Das Berner Obergericht muss sich noch einmal mit dem Rickli-Rap auseinandersetzen und prüfen, ob statt übler Nachrede allenfalls Verleumdung vorliegt. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Berner Generalstaatsanwaltschaft teilweise gutgeheissen.
Der von fünf Musikern im September 2014 im Internet veröffentlichte Song mit dem Titel «Natalie Rikkli» stelle «zweifellos einen groben verbalen Angriff dar», schreibt das Bundesgericht in einem am Mittwoch veröffentlichen Urteil.
Die Zürcher SVP-Politikerin und Regierungsrätin wurde im Songtest mit Schimpfworten und Äusserungen sexuellen Inhalts eingedeckt. Unter anderem heisst es im Lied, Rickli habe ihren politischen Erfolg sexuellen Gefälligkeiten zu verdanken.
Das Berner Obergericht verurteilte im Dezember 2018 fünf Personen, darunter eine Frau, wegen Beschimpfung und übler Nachrede und sprach bedingte Geldstrafen zwischen 65 und 80 Tagessätzen aus. Vom Vorwurf der sexuellen Belästigung sprach das Obergericht die Musiker frei.
Gegen diesen Entscheid legte die Berner Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde ein und hat nun teilweise Recht bekommen. Das Bundesgericht hält fest, dass es sich bei der Songpassage, wonach die SVP-Politikerin ihren Erfolg durch sexuelle Gefälligkeiten erlangt habe, um eine sogenannte Tatsachenbehauptung handle.
Zu diesem Schluss war auch das Berner Gericht gelangt. Es hatte aber gefolgert, dass die Behauptung nicht objektiv nachgewiesen werden beziehungsweise der Nachweis naturgemäss nicht erbracht werden könne. Dies sehen die Lausanner Richter anders. Gerade weil es sich um eine Tatsachenbehauptung handle, müsse eine Wahrheitsprüfung gemacht werden.
Bestätigt hat das Bundesgericht hingegen den Freispruch vom Vorwurf der sexuellen Belästigung. Rickli hatte erst eineinhalb Jahre nach Veröffentlichung des Songs davon Kenntnis erlangt. Damit fallen gemäss Bundesgericht Tathandlung und Belästigung zeitlich weit auseinander.
Die sexuelle Belästigung knüpfe an die unmittelbare Wahrnehmung an, was beispielsweise auch mittels eines Telefon- oder Videoanrufs erfolgen könne. Die Musiker hätten nie versucht, Rickli das Lied direkt zukommen zu lassen. Weiter habe sich der Song nicht direkt an die Politikerin gewandt, sondern an ein gegenüber ihr kritisch eingestelltes Publikum.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in ihrer Beschwerde argumentiert, dass im Zeitalter des Internets nicht mehr am Kontakt von Opfer und Täter festgehalten werden könne.
Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum eine sexuelle Belästigung eintrete, wenn das Opfer physisch anwesend sei, nicht aber, wenn das Opfer die Belästigung über das Internet wahrnehme. Die Belästigung über das Internet sei für den Täter einfacher. Für das Opfer habe sie hingegen schwerwiegendere Auswirkungen als die «klassische» Belästigung. (Urteil 6B_69/2019 vom 04.11.2019) (aeg/sda)
Wir sind auch 2019 teils noch jenseits von vernünftigen Gesetzen in Bezug auf sexuelle Gewalt jeglicher Form.
Die ansonsten auf sexistische und frauenfeindliche Äusserungen sehr sensiblen Richter nahmen diesen Rap auffallend locker entgegen. Dass Rap häufig mit diskriminierenden und sexistischen Inhalten, manchmal gewaltverherrlichten Texten daherkommt scheint auch in linken Kreisen niemand besonders zu stören.
Wo solche Inhalte vorkommen hört aber die künstlerische Freiheit auf.