Wie das Makler-Prinzip im Gesundheitswesen funktioniert, zeigt Benjamin Giezendanner am – fiktiven – Beispiel seiner Familie auf. «Nehmen wir an, wir lassen uns von einem Vermittler überzeugen, die Krankenkasse zu wechseln», sagt der SVP-Nationalrat. «Dann kassiert dieser 6210 Franken Prämie.»
Je 3000 Franken erhalte er für den Wechsel von ihm und seiner Frau, weil sie zusatzversichert seien, sagt Giezendanner. 210 Franken kämen für seine drei Kinder dazu, die grundversichert sind – 70 Franken pro Kind.
Geht es nach Giezendanner, sollen solche Geschäfte bald der Vergangenheit angehören. «Schluss mit dieser Abzockerei», fordert er. Er reicht diese Woche eine Motion ein, die Vermittlungen bei Krankenkassen-Kunden in der Grund- und Zusatzversicherung verbietet. Dafür sammelt er ab Montag Unterschriften im Rat.
«Es darf nicht sein, dass Tausende von Familien die Krankenkassen-Prämie nicht mehr bezahlen können», sagt Giezendanner, «während sich zum Teil dubiose Vermittler massiv bereichern.» Der Bundesrat müsse sofort handeln und das Bundesgesetz über die Krankenversicherung KVG (Grundversicherung) und das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag VVG (Zusatzversicherung) anpassen.
Eine generelle Regulierung der Versicherungsvermittler hatte Giezendanner im Parlament abgelehnt. Im Gesundheitsbereich gehe es aber um öffentliche Gelder, betont er. Auch sein Vater Ulrich Giezendanner, bis Ende Jahr noch Vize-Verwaltungsratspräsident der KPT, hatte die Makler früher öffentlich kritisiert – und so selbst Kritik geerntet.
Es geht um sehr viel Geld. Heute sind bei der Finanzmarktaufsicht Finma insgesamt 12'000 ungebundene Versicherungsvermittler registriert. Wie viele davon für die Zusatzversicherungen von Krankenkassen, für welche die Finma zuständig ist, arbeiten, ist unklar. Es müssen aber Tausende sein.
Die Krankenkassenvermittler kassieren nach Schätzungen total rund 480 Millionen Franken Provisionen. 48 Millionen erhalten sie gemäss Bundesamt für Gesundheit bei der Grundversicherung. Dort ist die Provision für einen Wechsel bei 70 Franken gedeckelt.
In den Zusatzversicherungen schöpfen die Vermittler sogar 430 Millionen Franken ab, wie Comparis-Experte Felix Schneuwly schätzt. Pro Wechsel kassieren sie gemäss Insidern zwischen 1000 und 3000 Franken.
Laut Schneuwly kommen dazu beträchtliche Werbe- und Akquirierungsausgaben, seit die Branchenvereinbarung Telefonmarketing verbietet. Adressen Versicherter werden heute über Google, Vergleichsdienste, Sponsoring und Wettbewerbe beschafft. Es ist nicht klar, ob und wenn ja in welcher Grössenordnung die Kassen diese vergüten.
Den Vermittlern haftet ein teilweise zwielichtiger Ruf an. Comparis beschreibt in einer Medienmitteilung, wie gewisse Vermittler vorgehen. Sie kontaktieren Versicherte in der Schweiz über Callcenter aus dem Ausland, da die telefonische Kaltakquise im Inland verboten sei. Dabei gaukelten sie vor, eine Umfrage durchzuführen. Wer sich darauf einlasse, solle dann im selben Gespräch oder später einen Termin mit einem Versicherungsvermittler vereinbaren.
Wie lukrativ das Geschäft ist, zeigt sich in einem Punkt: In den letzten Jahren hätten «mit Ausnahme von CSS und Helsana die meisten grossen Versicherungen für viel Geld – angeblich bis zu 10 Millionen – Vermittlerfirmen aufgekauft», sagt Experte Schneuwly. Den Grund dafür sieht er in der Branchenvereinbarung: Sie sah für Vermittler, die bei den Kassen selbst arbeiteten, keine Deckelung der Provisionen vor.
Die grosse Frage ist: Woher nahmen die Kassen die Gelder für den Kauf dieser Vermittlerfirmen? «Sie dürfen nicht aus dem Grundversicherungsgeschäft stammen», sagt Schneuwly. Es wäre interessant zu wissen, ob die Finma Audits gemacht hat zu solchen Übernahmen, um die tatsächlichen Kosten zu erfahren.»
Die Finma bestätigt, dass sie «selbstverständlich Kenntnis von solchen Fällen» habe, wie Sprecher Tobias Lux sagt. Audits habe sie bislang aber keine durchgeführt, weil das nicht möglich gewesen sei. «Da die Beteiligungen an Vertriebsorganisationen in der Regel durch die nicht beaufsichtigten Obergesellschaften erfolgen», sagt Lux, «liegen der Finma keine Informationen zu Mittelherkunft und Höhe des Beteiligungsanteils vor.»
Am 5. September haben die Branchenverbände Curafutura und Santésuisse eine neue Branchenvereinbarung publiziert. Sie will neu interne und externe Vermittler gleichstellen. Deshalb begrenzt sie die Provisionen in den Zusatzversicherungen nicht mehr bei zwölf Monatsprämien, sondern definiert sie neu über den Begriff Wirtschaftlichkeit. SVP-Nationalrat Giezendanner kritisiert dies: «Das heisst, dass die Provision bei den Zusatzversicherungen sogar nach oben offen sein sollen.»
Bei den Branchenverbänden sieht man das anders. Die Vergütung müsse «in einem vernünftigen Verhältnis zu den vermittelten Produkten» stehen, sagt Matthias Müller, Leiter Politik und Kommunikation von Santésuisse. Er nimmt auch im Namen von Curafutura Stellung.
«Seriöse Beratung ist im Versicherungsgeschäft und gerade in der Krankenversicherung wichtig und wird von vielen Kundinnen und Kunden sehr geschätzt», betont Müller. «Mit der Branchenvereinbarung möchten wir, dass seriöse, sinnvolle Beratung gestärkt und unseriöse Vermittler zurückgedrängt werden. Diese konnten in jüngster Vergangenheit deutlich zurückgebunden werden.»
Oder gleich eine Einheitskasse für die Grundversorgung.
Versicherungsberater finde ich vom Grundgedanken her eigentlich gut. Jedoch müssten die von einer unabhängigen mit Fixlohn bezahlt werden und keine Provosion mehr erhalten dürfen.