Schweizer Restaurants und Campingplätze sperren Kinder aus – das steckt hinter dem Trend
Nur für Erwachsene: Im Wellness, im Hotel oder im Café liegen «Adults Only»-Zonen im Trend. Die Nachfrage danach steigt, auch in der Schweiz. Jüngst gab etwa ein Café in Aarau bekannt, dass Kinder dort nur noch ab 14 Jahren erwünscht seien. Nun zieht ein Campingplatz im Berner Oberland nach: Mit der neuen Saison soll er im Frühling 2026 zum ersten kinderfreien Camping der Schweiz werden. Weshalb sind Kinderverbote plötzlich im Trend?
Keine Kinder mehr auf dem Campingplatz: Ist das nicht selbst für unsere Zeit etwas absurd?
Katja Rost: Es liegt zumindest im Trend. Klare Zahlen gibt es zwar kaum, aber wir haben uns auch schon geärgert, wenn wir in den Ferien mit unserem 12-jährigen Sohn nur den Babybereich eines Hotels nutzen durften. Spannend ist auch, dass es gleichzeitig mehr Orte gibt, an die man explizit Hunde oder andere Haustiere mitnehmen darf. Da wird man also quasi – wieder – toleranter.
Man könnte jetzt böse sagen: Die meisten Haustiere sind nicht so laut wie Kleinkinder.
Natürlich. Kinder rennen herum, schreien, machen Chaos am Buffet. Das stört die Ruhe schon. Umso mehr, wenn man selbst keine Kinder hat. Für die Betreiber ist die Sache auch relativ einfach. Wenn die Kinder mehr Ärger bereiten als sie gut fürs Geschäft sind, dann ist es nur logisch, dass man sie in eigene Bereiche verdrängt oder ganz ausschliesst.
Einfache Marktlogik also – dafür gibt es dann auch eigene Familienhotels. Wo liegt das Problem?
Erst einmal sind so abgesonderte Familienzonen auch nicht immer angenehm. Ein Raum, wie Disney World, in dem alles voll und ganz auf das Kind ausgerichtet ist, Helikoptereltern inklusive – in so einem Rahmen werde ehrlich gesagt auch ich irgendwann intolerant. Gleichzeitig schafft diese räumliche Trennung auch soziale Distanz.
Das heisst?
Wenn alles zielgruppengerecht aufgesplittet wird und ich mich räumlich nur noch in meiner Gruppe bewege, verliere ich irgendwann den Bezug zu anderen Lebenswelten. Damit geht ein Verständnis für Menschen verloren, die ein anderes Leben führen als ich. Und irgendwann auch gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Das klingt jetzt etwas drastisch. Menschen mit und ohne Kinder treffen im Alltag doch regelmässig aufeinander.
Von einer absoluten Trennung sind wir noch weit entfernt. Aber man merkt schon, dass es ein Auseinanderdriften gibt. In Zürich fällt mir das auf. Es ist extrem schwierig, mit einem Kind «normal» auswärts essen zu gehen, ausser man geht in den Zoo. Überall sonst wird man schief angesehen und dann gelobt, wenn die Kinder artig sind. Weil alle quasi mit der Katastrophe rechnen.
Was aber auch daran liegen könnte, wie viel Raum Kindern heute in der Öffentlichkeit gegeben wird. Welche Rolle spielen die Eltern dabei?
Früher war die Erziehung natürlich strenger. Wenn Kinder in der Öffentlichkeit unterwegs waren, dann galten klare Regeln. Heute haben sie viel mehr Freiraum zum Herumtollen, teilweise völlig entgrenzt. Aber wenn wir von verschiedenen Lebenswelten sprechen: Früher waren auch die Generationen viel enger miteinander verflochten.
Wie meinen Sie das?
Da wohnten drei, vier Generationen unter demselben Dach. Das waren ganz andere Dynamiken, da kam es sicher auch öfter zu Streit – und man musste eine andere Toleranz zeigen.
Wollen Sie damit sagen, die Schweizer Bevölkerung war früher toleranter?
Man musste auf jeden Fall mehr in Kauf nehmen. Es gab auch viele Möglichkeiten gar nicht erst. Da wäre niemand auf die Idee gekommen, nach einem Campingplatz ohne Kinder zu fragen. Wer sich mit dem Kinderlärm nicht abfinden konnte, blieb halt zu Hause.
Heute kann man sich den eigenen Raum eher selbst schaffen. Warum sollte man das nicht tun?
An sich ist es überhaupt nicht falsch, sich Gruppen und Räume zu suchen, die uns entsprechen. Aber Gemeinschaft bedeutet immer auch ein Stück weit, Dinge herunterzuschlucken, die uns nicht passen. Es ist völlig unrealistisch, dass alles immer nach meiner Nase laufen würde. Um mich damit abzufinden, hilft es, wenn ich die Lebenswelten anderer Menschen zumindest sehen kann. Ich muss sie nicht toll finden – aber dass ich mich ein bisschen in sie hineinversetzen kann, sollte schon drin liegen.
Ist es denn wirklich absehbar, dass wir uns kollektiv komplett aus den Augen verlieren?
Soziologisch gesehen: Ja. Bisher rechnet man damit, dass sich eine moderne und individualisierte Gesellschaft immer weiter ausdifferenziert und singularisiert, sich also in diese Kleinstgruppen spaltet. Der Kapitalismus setzt dem ja auch keine Grenzen. Gleichzeitig muss man auch sagen: Es ist schon oft besser geworden, als die Wissenschaft prognostiziert hatte.
Also: Alles nur halb so wild?
Es kann gut sein, dass denselben Menschen, die sich nun diese Einzelräume gesucht haben, irgendwann langweilig wird. Dann könnte ein Gegentrend aufkommen, in dem mehr Diversität angeboten wird, als eigenes konsumierbares Erlebnis sozusagen. In dem die Menschen aktiv Durchmischung suchen – einen Ort, an dem man dann Zeit mit Babys, Kleinkindern, Teenagern, älteren und jüngeren Menschen und Haustieren verbringen würde. Der Mensch ist ja doch sehr erfinderisch. (aargauerzeitung.ch)
