Frau Bösch, darf ich Sie zu einem Bier einladen?
Sarah Bösch: Nein, danke. Ich habe gerade keine Lust auf Bier. Ich hatte übrigens auch an dem Abend meines Facebook-Eintrags kein Bier getrunken, sondern Wein. Aber ein kühles Bier im Sommer ist gut gegen den Durst – ich mag Bier, vor allem dunkles.
Weshalb sind Sie dann Auto gefahren, und wie betrunken waren Sie wirklich? Sie haben nie öffentlich gemacht, welcher Promillewert bei Ihnen gemessen worden ist.
Das sage ich Ihnen auch jetzt nicht. Schauen Sie, ich habe getan, was ich getan habe. Der Mist ist geführt. Natürlich hätte ich weder angetrunken in ein Auto steigen, noch mich unmittelbar darüber auf Facebook auslassen sollen. Als Person von einer gewissen öffentlichen Relevanz kann man mir daraus einfach leicht einen Strick drehen. Das ist mir jetzt klar. Ich bin mir aber sicher, dass andere schon viel schlimmere Sachen gemacht haben. Ich bin nur ein kleines Mücklein. Ich darf und will mich gar nicht so wichtig nehmen. Ich will einfach nur politische Arbeit machen.
In welchem Bereich? Brauerei-Kartellrecht? Es dürfte künftig schwierig werden mit dem Übernamen «Bier-Bösch»...
«Bier-Bösch»... Das ist natürlich schon nicht ideal. Aber der «Blick» hat das ja nicht verwendet, weil ich dauernd und ununterbrochen Bier trinke, sondern weil es zum Bild gepasst hat, mit dem der «Blick» jeweils seine Artikel illustriert hat. So funktionieren Boulevard-Medien. Die Leute können das schon einordnen.
Wie haben Sie es eingeordnet, dass der «Blick» Sie erst zur achten Bundesrätin und dann fertig machen wollte?
Ach, watson hatte seine Berechtigung, «20 Minuten» hatte seine Berechtigung und auch der «Blick» und alle anderen Lokalzeitungen hatten ihre Berechtigung. Es ist halt die Aufgabe der Medien, ihre Produkte zu verkaufen und mit mir klappte das offenbar besser als mit anderen. Anders kann ich mir die enorme Medienpräsenz nicht erklären. Und «Bier-Bösch» ist ja eigentlich eine ganz humorvolle Wortkombination.
Humorvoll finden Sie das? Haben Sie die letzten Wochen amüsiert?
Nein, soweit würde ich jetzt nicht gehen. Aber ich bin zufrieden damit, wie ich die Situation gemanagt habe und mit den Entscheidungen, die ich getroffen habe, nachdem der Shitstorm ausgebrochen war. Ich finde, ich habe das doch alles in allem recht professionell gemeistert und weiteren Schaden abgewendet.
Sie bereuen nichts?
Doch, heute würde ich den Facebook-Post nicht in einem so emotionalen Moment schreiben, sondern etwas Zeit verstreichen lassen. Asche auf mein Haupt. Ich bin eigentlich kein Mensch, der vorschnell reagiert. Zum Inhalt meines Posts stehe ich aber nach wie vor.
Auch dazu, dass es eine «unglaubliche Bürokratie» ist, wenn man mit über 0,8 Promille erwischt wird, eine Blutprobe und das Billet abgeben muss?
Ja. Man hätte eine Busse sprechen und mich weiterziehen lassen können. Das ganze Prozedere mit Blutentnahme im Spital ist ein unnötiger Aufwand, der nur Zeit, Geld und Nerven kostet. Man muss nur ein bisschen zurückdenken, da war es noch legal, mit 0,8 Promille am Steuer zu sein. Hat man denn in der Zwischenzeit angefangen, schlechter zu fahren mit dem gleichen Alkoholpegel im Blut? Ich glaube nicht.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft in der Politik?
