Die Bundesanwaltschaft gibt Gas im Verfahren gegen Ex-Fifa-Präsident Joseph Blatter. Der 84 Jahre alte Walliser erhielt vom Staatsanwalt des Bundes Thomas Hildbrand drei Vorladungen. Drei Mal soll er als Beschuldigter in einem Verfahren aussagen, das seit fast fünf Jahren läuft.
Mit der Offensive verschärft sich allerdings ein ganz anderes Problem: Blatter hat mit dem Zürcher Lorenz Erni den gleichen Anwalt wie der von der Amtsenthebung bedrohte Bundesanwalt Michael Lauber.
Erni vertritt Blatter im Strafverfahren der Bundesanwaltschaft. Und er vertritt den Bundesanwalt im Verwaltungsverfahren, in dem es um Laubers Disziplinarstrafe geht. In beiden Fällen spielt im Hintergrund Fifa-Chef Gianni Infantino eine Rolle: Im Verfahren Blatter ist die Fifa Privatklägerin, beim Verfahren Lauber sind dessen ominöse Geheimtreffen im «Schweizerhof» mit Infantino mit ein Streitpunkt.
Für befragte Strafrechtler ist klar: Verfahrensleiter Hildbrand müsste Erni als Verteidiger von Blatter ausschliessen, um ein faires Verfahren zu sichern.
«Bei einer gleichzeitigen Verteidigung eines von der Bundesanwaltschaft Beschuldigten in einem Strafverfahren einerseits und dem Bundesanwalt in einem Verwaltungsverfahren andererseits liegt der Anschein einer Interessenkollision des mandatierten Anwaltes vor», sagt ein erfahrener Ermittler. «Nach der von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Praxis müsste somit der Verfahrensleiter der von der Bundesanwaltschaft geführten Strafuntersuchung einschreiten und den Anwalt des Beschuldigten von der Verteidigung ausschliessen.»
Der Berner Anwalt Vincenzo Amberg, Spezialist für Anwaltsrecht, stellt fest, dass in vorliegendem Fall wegen der Doppelvertretung möglicherweise eine Interessenkollision vorliegen könnte. Das Vorgehen in einem solchen Fall sei klar: «In einem laufenden Verfahren ist die mit der Sache selbst befasste Behörde oder das mit der Sache selbst befasste Gericht zuständig: Nur sie oder es kann bei Vorliegen einer Interessenkollision einen Parteivertreter vom Verfahren ausschliessen.»
Laut Artikel 12 Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz) müssen Anwälte «jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klientschaft und den Personen, mit denen sie geschäftlich oder privat in Beziehung stehen», vermeiden.
Ein anderer befragter Rechtsexperte verweist auf den offiziellen Kommentar zu Schweizer Strafprozessordnung und stellt fest: «Ein Anwalt kann auch mehrere Parteien in einem Strafprozess vertreten, nicht aber einen Beschuldigten und daneben ein Mitglied oder gar den Chef der Untersuchungs- und Anklagebehörde.» Denn sonst, so der Experte, «ist der Verdacht gross, dass der Staatsanwalt befangen ist.»
Hildbrand sei verpflichtet, den Ausschluss Ernis zumindest zu prüfen, sagt ein ehemaliger Staatsanwalt, der ebenfalls nicht namentlich genannt sein möchte. Allerdings sei eine zuverlässige Abschätzung der Lage unmöglich, da Hildbrand ja nicht wisse, was Lauber und Erni besprochen haben. Und weil unklar ist, worum es an den «Schweizerhof»-Treffen zwischen Lauber und Infantino ging. Etwa, ob es dort auch um Blatter ging. Hier zeigt sich direkt Ernis Konflikt: Als Laubers Anwalt hat er ein Interesse, diese Frage nicht zu klären. Als Anwalt Blatters müsste er an Klärung interessiert sein.
Ein weiteres Problem: Die Ankläger können nicht ausschliessen, dass Blatter von der Tatsache profitiert, dass Erni aus Laubers Disziplinarverfahren, bei dem es ebenfalls um die Fifa geht, Insiderwissen hat. Dies aber ist erst recht ein Problem für die Bundesanwaltschaft: Der Strafverfolgungsanspruch des Staates sei «kompromittiert», sagt ein Experte, wenn Blatter durch Ernis Doppelrolle einen Vorteil habe.
Es kommt noch verzwickter. Hildbrand kann laut Experten nicht frei entscheiden: Er sollte gegen den Anwalt seines Chefs vorgehen, doch ist dieser Chef ihm gegenüber weisungsbefugt.
Die Bundesanwaltschaft hat nach Einschätzung mehrerer Experten noch ein weiteres Problem: Weil die Bundesanwaltschaft nicht einschritt, als Lauber Erni als Anwalt nahm, könne ihr vorgeworfen werden, Blatters Verteidigungsrechte seien verletzt. Überdies lasse sich aus der Konstellation ein Befangenheitsverdacht gegen den Verfahrensleiter ableiten.
Die Bundesanwaltschaft äusserte sich nicht zur konkreten Frage, ob Verteidiger Erni ausgeschlossen werde. Erni selbst pflegt sich «grundsätzlich» nicht zu seinen Mandaten zu äussern.
«Durch seinen Entscheid, den gleichen Anwalt zu nehmen wie sein prominentester Beschuldigter, hat Lauber seine Behörde in eine unmögliche Situation gebracht», sagt dagegen ein erfahrener Staatsanwalt.
Für den Sepp Blatter umgekehrt ist das keine schlechte Ausgangslage. Sollte er einen neuen Verteidiger erhalten, kann dieser eine ganze Reihe von Mängeln rügen. (bzbasel.ch)