Presslufthammer, Bagger, Baulärm – vor den Büros von «Late Night Switzerland» wird gerade die Strasse aufgerissen. Mittendrin: Stefan Büsser, Helm auf dem Kopf, ein Grinsen im Gesicht. «Wir haben gedacht, wir nutzen die Szene gleich», sagt er und stellt sich lachend vor den Fotografen.
Auch in seiner Sendung, die am Sonntag in die nächste Staffel startet, wird umgebaut. Wie genau, das verrät Büssi im Gespräch. Sketche wird es aber weiterhin geben. Und bald dürften auch Laubbläser eine Rolle spielen – auf jeden Fall liegt in den Büros schon eine ganze Armada davon bereit.
Als SRF-Moderator und Late-Night-Host ist Ihre Bekanntheit sprunghaft gestiegen. Können Sie überhaupt noch unerkannt in der Migros einkaufen gehen?
Stefan Büsser: Ich empfinde es als sehr angenehm, in der Schweiz prominent zu sein. Die Menschen sprechen dich selten direkt an. Es kommt vor, dass einer mein Erscheinen mal zu laut kommentiert – das höre ich dann natürlich. Ich werde aber weder belästigt noch angefeindet. Wer mich nicht mag, äussert das im Schutze der Anonymität im Internet.
Schätzen Sie diesen direkten Kontakt zum Publikum?
Absolut. Das mag ich auch am «Donnschtig-Jass». Wenn ich für die Sendung als Moderator im Land unterwegs bin, ist das für mich ein wertvoller Reality-Check. Ich merke bei mir selbst: Manchmal verliere ich im Redaktionsalltag ein bisschen das Gefühl dafür, für wen ich eine Show eigentlich mache.
Als «Donnschtig-Jass»-Moderator wirken Sie deutlich befreiter und spontaner als bei «Late Night Switzerland». Täuscht unser Eindruck?
Als «Donnschtig-Jass»-Moderator trage ich nicht die volle Verantwortung und kann neben Rainer Maria Salzgeber einfach meine Sprüche klopfen. Das ist wie Wellness für mich.
Dann dürften Sie jetzt auf Nadeln sitzen – am Sonntagabend startet die vierte Staffel «Late Night Switzerland» ...
Früher wäre ich in Panik geraten, wenn eine Woche vor Sendestart nicht alles bis ins Detail festgelegt gewesen wäre. Heute weiss ich: In dieser Woche ändert sich sowieso alles mehrfach – vor allem seit Donald Trump wieder an den Schalthebeln sitzt. Wir sind entspannter in die Vorbereitung gegangen.
Derzeit gleicht ja die Weltpolitik einer einzigen Satiresendung mit Donald Trump in der Hauptrolle. Macht das Ihre Arbeit einfacher oder schwieriger?
Eindeutig einfacher. Aber wir versuchen, ihn so weit wie möglich zu ignorieren. Schweizer Themen sind unser Mehrwert. Jeder Gag über Trump kursiert ohnehin schon tausendfach in den sozialen Medien. Wir greifen das Thema nur auf, wenn es die Schweiz direkt betrifft, etwa bei den Zöllen.
In der ersten Staffel wirkte die Sendung noch extrem unpolitisch. Warum ist das heute anders?
Ich bin mit Vorbildern wie «Giacobbo/Müller» gross geworden. Mir imponierte immer, wie politisch sattelfest die sind. Ich hatte mir das anfangs schlicht nicht zugetraut und hatte Zweifel: Kann ich so etwas überhaupt leisten? Doch wir merkten schnell: Das Publikum will, dass da einer am Sonntagabend Politikerinnen und Politikern auch unangenehme Fragen stellt. Die Zuschauerzahlen sind vermutlich auch deshalb gestiegen.
Die Quote lag im ersten Halbjahr 2025 bei 17, 9 Prozent. Zufrieden?
Wir hatten unser bisher bestes Halbjahr, mehrere Sendungen erreichten sogar eine Quote über 20 Prozent «Late Night Switzerland» gehört damit bei SRF seit «Giacobbo/Müller» zu den erfolgreichsten Comedyformaten am Sonntagabend.
