wir überlassen die Interpretation unserer Lieder lieber den Hörern und da gibt es die, die eher die persönliche Note heraushören, während bei den anderen mehr das Politische ans Ohr dringt.
Sinead O'Connor hat letztens auf Facebook geschrieben, sie könne und würde nie mehr «Nothing Compares To You» singen. Sie sei nicht mehr fähig, Gefühle in die Ballade zu zaubern. Habt ihr auch ein Lied, das ihr nicht mehr spielt, weil ihr euch vom Inhalt oder emotional davon entfernt habt?
Jetzt haben wir natürlich das Glück, oder das Unglück – je nach Sichtweise –, dass wir keinen solchen Superhit haben wie «Nothing Compares». Vielleicht hat Sinead O'Connor ihn zu Tode gesungen. Und vielleicht ist die Identifikation für sie schwieriger, weil sie den Song nicht selbst geschrieben hat, sondern Prince. In unseren 22 Jahren, in denen wir eine Band sind, hat sich unser Blick auf die Welt wahrscheinlich nicht derart verändert, er hat sich vielmehr erweitert. Und so gibt es eigentlich nichts, was man so restlos hinter sich gelassen hat.
Wie schön! Dann werdet ihr hoffentlich auch «Kapitulation» für immer und ewig spielen! Das hat mir einst sehr aus dem Liebesleid hinausgeholfen.
Ach, das freut mich jetzt aber wirklich. Wir haben es auch wieder ins Programm genommen für unsere kommende Tour, obwohl es ja gar nicht sooo alt ist. Ah doch. Warte. Acht Jahre!
Und dann werdet ihr es im Juni am B-Sides in Luzern singen. Freut ihr euch, in die Schweiz zu kommen?
Ja, natürlich. Das Essen! Das Essen ist in der Schweiz immer sehr gut. Und als Deutscher kommt man auch gern mal in das Land, in dem mehr Wohlstand und Sauberkeit herrscht als Zuhause.
Und zum Schluss noch eine sehr wichtige Frage: Warum habt ihr alle so schöne Haare?
Das ist von der Natur so gegeben.
Verdammt. Ich dachte, ihr hättet vielleicht ein paar Pflege-Geheimnisse.
Nicht das Teuerste kaufen. Und Kernseife benutzen.