Liebe machen in einem Bett ist sozusagen Standard. Es darf aber durchaus auch mal eine andere Unterlage sein: Küchentisch, grüne Wiese, Swimmingpool, Kühlerhaube, Sandstrand. Besmir beispielsweise stand der Sinn nach Sex auf Noten.
Aber nicht Musik-, Geldnoten sollten es sein, konkret solche im Gesamtwert von 100'000 Franken. Eines Tages hatte der in Albanien lebende Besmir die Erfüllung dieses Traumes in Baden vor Augen, mehr noch, er hielt sie in seinen Händen …
Das Leben schreibt bekanntlich die verrücktesten Geschichten. Auch solche wie die von Besmir und Jürg (alle Namen geändert), die dieser Tage vor Gericht endete. Angefangen hatte sie 2012 im Internet. Der heute 42-jährige Jürg, der Sprachen liebt und deshalb unter anderem Albanisch lernte, hatte im Chat den 25-jährigen Besmir, ebenfalls mit einem Faible für Sprachen, kennen gelernt. Man hatte sich auf Englisch und Albanisch unterhalten, und als Besmir die Schweiz besuchte, hatte Jürg ihn bei sich wohnen lassen.
Nach drei Wochen reiste der Albaner wieder heim. Zurück blieb ein bis über beide Ohren verliebter Jürg. In den folgenden vier Jahren besuchte der 25-Jährige den Schweizer drei weitere Male, jeweils für ein paar wenige Wochen. «Einander gestreichelt und so haben wir, aber Sex hatten wir keinen», sagt Jürg. Darüber gesprochen haben die beiden aber schon.
Jedenfalls gestand Besmir seinem Gastgeber, dass er einmal im Leben auf einem Berg von Banknoten Liebe machen möchte. Jürg war zunächst befremdet, zögerte, willigte schliesslich – blind vor Liebe – ein.
An einem Samstagabend Mitte März 2016 entnahm er im Unternehmen, wo er als Geschäftsleiter tätig ist, dem Tresor Noten im Wert von 100 000 Franken. Er übergab sie Besmir, dem Objekt seiner Begierde, mit dem Auftrag, dieser solle alles vorbereiten, also das Geld schon mal auf Jürgs Bett auslegen.
Offenbar verflüchtigte sich indes just in jenem Moment Besmirs Traum vom Sex im monetären Lotterbett. Jedenfalls begab er sich mit den 100 000 Stutz in der Tasche zwar schnurstracks zu Jürgs Wohnung, nicht aber in dessen Schlafzimmer. Vielmehr behändigte er den Schlüssel von Jürgs Auto, setzte sich samt Notenbündel hinein und machte sich damit aus dem Staub.
Dem zutiefst geschockten und enttäuschten Jürg half ein naher Verwandter, dem er sich in seinem Elend anvertraute, wenigstens schadensmässig aus der Patsche, indem er ihm 100 000 Franken aus seinem Privatvermögen übergab. So hat zumindest niemand im Geschäft von der Tragödie erfahren.
Jürgs Auto wurde verlassen in Deutschland gefunden; der Albaner aber, zur Verhaftung ausgeschrieben, blieb verschwunden. Als er sich im Oktober überraschend via Skype bei Jürg meldete, kam die Polizei auf seine Spur und konnte ihn am 1. November in Dortmund festnehmen. Von den 100 000 Franken war da nur noch wenig übrig. Dies aber nicht etwa, weil der 25-jährige geprasst, auf grossem Fuss und in Luxushotels gelebt hatte. Nein, den allergrössten Teil des Geldes hatte er in Spielcasinos liegengelassen.
Im Januar war Besmir in die Schweiz überführt worden. Die vom Staatsanwalt wegen Veruntreuung und Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch beantragte Freiheitsstrafe von 18 Monaten bedingt auf drei Jahre hat Besmir akzeptiert. Somit kam es zum abgekürzten Verfahren, was bedeutet, dass das Bezirksgericht unter Vorsitz von Daniel Peyer Schuldspruch, Strafantrag und die Verpflichtung zur Schadenersatzzahlung von 100 000 Franken nur noch zum Urteil erheben musste.
Jürg wohnte der kurzen Verhandlung bei. Bleich und sichtlich mitgenommen, fragte er den Angeklagten, ob dieser ihm alles nur vorgespielt habe. Besmir – ein bulliger Typ, kurzrasiertes Haar, Backen- und Kinnbart, markante Nase, hellgrauer Trainingsanzug und gemusterte Clogs an den Füssen – verneinte. Als er von einem Polizeibeamten zwecks Vorbereitung seiner Entlassung zurück ins Untersuchungsgefängnis geführt wurde, blickte Jürg ihm traurig hinterher und murmelte mit belegter Stimme: «Ich habe ihn geliebt.» (aargauerzeitung.ch)