Harald Schmidt meinte kürzlich in einem Interview bei uns, «Late Night» funktioniere in der Schweiz nicht: Das Land sei zu klein, die Leute zu lieb.
Da hat er Recht: Tägliche Shows wie in Deutschland sind hier unmöglich. Damit «Late Night Switzerland» aber das Format einer politischen Late-Night-Sendung bekommt, müsste sie spätabends mindestens fünf Mal pro Woche ausgestrahlt werden. Kommt hinzu: Unsere Branche ist klein, man läuft sich ständig über den Weg. Da überlegt man sich bei gewissen Pointen schon: Kann ich den Gag bringen?
Ihre Sendung muss den SRF-Richtlinien entsprechend politisch ausgeglichen sein – auch bei der Gästewahl. Was halten Sie von jemandem wie Jan Böhmermann, der klar aktivistisch ist?
Handwerklich finde ich ihn grossartig, aber seine klare politische Ausrichtung langweilt mich. Ich finde es spannender, wenn die Zuschauer nicht wissen, was ich von einem Thema halte und ich sie überraschen kann.
Wer ist schwieriger als Gast: Rechte oder linke Politiker?
Die Rechten stecken leichter ein. Es gibt aber auch linke Politikerinnen und Politiker, wie die Grüne Meret Schneider, für mich die witzigste Person im Bundeshaus. Sie ist in ihrer politischen Linie sehr klar, aber im Humor total offen und ganz wichtig: Selbstironisch. Unsere Gäste haben immer einen Penalty: War ein Gast lustig, heisst es am nächsten Tag in der CH Media-Büssi-Kolumne, er war lustiger als Büssi. War er nicht lustig, habe ich die falschen Fragen gestellt. (Lacht).
Aha, Sie lesen unsere Büssi-Kolumnen?
Natürlich, am Anfang trafen die mich, weil ich so viel Herzblut in die Sendung reinstecke. Wenn dann jemand schreibt, «alles ist schlecht», habe ich das sehr persönlich genommen. Meine grösste Angst war, dass Ihre Kolumne die Zuschauerzahlen drücken könnte. Das Gegenteil war der Fall. Ich bitte Sie also inständig: Machen Sie genauso weiter!
Das werden wir. Unsere Kolumnen können Sie also nicht mehr beleidigen?
Persönlich nicht. Aber diesen Fetisch mit meinen Anzügen, den Ihre Kolumnisten haben, verstehe ich immer noch nicht. (Büssi trägt in seiner Show versprayte Anzüge, was wir regelmässig kritisch kommentieren, Anm. d. Redaktion). Wir hatten uns bei der Konzeptentwicklung bewusst gegen einen klassischen Anzug mit Krawatte entschieden und etwas Frischeres wagen wollen. Ich finde die Anzüge grossartig. Sie sind mein Markenzeichen geworden.
Tragen Sie die Anzüge auch privat?
Nein, das darf ich nicht. Die sind Eigentum des SRF. Und hängen alle in einer Garderobe. Andere Moderatoren dürften sie aber für ihre Sendung nutzen. Ich fände es grossartig, wenn Urs Gredig mal einen bei «10 vor 10» tragen würde.
Zurück zu Ihren Gästen: Kassieren Sie eigentlich viele Absagen, oder kriegt der Büssi inzwischen alle?
Natürlich gibt es Absagen. Wir möchten ja immer möglichst hochkarätige Gäste in der Sendung haben. Und wir bemühen uns um ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Insgesamt erreichen uns aber deutlich mehr Absagen von Frauen. Viele sagen, «ich bin doch gar nicht lustig.» Ich erkläre Ihnen dann, dass es die Männer auch nicht sind. Ich kann Frauen nur ermutigen, nutzt eure Chance!
Ihr Sidekick Michael Schweizer zieht sich aus dem Studio zurück, bleibt aber Teil des Teams. Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt gewesen, den Posten mal mit einer Frau zu besetzen?
