Schweiz
Justiz

Arbeitskollege überfahren? Laut Beschuldigter sei es Notwehr gewesen

30-Jähriger überfährt nach Streit einen Arbeitskollegen

24.04.2023, 10:4924.04.2023, 15:43
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Obergericht Zürich
Das Obergericht ZürichBild: adrian michael

Ein 30-jähriger Schweizer soll in einem Parkhaus in Dübendorf einen Arbeitskollegen überfahren haben, nachdem er mit diesem in einen Streit geriet. An der Verhandlung vor dem Zürcher Obergericht am Montag machte er Notwehr geltend.

Das Bezirksgericht Uster verurteilte den 30-jährigen Chauffeur, der nach der Tat ins Ausland flüchtete und rasch verhaftet wurde, im Dezember 2021 zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten. Am Montag kam es zur Berufungsverhandlung vor dem Zürcher Obergericht.

Zum Streit zwischen den beiden Männern kam es im Dezember 2019 nach der Weihnachtsfeier des gemeinsamen Arbeitgebers in einem Lokal in Dübendorf.

Streit um Massaker von Srebrenica

Der Beschuldigte, ein in der Schweiz geborener 30-jähriger Mann mit familiären Wurzeln in Serbien und das spätere Opfer, ein Arbeitskollege von ihm, der aus Bosnien stammt, gerieten nach der Feier im Parkhaus aneinander. Auslöser war das Massaker von Srebrenica während des Bosnienkriegs. Rund 8000 Menschen haben serbische Truppen in der bosnischen Stadt im Juli 1995 ermordet. Das Massaker gilt als schwerstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des zweiten Weltkriegs.

Gemäss der Schilderung der Anwältin des Privatklägers stritten sich die beiden Arbeitskollegen an jenem Abend nach Mitternacht in einem Parkhaus in Dübendorf darüber, wer an Srebrenica schuld sei. Der Beschuldigte habe bestritten, dass das Massaker von serbischen Truppen verübt worden sei.

Der Streit schaukelte sich hoch, bis es erste Schläge setzte. Die Situation eskalierte vollends, als das spätere Opfer ein Wagenheber aus dem Auto holte, und dem Beschuldigten - gemäss dessen Schilderung - drohte, ihn umzubringen.

Der Beschuldigte fürchtete um sein Leben

«Ich hatte Angst um mein Leben und wollte so rasch wie möglich weg», sagte der Beschuldigte am Montag vor dem Zürcher Obergericht. Er habe sich in sein Auto gesetzt und wollte losfahren. Doch sein Kontrahent sei ihm, mit dem Wagenheber in der Hand, im Weg gestanden. Im Schritttempo habe er versucht, diesen «mit dem Auto zu verscheuchen».

Irgendwann stürzte der Mann und geriet unter das Auto. «Ich dachte er wäre unter der Stossstange eingeklemmt, und habe das Auto deshalb rasch zurückgesetzt, damit er dort nicht eingeklemmt bleibt», sagte der Beschuldigte. Nach Aussagen des Opfers und gemäss verschiedener Untersuchungen wurde der Mann wohl zwei Mal vom linken Vorderrad des Autos überrollt.

Er erlitt dabei keine lebensgefährlichen Verletzungen, leidet gemäss den Schilderungen seiner Anwältin aber bis heute unter den psychischen und physischen Folgen des Angriffs. So komme es beispielsweise vor, dass er regelrecht erstarre, wenn er auf einem Fussgängerstreifen eine Strasse überqueren soll, und sich ihm dabei Autos nähern. Die Anwältin forderte für ihn eine Genugtuung von 15'000 Franken.

Staatsanwalt fordert längere Freiheitsstrafe

Der Verteidiger des Beschuldigten forderte einen Freispruch. Dieser habe Angst um sein Leben gehabt und in Notwehr gehandelt. Falls es doch zu einem Schuldspruch komme, müsse das Strafmass deutlich unter demjenigen der Vorinstanz liegen.

Der Staatsanwalt hingegen beantragte, dass der Beschuldigte für versuchte vorsätzliche Tötung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt werden solle. Das Strafmass der Vorinstanz sei zu tief ausgefallen. Der Täter habe mit seinem Verhalten in Kauf genommen, dass das Opfer getötet werden könnte.

Das Obergericht will das Urteil noch am Montagnachmittag bekanntgeben. (oee/sda)

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