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Klima

30 SUVs gelüftelt: Klimaaktivisten machen trotz Ja an der Urne weiter

Aktivisten liessen in Zürich in der Nacht auf Montag mehreren Autos die Luft aus den Pneus.
Aktivisten liessen in Zürich in der Nacht auf Montag mehreren Autos die Luft aus den Pneus.bild: tyreexZurich

Klimaaktivisten machen trotz Ja an der Urne weiter, lüfteln 30 SUVs und blockieren Brücke

20.06.2023, 11:1020.06.2023, 16:47

Bereits am Tag nach der gewonnenen Abstimmung zum Klimaschutzgesetz legten die Klimaschützer nach. Am Montagmorgen blockierte die Organisation «Renovate Switzerland» zwei Autobahnausfahrten in Zürich. In der Nacht auf Dienstag zogen zudem Mitglieder der losen Vereinigung «Tyre Extinguishers» durch die Strassen und liessen 30 SUVs die Luft aus den Pneus.

«Nicht der Moment, um sich zurückzulehnen»

Für die Klimaaktivisten und -aktivistinnen ist das Ja zum Klimaschutzgesetz nicht genug. Es sei erst ein «halber Schritt», sagte Renovate Switzerland am Montag. Die 35-jährige Marie Seidel gab ihren Job auf, um sich 100 Prozent dem zivilen Widerstand zu widmen. Am Montag setzte sie sich in Zürich auf die Strasse.

Sie sagte: «Natürlich freue ich mich über das Ja. Doch tief in mir weiss ich auch, dass es längst nicht reicht, um mir, meinen Neffen und Nichten und allen anderen eine Zukunft zu sichern. Ich sitze heute gewaltfrei auf der Strasse, weil ich möchte, dass die Regierung das Notwendige tut und den Klimanotstand ausruft.»

Der 53-jährige Künstler Peter Tillessen stiess ins selbe Horn: «Ich bin sehr glücklich, dass wir das Klimaschutzgesetz angenommen haben! Es ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung. Es ist aber nicht der Moment, um sich zurückzulehnen – im Gegenteil. Darum sitze ich heute hier.»

Blockiert waren die beiden Autobahnabfahrten für je eine halbe Stunde. Die Kantonspolizei Zürich nahm vier Klimaaktivistinnen und -aktivisten vorübergehend fest. Zwei davon hätten sich auf die Strasse geklebt, teilt die Polizei mit.

30 Autos gelüftelt

Auch die Personen, die im Namen der Gruppierung The Tyre Extinguishers unterwegs sind, machten trotz Ja an der Urne weiter. In der Nacht auf Montag legten sie im Zürcher Quartier Hottingen Stadtgeländewagen flach. Die Aktion sei weltweit durchgeführt worden, schreiben die Aktivistinnen in einer E-Mail. «SUVs und E-SUVs sind eine Katastrophe für die Umwelt, gefährlich und ungerecht», so die Aktivistinnen. Sie fordern mehr Fahrradwege, kostenlose Öffentliche Verkehrsmittel und SUV-freie Zonen. Weltweit wurden in der Nacht auf Dienstag nach Angaben der Aktivisten 600 SUVs gelüftelt.

Bereits vor einer Woche wurde im Zürcher Seefeldquartier 25 Autos die Luft aus den Reifen gelassen, wie dem Twitter-Kanal der Gruppierung zu entnehmen ist.

Gegenüber watson sagen die SUV-Lüftlerinnen, sie würden sich sehr über die Annahme des Klimaschutzgesetzes freuen. Viele von ihnen hätten für ein Ja gekämpft. Das sei ein «klarer Erfolg». «Aber es ist nicht genug.»

gelüftelter SUV
Gelüftelter BMW im Zürcher Quartier Hottingen.bild: tyreexzurich

Stadtpolizei sucht Zeugen

Die Stadtpolizei Zürich bestätigt gegenüber watson die Vorfälle von Montagabend. Mediensprecher Marc Surber sagt: «Wir haben eine Handvoll Meldungen von betroffenen Leuten, die ziemlich sicher den Handlungen dieser Organisation zugeordnet werden können.»

«Wir haben eine Handvoll Meldungen von betroffenen Leuten.»
Marc Surber, Stadtpolizei Zürich

«Wir haben Ermittlungen aufgenommen», sagt Surber. Die Polizei suche nun Zeugen. «Wenn man etwas gesehen hat, soll man sich bei der Polizei melden. Man kann auch verdächtige Personen melden, wenn man sieht, wie sie um die Autos schleichen.»

Weitere Aktionen geplant

Es dürfte nicht die letzte Aktion der Tyre Extinguishers gewesen sein. Sie kündigten an: «Es wird weiter gelüftelt, bis die Politik reagiert.» Auch Renovate kündigte weitere Aktionen an – und liess am Dienstag gleich Taten folgen.

Aktivistinnen und Aktivisten von Renovate Switzerland blockieren die Rhonebrücke in Sion.
Renovate Switzerland blockiert die Rhonebrücke in Sion.Bild: zvg

Am Dienstagmorgen blockierten sie die Rohnebrücke in Sion und sorgten dafür, dass der Verkehr während 15 Minuten stillstand.

Wie die SUV-Lüftler vorgehen und was Betroffene dazu sagen, erfährst du in dieser Reportage:

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178 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Madison Pierce
20.06.2023 11:37registriert September 2015
Man würde meinen, es seien intelligente Leute, die sich so viele Sorgen machen, dass sie ihre Freizeit für solche Vereinigungen opfern. Umso mehr ist es schade, dass sie kein Vorgehen wählen, das einer Demokratie würdig ist.

Sachbeschädigung und Nötigung sind keine legitimen Mittel zur Durchsetzung eines Anliegens in der Schweiz.

Ich hoffe, die Polizei macht sich nicht weiter lächerlich und greift konsequenter durch. Sonst kommen noch alle möglichen Leute auf die Idee, so für ihre Anliegen zu werben.
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nukular
20.06.2023 11:30registriert Juni 2016
langsam aber sicher geht der schuss nach hinten los.. die forderungen sind ja sowiso auch für nichts.. "gratis" ÖV.. wenn ich sowas nur lese. ich selber habe ein GA, aber niemals würde ich einen gratis ÖV fordern.. denn gratis heisst, dass einfach der steuerzahler noch mehr bezahlen muss und am schluss (noch) mehr an der infra gespart wird.. und auch wenn der ÖV gratis wäre, so würden jene die gerne autofahren oder müssen weiterhin das auto nehmen.. wenn dann, dann bringt richtige forderungen als dieses wischiwaschi..
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Stambuoch
20.06.2023 14:40registriert März 2015
Wie man wirklich etwas ändert, hat man dieses Wochenende in Muttenz BL gesehen. Die Gemeindeversammlung sagte Nein zu einem Windrad.
Ein jubger Gymnasiast hat mit seinen Freunden Unterschriften dafür gesammelt, ging auf die Strasse zu den Leuten, sprach mit ihnen und siehe da: Das Windrad bekam in der Volksabstimmung eine Mehrheit und ist jetzt beschlossen.
Diese jungen Menschen haben mehr für das Klima damit erreicht, als die Zwängelis von der Klebe- und Lüftelaktion.
Die demokratischeb Instrumente nutzen, statt sie bekämpfen. Da kommt man weiter.
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