Nachdem Michael auf eigenen Wunsch entschieden hat, nicht mehr Sidekick zu sein, werden wir künftig ganz auf die Rolle verzichten. Ich habe ja die Band und weitere Leute auf der Bühne, mit denen ich interagieren kann.
Wen hätten Sie gerne mal in Ihrer Sendung?
Karin Keller-Sutter hätten wir zum Staffelstart gerne gehabt – die hat aber abgesagt. Dabei wäre es eine tolle Chance gewesen, den verspielten Kredit nach dem Trump-Telefonat mit einer humorvollen Reaktion zurückzugewinnen.
Uns stört, dass Ihre Gästeliste manchmal wie SRF-Eigenpromo aussieht. Könnte man da nicht origineller sein?
Ich kann den Punkt teilweise nachvollziehen, aber am Ende zählt für uns, ob ein Gast unterhaltsam ist und beim breiten Publikum ankommt. Auch in Zukunft werden wir deshalb immer mal bekannte Gesichter wie Nik Hartmann in der Sendung haben.
Sie teilen sich den Sendeplatz mit Gabriel Vetters Show. Ist das nicht einer dieser Schweizerischen Kompromisse, die weder der einen noch der anderen Sendung etwas bringt?
Es ist ein Kompromiss, mit dem ich gut leben kann. In qualitativen Befragungen kamen beide Shows gleich gut an, und Gabriel Vetter möchte nicht wöchentlich senden. Auch mir ermöglicht eine freie Woche pro Monat ein Privatleben.
Wie sieht Ihre Arbeitswoche aus?
Montags arbeite ich Liegengelassenes ab, ab Dienstag plane ich die Themen, die wir im Blick behalten müssen. Mittwochmorgen haben wir die grosse Redaktionssitzung, danach wird durchgearbeitet. Freitag ist Drehtag für aktuelle Sketche. Am Sonntag proben wir am Nachmittag – zuerst technisch, dann die Hauptprobe mit Band. Abends ist dann die Aufzeichnung.
Klingt nach harter Arbeit.
Ja. Aber es lohnt sich. Diesen Sommer kamen zum ersten Mal Leute zu mir und sagten: «Super, was ihr am Sonntagabend macht.» Nach drei Staffeln beginnt das Publikum, die Sendung wirklich wahrzunehmen. Es dauert, bis man im Bewusstsein verankert ist. Aber es ist harte Arbeit – oft eine Sieben-Tage-Woche.
Viele Politiker rechts der Mitte sagen, Comedy-Formate wie das Ihre gehört ins Privatfernsehen. Das sei kein Service Public.
Auch Unterhaltung ist Teil der Konzession, auch Comedy-Formate wie «Late Night Switzerland» fallen unter Service public. Solche Aussagen zeigen, dass viele nicht wissen, was Fernsehen kostet. Ich bin überzeugt, dass eine Show wie unsere wohl kein privater Anbieter in der gleichen Qualität umsetzen und refinanzieren könnte.
Was passiert, wenn die Halbierungsinitiative angenommen wird? Gäbe es Ihre Sendung noch?
Das kann ich nicht sagen. Ich persönlich denke jedoch nicht, dass die Sendung unter solchen finanziellen Bedingungen weiterbestehen könnte.
Ihr SRF-Podcast «Comedymänner» ist bereits Geschichte – nach über 200 Folgen und 25 Live-Shows. Warum?
Wir hatten von Anfang an gesagt, wir machen fünf Jahre – und genau so kam es. Wir wollten aufhören, solange die Leute den Podcast noch mochten. Das war bei der letzten Live-Show mit 3000 Menschen deutlich spürbar. Es gibt nichts Schlimmeres, als weiterzumachen, wenn keiner mehr zuhört. Irgendwann hatten wir alles erzählt.
Auch thematisch gab es Überschneidungen.
Ja. Und die Doppelbelastung war gross. Der Kopf war irgendwann voll. Jetzt können wir uns ganz auf «Late Night Switzerland» konzentrieren – sowohl kapazitätsmässig als auch thematisch.
Gegen Ende der letzten Staffel von «Late Night Switzerland» flog Ihnen eine Pointe um die Ohren. Sie mussten sich bei der 19-jährigen Muslima und SP-Politikerin Vera Celic entschuldigen.
