Schweiz
Justiz

Angeklagte Männer in Moutier weisen Vorwürfe zurück

Frauen wie Sklaven gehalten: Angeklagte Männer in Moutier weisen Vorwürfe zurück

09.11.2022, 09:5709.11.2022, 17:30
Mehr «Schweiz»

Im Prozess um mutmasslich unterdrückte Frauen im Berner Jura steht Aussage gegen Aussage. Die fünf angeklagten Männer vom Balkan haben die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft vor Gericht in Moutier zurückgewiesen.

Das Familienoberhaupt, ein 65-jähriger Mann, hatte bereits am Dienstag ausgesagt. Seine vier Söhne folgten am Mittwoch. Auch sie stellten die Ereignisse grundlegend anders dar als die vier Frauen, die zu Prozessbeginn ausgesagt hatten.

Den Männern wird zur Last gelegt, die vier Ehefrauen der Söhne jahrelang unter sklavenartigen Bedingungen gehalten zu haben. Die Frauen sollen von einer Schlepperbande in die Schweiz gebracht worden sein. Laut Anklageschrift wurden sie misshandelt und unterdrückt.

Vor Gericht gaben die Frauen an, sie hätten keinerlei Rechte gehabt. 2019 konnten sie fliehen. Dem Vater und seinen Söhnen werden unter anderem Menschenhandel, Zwangsheirat, Vergewaltigung und sexuelle Handlungen mit Kindern vorgeworfen.

Die vier Söhne sind zwischen 26 und 38 Jahre alt. Sie sagten am Mittwoch in Abwesenheit der mutmasslichen Opfer aus. Einer der Männer warf den Frauen vor, sie hätten sich abgesprochen und beschlossen, alle dasselbe zu sagen.

«Frau und Mann sind gleich»

Vom Vorwurf, die Familie habe ihr Leben gemäss dem Kanun - einem mittelalterlichen Gewohnheitsrecht - organisiert, wollten sie nichts wissen. So etwas habe es nie gegeben, sagte einer der Söhne. «Die Frau und der Mann sind gleich, sie befinden sich auf der gleichen Ebene und haben dieselben Rechte.»

Er habe seine Frau geliebt, betonte ein anderer Sohn, der mittlerweile geschieden ist. Er habe wissen wollen, wohin sie gehe, damit er sich keine Sorgen machen müsse. Im Verlauf der Ehe habe es höchstens drei oder vier Streitereien gegeben.

Einer der Söhne sagte, er sei von seiner Frau geschlagen worden und habe sich nicht getraut, darüber zu sprechen. Er habe sich schwach gefühlt und geschämt. In der Nacht habe er schlecht geschlafen aus Angst, dass ihn seine Frau erwürgen könnte.

«Wollte nur das Beste»

Der Vater, der die jungen Frauen aus dem Balkan illegal in die Schweiz gebracht haben soll, hatte die Anschuldigungen bereits am Dienstag zurückgewiesen. Er habe stets nur das Beste für seine Schwiegertöchter gewollt und habe nie psychische oder physische Gewalt angewendet.

Die Klägerinnen hatten angegeben, sie seien zur Ehe und zu sexuellen Beziehungen gezwungen worden. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft sollen die Männer während 15 Jahren für ein Klima des Terrors gesorgt haben. Das Urteil in dem Fall wird am 24. November erwartet. (saw/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Glücklich
09.11.2022 11:59registriert August 2022
Wie kann man nur so grausam sein, ich verstehe das einfach nicht.

Falls sich die Anschuldigung bewahrheiten, hoffe ich, dass diese Täter eine harte Strafe/Verurteilung erhalten und nach deren Verbüssung ohne Wenn und Aber für immer ausgewiesen werden.

Den Frauen und Kindern wünsche ich von ganzem Herzen, dass sie diese schrecklichen Erfahrungen verarbeiten können.
782
Melden
Zum Kommentar
avatar
Andi7
09.11.2022 13:02registriert November 2019
Und bitte nach dem Gefängnis noch die Ausschaffung.
654
Melden
Zum Kommentar
avatar
AFK
09.11.2022 16:24registriert Juni 2020
Moralisch gibt es nur ein richtiger Entscheid: Lange Haftstrafen für alle Täter, danach Landesverweis. Wiedergutmachung für die Frauen im Umfang vom Gesamtvermögen der Täter (welches Beschlagnahmt wird). Opfer dürfen in der CH bleiben und erhalten wenn nötig notwendige Unterstützung. Hoffe das es juristisch nicht allzu weit abweicht
322
Melden
Zum Kommentar
19
Wegen SRG-Sparplan: RTS streicht Dutzende von Arbeitsplätzen

Das Westschweizer Radio und Fernsehen RTS muss 16,5 Millionen Franken einsparen und hat am Dienstag Umstrukturierungen angekündigt. Diese dürften bis 2026 zu rund 20 Entlassungen führen.

Zur Story