Seit mehr als 400 Jahren begrüsst seine gelbe Fassade die Besucher am Dorfeingang von Oberägeri bei Zug: Das Gasthaus zum Ochsen, Zeuge der Belle Epoque, mit bäuerlichem Charme und selten gewordenem abgeschrägtem Tätschdach. Keiner könnte beim Anblick des Ochsen ahnen, dass vor rund einem halben Jahr die Richter des Schweizer Bundesgerichts über seinem Tätschdach brüteten und dass wegen ihm nun der Denkmalschutz des Kantons Zug um seine Existenz zittert.
Die Geschichte begann vor sieben Jahren, als der Ochsenwirt genug hatte vom unpraktischen Innenleben des alten Gasthauses, das er 2002 zum Schnäppchenpreis von rund 950'000 Franken einer Bank abgekauft hatte. Ein Neubau musste her. Einfacher gesagt als getan: Zähneknirschend stellte der Wirt nur kurze Zeit später fest, dass er mit seinem Neubaugesuch den kantonalen Denkmalschutz Zug auf den Plan gerufen hatte.
Er hätte es besser wissen müssen: Der Ochsen war schon bei seinem Kauf im Inventar der schützenswerten Denkmäler in Zug eingetragen. Und deshalb kam es wie es kommen musste: Am 22. August 2008 empfahl die Denkmalkommission dem Departement des Inneren, das Baugesuch für den Neubau abzulehnen. Der Gemeinderat von Oberägeri sah es ähnlich, und das Departement des Inneren verfügte schliesslich zwei Jahre später definitiv die Unterschutzstellung. Gemäss kantonalem Denkmalschutzgesetz kann es dies auch ohne Einwilligung des Eigentümers tun.
Der Ochsenwirt war am Boden zerstört und spricht Jahre später gegenüber watson von einem «verordneten Konkurs». Zum Glück fand er bald einen guten Freund: CVP-Kantonsrat und Architekt Thiemo Hächler. Dieser eilte dem Ochsenwirt beratend zur Seite und erstellte ihm das Gutachten, das er brauchte – und bis vor Bundesgericht tragen würde: «Dem Ochsen kommt hinsichtlich des Eigenwerts der Baute keine wichtige Bedeutung im Sinne des Denkmalschutzgesetzes zu», hält Hächler in seiner Argumentation fest. Es fehle wertvolle historische Bausubstanz im Inneren des Gebäudes.
Doch Hächler, rege aktiv als Architekt in Zug und erfahren mit dem Denkmalschutz, konnte noch mehr tun: Nur gut einen Monat nach der Verfügung, den Ochsen unter Denkmalschutz zu stellen, reichte er beim Regierungsrat des Kantons Zug eine Interpellation ein: «Ist es im Sinne der Regierung, Eigentümer von Liegenschaften bewusst in wirtschaftliche Misslage zu treiben?», fragte er, um für den Ochsenwirt in die Bresche zu springen.
Der Regierungsrat antwortete: Wenn auch ein Neubau unmöglich sei, könne der Eigentümer bei einer Renovation des Gebäudes immerhin «mit einem ansehlichen Unterstützungsbeitrag rechnen». Der Wirt hatte inzwischen beim Regierungsrat Beschwerde gegen den Entscheid der Direktion des Innern eingereicht. Der Regierungsrat wies sie ab. Der Ochsen blieb schützenswert.
Wieder war der Ochsenwirt am Boden zerstört. Und wieder war sein Freund Hächler zur Stelle. Im Januar 2014 forderte Kantonsrat Hächler – der sich inzwischen Blocher-Anwalt Manuel Brandenberg, SVP-Kantonsrat und juristischer Berater vieler Expats sowie FDPler Daniel Abt, Bauunternehmer, zur Seite geholt hatte – per Motion praktisch die Abschaffung der Denkmalpflege: Der Kommission soll nicht nur das Recht entzogen werden, Gebäude gegen den Willen des Eigentümers unter Schutz zu stellen, sondern sie«sei aufzulösen und durch den Kantonsrat entsprechend der Parteienstärke neu zu besetzen» . Seine Beziehung zum Ochsenwirt erwähnte er in der Motion mit keinem Wort.
Der Ochsenwirt seinerseits hatte die Beschwerde gegen die Unterschutzstellung seines Gasthofs in der Zwischenzeit weiter ans Zuger Verwaltungsgericht gezogen. Im März 2014 wies dieses sie ebenfalls ab. Am 18. November 2014 bestätigte auch das Bundesgericht die Schutzwürdigkeit des Ochsen.
Jetzt wurde die Angelegenheit auch für Hächler dringlich. Er holte zum Rundumschlag aus: Nur eine Woche nach dem Bundesgerichtsentscheid reichten er und seine Mitstreiter eine zweite Motion genau gleichen Themas ein: Der Denkmalpflege sollte die «Zwangsunterschutzstellung» endlich verboten werden. Um noch einen drauf zu setzen, erreichte Hächler an der Budgetsitzung im selben Monat eine zehnprozentige Finanzkürzung beim Amt für Archäologie und Denkmalpflege.
An der Kantonsratssitzung im Dezember erlaubte sich dann die Grüne Ester Haas in ihrem Votum zum ersten Mal eine kritische Bemerkung: «Womöglich tangiert die Unterschutzsstellung einen Auftrag des Architekten und Mitmotionärs Thiemo Hächler» , sagte sie. Hächler bestritt jeglichen Zusammenhang mit der Motion, räumte aber seine Interessensbindung bezüglich seines Berufs ein. Er habe dem betroffenen Amt die Möglichkeit zu einer kompletten Neuorganisation geben. Passiert sei praktisch nichts.
Das Amt sei schlecht geführt, lähme Investitionen, entscheide willkürlich und unnachvollziehbar. Für Eigentümer bestehe Rechtsunsicherheit und der Schutz des Privateigentums müsse gestärkt werden.
Thiemo Hächler hat sein Amt als Kantonsrat inzwischen abgegeben, sein Engagement hallt jedoch nach: An der Kantonsratssitzung von heute Donnerstag wurden seine Motionen für teilerheblich erklärt. Der Denkmalschutz muss bei der Inventarliste schützenswerter Gebäude über die Bücher. Per Postulat wird die Regierung zudem weiter darüber beraten, ob das Gremium in seiner heutigen Form geeignet ist. Der Ochse hingegen, der bleibt.