18.05.2022, 10:5918.05.2022, 12:42
Ein Urteil am Bundesverwaltungsgericht sollte fair sein und unter neutralen Voraussetzungen verhandelt und beurteilt werden.
Doch nun kommen zwei voneinander unabhängige Recherchen der Tamedia-Gruppe und von SRF-«Rundschau» zu einem anderen Ergebnis: Besonders bei den Asylabteilungen des Bundesverwaltungsgerichts ist Fairness nicht zwingend garantiert – zumindest nicht in Hinsicht auf die Zusammensetzung der Richter. Besonders gravierend soll die Situation bei den Asylbescheiden sein.
Eine Übersicht.
Vorausetzung: Der Bandlimat und die Fairness
Das Bundesverwaltungsgericht soll möglichst neutral und fair urteilen. Damit nicht immer die gleichen Richter in der gleichen Konstellation die gleichen Themen bearbeiten, werden die Richter per Computer einem Fall zugelost.
Am Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen soll der sogenannte Bandlimat Fairness garantieren.
Denn immer drei Richter bilden ein solches Richtergremium – oder einen «Spruchkörper», wie es im Fachjargon heisst. Je vielfältiger ein solcher Spruchkörper sei, desto neutraler soll der Fall behandelt werden können.

Das BundesverwaltungsgerichtBild: sda
Diese Fairness ist in der Verfassung verankert: Rechtssuchende hätten laut Artikel 121 im Bundesgerichtsgesetz Anspruch auf ein korrekt zusammengesetztes Gericht, wie der «Tagesanzeiger» schreibt.
Lediglich bei 5 von 100 Fällen sei das automatisch zusammengesetzte Richtergremium im Nachhinein von Hand verändert worden, behauptete das St. Galler Gericht laut dem «Tagesanzeiger» bislang. Doch eine unabhängige Studie aus dem Jahr 2021 hat aufgezeigt, dass dies nicht den Tatsachen entspreche. Denn: In der Realität würden wohl bei 45 Prozent der Fälle die Zusammensetzung der Richter nachträglich von Hand geändert.
Diese manuellen Änderungen könnten laut «Rundschau» auf Manipulationen hindeuten. Die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission führt derzeit eine Untersuchung aufgrund der häufigen Änderungen.
Gründe für eine manuelle Änderung des Spruchkörpers gebe es viele, betonen sowohl der «Tagesanzeiger», als auch die «Rundschau». Solche Gründe können sein: Ferienabwesenheit, Sprache, Überlastung durch Fälle oder Stellvertretungen. Doch: Spielen auch persönliche Vorlieben und politische Gesinnung eine Rolle?
«Tagesanzeiger»: Richter Gnadenlos
Besonders häufig passiere das Austauschen von Richtern in der Asylabteilungen, wie der «Tagesanzeiger» schreibt. Die Zeitung stellt besonders die Abteilung Asyl V und den Richter David R. Wenger (SVP) in den Fokus ihrer Recherche.

David R. Wenger (SVP), Richter am Bundesverwaltungsgericht Abteilung V.Bild: SVP Thurgau Gegen «Richter Gnadenlos», wie Wenger auch genannt wird, werde aktuell ein Amtsenthebungsverfahren geprüft. Ihm werde vorgeworfen, in einem seiner Fälle eine «missliebige Richterin» durch eine andere ersetzt zu haben, um den Asylfall in seinem Sinne beeinflussen zu können, schreibt der «Tagesanzeiger».
Brisant: Gerade in der Asylabteilung V hätten die zuständigen Richter nie kontrolliert, ob die jeweiligen Richterzusammensetzungen dem Reglement entsprechen, schreibt der «Tagesanzeiger». Bei über 500 Fällen der Asylabteilung V könnten «gravierende Zuteilungsfehler» gemacht worden sein, wie der «Tagesanzeiger »schreibt.
Und diese fehlende Kontrolle sei rechtswidrig. Denn verfassungsrechtliche Vorgaben würden klar verlangen, dass eine unabhängige Richterperson die Letztverantwortung für die Zuteilung übernehmen müsse, schreibt der «Tagesanzeiger.
Wie der Seite des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen ist, entscheidet die Abteilung V letztinstanzlich: Die Urteile können also nicht an das Bundesgericht weitergezogen werden.
Der Medienbeauftragte des Bundesverwaltungsgerichts Rocco Maglio sagte zudem gemäss dem «Tagesanzeiger», dass die Bildung der Spruchkörper stets nach bestem Wissen und Gewissen erfolgt sei. Darum bestehe bei abgeschlossenen Fällen auch kein Anlass für eine Überprüfung.
«Rundschau»: der geprellte Anwalt
Im Zentrum der Recherche der «Rundschau» steht Gabriel Püntener – der erfolgreichste Asylanwalt der Schweiz, wie die Tamediagruppe im Februar schrieb. Dieser habe «schon länger» Unregelmässigkeiten festgestellt: Bei rund einem Drittel aller seiner Fälle würde der Spruchkörper nur aus SVP-Richtern bestehen.
Die Rundschau entlarvte nun, dass bei Rechtsanwalt Püntener in mindestens drei Fällen die Spruchkörper händisch verändert wurden. Das Bundesverwaltungsgericht schreibt dazu dem SRF: «Da die Eingaben von Rechtsanwalt Gabriel Püntener regelmässig sehr umfangreich waren, galt es, diese Beschwerdeverfahren auf verschiedene Instruktionsrichterinnen und -richter zu verteilen.»
Gegenüber der Aufsicht habe das Bundesverwaltungsgericht diese Sonderregel in Bezug auf eingereichte Fälle von Püntener verschwiegen, weiss die «Rundschau».
Püntener habe aufgrund der Recherchen der «Rundschau» Strafanzeige eingereicht: Der Bandlimat müsse beschlagnahmt werden, um das Ganze endlich zu untersuchen.
(yam)
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quelle: ap/the canadian press / chris young
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