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Interview

Klimakleber schaden den Grünen – Politologe ordnet Wahlbarometer ein

Interview

«Es wird den Grünen auch nicht helfen, sich von den Klimaklebern zu distanzieren»

Umfragen sagen eine Wahlniederlage der Grünen im Herbst voraus – obwohl das Thema Klima eine der Hauptsorgen der Schweizerinnen und Schweizer ist. watson hat mit Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich und der Franklin University Switzerland, darüber gesprochen.
06.07.2023, 13:3406.07.2023, 14:53
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Die neusten Umfragen zeigen, dass die Grünen im Herbst bis zu 3 Prozent Wähleranteil verlieren. Wie kommt das?
Oliver Strijbis:
Diese Zahl kann sich auch noch ändern, da es viele Wechselwähler gibt zwischen den Grünen und der SP. Von dem her sind die Ergebnisse schlecht für die gesamte Linke. Es ist aber nicht die erste Umfrage, die den Grünen eine Wahlniederlage vorhersagt. Das hat damit zu tun, dass die Klimaproblematik aktuell anders diskutiert wird als vor vier Jahren.

Was ist der Unterschied?
Damals ging es darum, dass der Klimawandel ein grosses Problem ist und man generell etwas dagegen unternehmen muss. Mittlerweile ist das klar und es geht darum, mit welchen Massnahmen man den Klimawandel bekämpft. Diese Methoden der Umweltbewegung stossen aber auf grossen Widerstand bei Bürgerlichen und bei gemässigten linken Wählern.

Laut dem Wahlbarometer ärgern sich die Menschen am zweitmeisten über Klimakleber. Schadet das den Grünen?
Ja, es schadet ihnen sehr, dass man nicht mehr über den Klimawandel als Problem redet, sondern nur noch darüber, ob die Mobilisierung der Aktivisten zu radikal ist.

Professor für Politikwissenschaft Oliver Strijbis
Klimakleber schaden den Grünen: Oliver Strijbis, Professor für Politikwissenschaft. Bild: zvg/Flurin Bertschinger

Könnten die Grünen die Debatte um die Klimakleber noch zu ihrem Vorteil drehen?
Das ist unmöglich, da die Aktionen einem Grossteil der Bevölkerung zu radikal sind. Das ist für eine politische Partei nicht attraktiv. Es wird den Grünen auch nicht helfen, sich von den Klimaklebern zu distanzieren. Sie können sie nur ignorieren und anders über die Thematik diskutieren.

«Es wird schwierig für die Grünen, ihre Wählerschaft gleich zu mobilisieren wie vor vier Jahren.»
Oliver Strijbis

Die Grünen machen nicht nur Umwelt- und Klimapolitik. Werden ihre anderen Positionen zu wenig wahrgenommen, um neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen?
Die meisten Parteien haben eine klare Themenführerschaft. Bei der SVP ist das die Migration, bei der FDP die Wirtschaftskompetenz und bei der SP die Sozialpolitik. Für jede dieser Parteien ist es von Vorteil, wenn ihr Kernthema vor den Wahlen in den Medien ist. Die Grünen profitieren eigentlich schon am meisten davon, wenn der Klimawandel im Vordergrund steht.

Grünen-Chef Balthasar Glättli rechnet trotz der Umfrageergebnisse damit, den Wähleranteil eventuell sogar noch steigern zu können. Ist das eine Illusion?
Es muss keine Illusion sein, aber es wird schwierig für die Grünen, ihre Wählerschaft gleich zu mobilisieren wie vor vier Jahren. Ihre grösste Chance ist jetzt, die Leute, welche schon vor vier Jahren Grüne statt SP gewählt haben, auch dieses Jahr wieder für sich zu gewinnen.

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235 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Alnothur
06.07.2023 14:08registriert April 2014
"Es wird den Grünen auch nicht helfen, sich von den Klimaklebern zu distanzieren"

Da bin ich anderer Meinung, helfen würde das schon. Aber erstens haben sie es bisher nicht gemacht, weswegen es zweitens jetzt nur noch als unehrlicher Anbiederungsversuch wahrgenommen würde.
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Dini84
06.07.2023 14:00registriert April 2021
Grün soll eben nicht zwingend links bedeuten. Darum ist die GLP für mich persönlich viel attraktiver.
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rundumeli
06.07.2023 14:09registriert April 2014
Natürlich wählte ich meist links ... aber diese Verhinderungspolitik ... etwa gegen effiziente Solar und Wind Grossanlagen ... weil diese mehr unser Auge denn die Murmeli stören ... nervt schon es bitzeli.

Ja, klar ... lieber jeder in seinem Gärtli ... so er denn eins hat ;-)
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Nemo am ESC: Hier sind alle Schweizer Siege und Niederlagen bis jetzt
Die ESC-Geschichte der Schweiz ist durchzogen. Aber lange nicht so schlecht, wie man meinen möchte!

Im Jahr 2014 wurde watson geboren. Die räudige und doch liebenswerte Katze unter den Schweizer Medien. Ein bisschen strange, eine Spur zu auffällig, aber von einer kreativen Verschwendungssucht, die bald viele von euch einzufangen wusste. 2014 sang eine wunderschöne österreichische Dragqueen namens Conchita Wurst am ESC, sang von ihrer Wiedergeburt, davon, dass sie wie ein Phoenix aus der Asche ihres alten Selbst aufgestiegen sei, sie war ein bisschen strange, viel zu auffällig ... und die ESC-Welt legte sich ihr zu Füssen. Conchita (25) gewann. Wir waren Conchita.

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