Das Bezirksgericht Zürich hat einen 63-jährigen ehemaligen Flixbus-Chauffeur am Mittwoch zu einer bedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Für die Richter trug der Italiener die Verantwortung am Tod zweier Menschen bei einem Busunglück in Zürich.
Der erfahrene Chauffeur hätte das Tempo auf der schneebedeckten Sihlhochbrücke anpassen müssen, hielt der Richter in seiner Urteilsbegründung fest. Er habe sogar noch Streufahrzeuge überholt. Gemäss Gutachter wären 30 km/h angemessen gewesen, er fuhr mit 68 km/h.
Der Chauffeur habe die Verantwortung gehabt und die Verhältnisse gekannt. Er habe die Strecke in den Monaten zuvor mehrfach befahren. Ihm sei auch bewusst gewesen, wo er durchfahren müsste, sagte der Richter.
Ein Anruf bei der Flixbus-Zentrale 45 Minuten vor dem Unfall zeige, dass den Fahrern die schwierigen Verhältnisse bewusst waren. Diese habe übrigens im Telefonat gesagt, dass Verspätungen in Ordnung seien. Die Verteidigerin des Italieners hatte geltend gemacht, dass die Zentrale den Fahrern nicht erlaubte, besseres Wetter abzuwarten.
Wäre der Beschuldigte langsamer unterwegs gewesen, hätte er anhalten können, sagte der Richter weiter. Seine Sorgfaltspflicht habe der Chauffeur grob missachtet.
Dass die Opfer nicht angeschnallt waren, wie die Verteidigerin monierte, habe der Beschuldigte gewusst. Auch darum hätte er vorsichtiger fahren müssen.
Für die Richter ist klar, dass der zweite Chauffeur wegen des Unfalls und nicht wegen seiner Vorerkrankungen starb, wie die Anwältin argumentiert hatte. Weniger klar sei, ob das zweite Todesopfer, eine Frau, aus dem Bus in die Sihl geschleudert worden war. Auch sie sei aber als Folge des Unfalls gestorben.
Der 63-Jährige wird wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung, mehrfacher fahrlässiger Körperverletzung und grober Verkehrsregelverletzung verurteilt. Für die Freiheitsstrafe gilt eine Probezeit von zwei Jahren. Beim Unfall im Dezember 2018 starben zwei Menschen, dutzende Passagiere wurden verletzt.
Der Staatsanwalt sagte am Morgen, es sei kaum zu glauben, dass ein Berufs-Chauffeur so gefahren sei. Er forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Der tödliche Unfall hätte gemäss Staatsanwalt leicht vermieden werden können - durch angepasstes Tempo.
Die Verteidigerin forderte lediglich eine Busse wegen einfacher Verkehrsregelverletzung. Es sei unklar, wie die verstorbene Passagierin in die Sihl gefallen sei, hielt sie fest. Dass die Frau beim Aufprall aus dem Bus geschleudert wurde, sei aber «unmöglich».
Der Arbeitskollege des Chauffeurs starb 15 Tage nach dem Unfall im Spital. Der Mann habe schon vor dem Unfall schwere Organschäden gehabt. Dass sein Tod direkt mit dem Unfall zusammenhänge, sei nicht nachweisbar, erklärte die Anwältin weiter.
Sämtliche Verletzte, die einen Strafantrag stellten, seien nicht angegurtet gewesen - trotz Pflicht. Die Fahrer hätten auf die Pflicht hingewiesen, die Verletzungen könnten dem 63-Jährigen deshalb nicht angelastet werden.
Die Schuld am Unfall sah die Verteidigerin bei den Behörden. «Die Stelle war extrem gefährlich», sagte sie. Erst nach dem Unfall wurden Betonelemente vor das Autobahn-Ende gestellt. Dies, obwohl einige Jahre zuvor bereits ein Lastwagen in die Sihl gefallen war.
Der Chauffeur habe zu verstehen versucht, wo er hinfahren müsse. Es sei nicht klar gewesen, dass die Autobahn dort in eine Rechtskurve führe.
Der 62-jährige Italiener blieb der Verhandlung fern. Er liess sich wegen psychischer Probleme dispensieren. Laut seiner Anwältin tue ihm sehr leid, was passiert sei.
Der Flixbus aus Mailand fuhr am frühen Morgen des 16. Dezembers 2018 fast ungebremst in eine Betonwand am Ende der Sihlhochstrasse. Gestartet war der Bus in Genua, das Endziel war Mannheim.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (hkl/sda)