Bundesanwalt Michael Lauber zeigte sich bisher selbstbewusst. Trotz vernichtender Kritik an seinen nicht protokollierten Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino. Er mache alles richtig, gab er vor Medien oder Parlamentariern an.
Als die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) unter alt Regierungsrat Hanspeter Uster im Mai ein Disziplinarverfahren gegen Lauber eröffnete, griff der zu grobem Geschütz. Die AB-BA beschwöre «eine institutionelle Krise» herauf.
Jetzt ist allerdings eingetroffen, was Uster befürchtet hat: Lauber ist es, der eine Krise auslöst. Er hat mit seinen Infantino-Treffen die von seiner Behörde geführten Verfahren in Sachen Fifa-Korruption schwer beschädigt.
Zwei beschuldigte Ex-Fifa-Funktionäre hatten sich wegen der nicht in den Akten aufgetauchten Lauber-Infantino-Treffen beschwert. Am Montag entschied das Bundesstrafgericht in Bellinzona: Der Bundesanwalt ist seit dem ersten Infantino-Treffen im März 2016 befangen.
Befangen war laut Gericht auch der frühere Leiter Wirtschaftskriminalität, Oliver Thormann, der sich auf Laubers Weisung mit Fifa-Chefjurist Marco Villiger getroffen hatte.
Befangen ist auch ein führender, noch aktiver Staatsanwalt, der Verfahren im Fifa-Zusammenhang leitet.
Die Fifa-Verfahren sind damit lädiert. Leute müssen ausgewechselt werden, die von der Befangenheit betroffenen Verfahrenshandlungen können für ungültig erklärt werden. Ohnehin droht vielen Verfahren bereits die Verjährung.
Mit den nicht protokollierten Treffen mit Infantino habe Lauber die Verfahrensregeln verletzt, halten die Richter in Bellinzona fest: «Mit dem Gebot, alle Verfahrensbeteiligten gleich und gerecht zu behandeln und ihnen das rechtliche Gehör zu gewähren, lässt sich die von Bundesanwalt Lauber im konkreten Verfahren gewählte Vorgehensweise nicht vereinbaren».
Der vorsitzende Richter der Beschwerdekammer, die die Urteile fällte, ist ein erfahrener Mann, und er kennt Lauber persönlich: Giorgio Bomio war selbst bis vor zwei Jahren Mitglied der Aufsichtskommission AB-BA.
«Der Zweck und vor allem der konkrete Inhalt dieser Treffen bleiben nach wie vor unklar», so das Gericht. «Auch die nachträglich gelieferten Schilderungen des Inhalts der entsprechenden Gespräche (sofern überhaupt eruierbar) blieben sehr allgemein und wenig konkret.»
Mindestens drei Treffen, so der heutige Wissensstand, gab es zwischen Lauber und dem Fifa-Boss. An das dritte Treffen, bei dem auch ein Walliser Oberstaatsanwalt und Laubers Sprecher André Marty dabei waren, kann sich angeblich keiner der vier erinnern.
Lauber hatte auch gegenüber dem Gericht angegeben, solche Treffen seien richtig und unabdingbar: «Übergeordnete Koordinationstreffen wie jene mit der Fifa-Leitung beeinträchtigen die unabhängige, allein dem Recht verpflichtete und unparteiische Verfahrensführung der Bundesanwaltschaft nicht.» Er behauptete auch, dass er keinen Einfluss auf Verfahren nehme.
Bellinzona wies ihm aber nach, dass er und sein Führungskader zumindest in einem Fall direkt auf eine Verfahrenshandlung einwirkten: Am 10. April 2018 erhielt ein Fifa-Verfahrensleiter die Weisung, dass ein «Verfahren nicht mehr anklageführend weiter ermittelt, sondern eingestellt werden solle».
Dass Lauber in Verfahren einwirkte, geht auch aus einer anderen Passage hervor: So habe dieser angegeben, Treffen wie jene mit Infantino lägen im Interesse «einer bestmöglichen, effektiven und effizienten Beweissicherung und Sachverhaltsabklärung». Dann müsse aber auch angenommen werden, so das Gericht, dass «sich das an solchen Treffen Erörterte in irgendeiner Form auch im konkreten Verfahren niederschlägt, andernfalls wären gerade diese ausdrücklich genannten Zwecke ja nicht zu erreichen.»
Man erfährt auch, dass der Leiter der Fifa-Task-Force erst aus den Medien von Treffen seines Chefs mit Infantino erfuhr und dass er «bis heute keine Kenntnisse über deren konkreten Inhalt» habe. Der Task-Force-Leiter gab auch an, es habe zum Zeitpunkt der Lauber-Infantino-Treffen gar nie einen «spezifischen Koordinationsbedarf gegeben, den die Verfahrensleitung nicht selber hätte lösen können». Der Hintergrund der Infantino-Treffen wird damit immer rätselhafter.
Die Entscheide aus Bellinzona sind rechtskräftig. Die Bundesanwaltschaft hielt am Dienstag einzig fest, die Entscheide würden «nun analysiert».
«Fiasko total», kommentiert ein ehemaliger Staatsanwalt, er spricht von Laubers Waterloo. «Gewaltige Mehrkosten» etwa für ausserordentliche Staatsanwälte, Verfahrensverzögerungen, Verjährungsrisiken, Imageschaden» seien die Folge.
Lauber will sich trotz allem, so der letzte Stand, vom Parlament für eine dritte Amtszeit wählen lassen. Der Wahlakt wurde wegen der Wirren auf Herbst verschoben. Heute will das Parlament Laubers zwei Stellvertreter im Amt bestätigen. Sie könnten übernehmen, wenn Lauber ausfallen sollte.