Die Pointe war schlecht umgesetzt. Wir wollten nicht gegen Vera Çelik zielen, sondern gegen die Junge SVP. Rückblickend hätte die Pointe klarer formuliert werden müssen, sodass deutlich wird, dass wir das Bild von islamfeindlichen SVP-Klischees aufs Korn nehmen wollten. Selbstkritisch muss man sagen. Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht.
Es war also ein Missverständnis?
Ja, für einige Leute schon. Die meisten haben unsere Absicht zum Glück erkannt. Und wir haben darauf gelernt. Dass wir bei solch sensiblen Inhalten noch aufmerksamer sind. Und auch dass wir bei jungen Politikerinnen und Politikern künftig mehr Vorsicht walten lassen müssen. Die teilweise heftigen Reaktionen haben mich jedoch auch getroffen – ich wurde stellenweise hart angegangen. Ich sehe mich selbst als wachsamer Mensch, auch wenn ich nicht bei jeder Demo mitlaufe.
Sie haben viele negative Reaktionen erhalten.
Ja, aber interessanterweise nicht von der muslimischen Community. Mir haben genau fünf Muslime direkt geschrieben, zwei fanden den Witz sogar lustig. Drei waren irritiert, weil die Pointe für sie nicht mit meiner Balkan-Serie von 2018 zusammenpasst, wo ich ihre Heimat mit viel Liebe portraitiert habe. Nach dem Austausch fanden sie die Pointe zwar immer noch doof, aber haben die Absicht dahinter verstanden.
Woher kamen dann die negativen Reaktionen?
Ich glaube, hinter einigen Reaktionen steckte klassische Stellvertreter-Empörung, bei der ich den Eindruck manchmal nicht loswerde, dass es nicht nur den Opfern, sondern vor allem auch dem eigenen Bild dienen soll. Mit Vera hatte ich später ein sehr gutes Gespräch, worauf sie auch ihre Ombudsbeschwerde zurückgezogen hat.
Die Ombudsstelle des SRF hat den Witz auch kritisiert. Hätten Sie sich bei der Jungpolitikerin auch entschuldigt, wenn Sie «freigesprochen» worden wären?
Ja. Entschuldigt habe ich mich nicht wegen der Ombudsstelle, sondern weil es nie meine Absicht war, Vera zu verletzen. Jungpolitikerinnen und Jungpolitiker sollten einen gewissen Welpenschutz geniessen. Nach solchen heftigen Shitstorms entsteht auch eine Schere im Kopf und man verzichtet künftig wohl lieber mal auf eine Pointe.
Das ist aber sehr schade.
Man kann heute immer noch alles sagen, man muss es nur cleverer machen.
Sie waren auch früher schon Ziel ähnlicher Angriffe, ein anonymer Instagram-Account hat fast jede Verlautbarung aus dem Podcast «Comedymänner» daraufhin überprüft, ob er sexistisch oder diskriminierend ist.
Jedem sein Hobby (lacht). Teils war die Kritik berechtigt, meistens aber nur absurd.
Was haben Sie getan?
Ich habe den anonymen Betreibern auf Instagram eine Nachricht geschrieben: «Lasst uns zusammensitzen, vielleicht kann ich etwas lernen.» Aber keine Reaktion. Stattdessen wurde ich gesperrt.
Sie wurden gecancelt?
Gecancelt werden kannst du nur von deinem eigenen Publikum. Aber der Vorfall zeigt, dass es hier nicht um Aufklärung ging, sondern darum, jemanden verkürzt zu etikettieren und als Person sozial untragbar zu machen. Ich habe das Gefühl, dass manche Leute nicht interessiert sind an einem Dialog. Sie sind in ihren Themen emotional so involviert wie Hardcore-Fussballfans, die keinen Witz über ihren Club ertragen. Jede Pointe wird als ein Angriff verstanden. Wenn Comedy nur moralisch sein soll, funktioniert sie nicht. Comedy muss manchmal amoralisch sein, aber nie unethisch. (aargauerzeitung.ch)