Herr Silberschmidt, was sagen Sie zu diesem Desaster?
Andri Silberschmidt: Das Volk hat gesprochen - und wir müssen nun umsetzen, was es entschieden hat. Wir haben gekämpft bis zuletzt, aber es hat nicht gereicht.
Es hat bei weitem nicht gereicht. Mit 25 Prozent Jastimmen bleibt Ihre Initiative für ein höheres Rentenalter unter den Erwartungen.
In den Umfragen sah es vorübergehend besser aus. Die FDP hat praktisch alleine gekämpft. Die SVP beschloss zwar die Ja-Parole, aber die Freisinnigen waren im Abstimmungskampf auf sich allein gestellt. Darum ist das Ergebnis nicht so schlecht.
Wollten Sie zu viel? Die Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung, das empfanden viele als übertrieben.
Wir wollten eine ganze Lösung präsentieren, keine halbe. Es ist allen klar, dass ein höheres Rentenalter wieder aufs Tapet kommt. Das ist unvermeidlich, wenn die Menschen in diesem Land älter werden. In einer Demokratie braucht es manchmal mehrere Anläufe, bis man ins Ziel kommt. Ein Ziel der Initiative konnten wir dennoch erreichen.
Nämlich?
Unsere Initiative verlangte die Anhebung des Frauenrentenalters auf 65. Sie ist bereits umgesetzt worden. Viele Menschen waren offenbar der Meinung: Das reicht jetzt fürs Erste.
Ihre Niederlage ist eine zweifache: Die 13. AHV-Rente ist klar angenommen worden. Warum?
Es gibt ein verbreitetes Gefühl in der Bevölkerung. Es besagt: «Wir kommen zu kurz». Dazu trägt die Teuerung bei. Die Lebenshaltungskosten sind gestiegen. Zugleich hat der Bund in der Pandemie riesige Summen für verschiedene Branchen aufgewendet, und er stabilisierte vor einem Jahr mit hohen finanziellen Garantien das Finanzsystem. Die Bevölkerung soll jetzt auch einmal etwas erhalten, gegen diese Stimmung war schwer anzukommen im Abstimmungskampf.
Es scheint, dass die Älteren in grosser Zahl an der Abstimmung teilgenommen haben. Der Unterschied zu den Jüngeren war bei der Beteiligung noch markanter als sonst.
Ich finde, dass junge Menschen in der Schweiz mit vielen Chancen aufwachsen, die sie ihren Eltern und Grosseltern zu verdanken haben. Den Generationenvertrag muss man aber erneuern - denn er ist gefährdet. Die Geburtenrate sinkt, es gehen weit mehr Menschen in Pension, als in den Arbeitsmarkt eintreten - und jetzt sollen die Rentenausgaben nochmals stark ansteigen. Diese Anhäufung von Faktoren wird für junge Familien eine enorme Belastung. Hier sollte man einen besseren Ausgleich schaffen.
Es stellt sich nun die Frage, wie die 13. AHV-Rente finanziert wird. Die Initianten schwiegen sich darüber aus.
Ich bin überzeugt, dass nun nicht der Mittelstand die Zeche bezahlen sollte. Die Lohnabzüge zu erhöhen, ist einfach. Das trifft die Menschen mit mittleren Einkommen aber am härtesten. Es braucht eine andere Lösung.
Was schwebt Ihnen vor?
Ich finde, dass man beim Konzept der Lebensarbeitszeit ansetzen sollte.
Sie halten an einer Erhöhung des Rentenalters fest, nach dem pechschwarzen Sonntag? Sind Sie unbelehrbar?
Nein. Ich bin nun wochenlang durchs Land getingelt. Und ich hörte auf den Podien von den Gegnern stets den Einwand: «Warum habt ihr nicht bei der Lebensarbeitszeit angesetzt?». Unsere Initiative hätte wohlgemerkt gar nicht ausgeschlossen, dass dieser Ansatz berücksichtigt wird. Item: Wir wollen verhindern, dass die 13. Rente alleine mit höheren Steuern und Abgaben finanziert wird. Das wäre sehr schlecht.
Was fordern Sie nun konkret?
Wer studiert hat und relativ spät in die Arbeitswelt eingetreten ist, soll später pensioniert werden als jemand, der schon in der Berufslehre zu arbeiten angefangen hat. Das scheint mir ein fairer Ansatz. Zumal viele Akademikerinnen und Akademiker in Bürojobs tätig sind. Von ihnen zu erwarten, dass sie ein wenig länger arbeiten als andere, ist fair und angemessen.
Werden Sie diesen Punkt einbringen, wenn das Parlament über die Finanzierung der 13. AHV-Rente berät?
Selbstverständlich. Das Stimmvolk hat für einen Ausbau des Sozialstaates votiert. Die Finanzierung wird angesichts der angespannten Finanzlage des Bundes eine Herausforderung. Die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz steigt weiter. Mit einem Modell, das die Lebensarbeitszeit berücksichtigt, werden Universitätsabsolventen ein wenig später pensioniert als mit 65. Ich hoffe, dass wir damit im Parlament eine Mehrheit hinbekommen. Auch in einer Volksabstimmung.
Sie klingen zuversichtlich nach diesem bürgerlichen Waterloo. Es fehlt der Schweizer Wirtschaft an profilierten Köpfen, die sich politisch einbringen. In der breiten Bevölkerung fallen vor allem Exponenten auf, die mit ihrer Inkompetenz und ihrer Überheblichkeit eine Grossbank ruinieren.
Ja, es braucht wieder mehr Unternehmerinnen und Unternehmer in der Politik. Zur FDP-Fraktion sind Heinz Theiler, Kris Vietze und Simon Michel gestossen. Sie bringen die Sicht des Schweizer Werkplatzes kompetent ein. Es sollten sich noch mehr Persönlichkeiten aus der Wirtschaft in der Öffentlichkeit engagieren. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass der Staat nicht ständig noch mehr Aufgaben übernimmt und diese zu finanzieren hat. Für die Schweiz ist das kein Erfolgsrezept. Das wissen im Übrigen auch die meisten, die der 13. AHV-Rente zugestimmt haben. (aargauerzeitung.ch)
Und was ist mit den Studienabbrechern oder denen, die es nicht schaffen und dann keinen Bürojob haben….
Mit fair hat das nichts zu tun! Nicht in einem Land, in dem jeder jede Bildungsmöglichkeit hat
Ich würde sagen, dass sie besser still ihre Wunden lecken sollten und den Lead zum Thema Finanzierung besser den Gewinnern überlassen, denn wenn man mit über 75 % mit einer Vorlage zu längeren Arbeitszeiten scheitert, sind diese Silberschmidt-Forderungen eine ziemliche Frechheit.