Nun, da ich mit der SVP-Fraktion nicht mehr politisieren werde und das auch nicht mehr möchte, mache ich vorerst als Parteilose weiter. Ich habe meine Aufgabe im Stadtparlament und diese werde ich mit Respekt, Fleiss und Elan fortführen.
Sie wurden ja nicht gewählt, Sie sind nachnominiert worden für den abtretenden Stadtrat Juri Deffendi. Nun wird es sehr schwierig, ohne Fraktion im Rücken zu politisieren.
Das haben andere vor mir auch geschafft. Sehen Sie sich einen Thomas Minder an. Er ist ebenfalls parteilos und ein guter Politiker.
Sie vergleichen sich allen Ernstes mit Thomas Minder?
Nun ja, wenn man nicht hoffnungsvoll lebt, kann man ja gleich abdanken. Ich glaube, die Schweizer Bevölkerung schätzt eine gute Sachpolitik, und das ist genau meine Stärke. Und Medienpräsenz habe ich auch, dank Ihnen.
Gern geschehen.
Naja, ich hätte Sie gerne langsam aufgebaut.
Das Kapitel Sie und SVP ist definitiv abgeschlossen?
Ja. Obwohl ich immer noch hinter dem SVP-Programm stehe. Die SVP ist eine gute Partei. Ich habe die SVP nie schlecht gemacht. Doch am Schluss habe ich die Loyalität von einzelnen aus meiner Fraktion vermisst. Deshalb habe mich für den Austritt entschieden.
Man hat Sie ausgeschlossen.
Nein, ich war schneller. Ich bin ein Mensch mit einem gutem Bauchgefühl. Aber das spielt jetzt alles sowieso keine Rolle mehr. Ich bin jemand, der nach vorne schaut und nicht darauf, was gestern war. Die Vergangenheit ist die Vergangenheit, sage ich immer. Auch mit meinem Rucksäcklein kann ich gute politische Arbeit leisten. Authentizität ist das Wichtigste in der Politik. Und ich bin authentisch. Auch auf Facebook. Manchmal vielleicht etwas zu authentisch.
Über Facebook haben Sie kürzlich auch nach einer «neuen beruflichen Herausforderung» gesucht. Haben Sie Angebote erhalten?
Ja. Schon vor dem «Bier-Bösch» hatte ich Gespräche, wo ich wegen meiner Medienpräsenz Absagen erhalten habe. Aber ich habe auch neue Perspektiven erhalten. Was sich daraus konkret ergeben wird, kann ich aber erst in rund einem halben Jahr sagen.
Liebäugeln Sie mit einer anderen Partei?
Auch da hatte ich Anfragen.
Von welcher?
Unter anderem von der BDP. Entschieden habe ich mich aber noch nicht.
Da werden Sie lieber Moderatorin? Sie haben in Ihrem Facebook-Post geschrieben, dass Sie gerne Moderatorin würden.
Sie müssen sich jetzt nicht darüber lustig machen. «Moderatorin» kann ja vieles sein. Ich habe vor etwa zehn Jahren auch die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule in München bestanden. Schon damals war ich sehr offen für dieses Leben als Schauspielerin oder Moderatorin. Wissen Sie, ein Drittel meines Lebens ist nun vorbei und ich habe nun Lust auf eine neue und nachhaltige Herausforderung. Im sozialen Bereich habe ich lange genug gearbeitet.
Waren Sie eigentlich als sozialer Mensch in der richtigen Partei bei der SVP?
Das ist eine gute Frage. Aber sozial sein ist kein Parteiprogramm, sondern ein Charakterzug. Und ich war ja auch nicht überall auf Parteilinie.
Sie haben sich selbst als SVP-Hardlinerin bezeichnet.
Moderate Hardlinerin! Ich stehe für weniger Bürokratie, eine starke Berufsbildung, gestärkte und nicht geschwächte Autofahrer und eine vernünftige Art der Integration.
Was machen Sie morgen?
Im Moment ist es wichtig für mich, mich zurückzuziehen, mein Programm zu schärfen und mich dann mit neuem Elan zurückzumelden.