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Spital Affoltern wirbt mit Flyer für Notfallstation: Was dahinter steckt

Teaserbild Notfallstation Spital Affoltern
Bild: keystone/watson

Ist Zittern ein Notfall? Spital Affoltern wirbt damit für Notfallstation

Das Spital Affoltern steht unter finanziellem Druck, seitdem es die Zürcher Regierung 2022 von der Spital-Liste gestrichen hat. Darum verteilte es an alle Haushalte im Knonauer Amt Flyer, in denen es die Bevölkerung indirekt auffordert, bei milden Beschwerden in den Notfall zu kommen.
11.09.2023, 05:1711.09.2023, 12:47
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«Im Notfall nicht warten.» Das steht auf einem Flyer, den das Spital Affoltern an alle Haushalte im Knonauer Amt verteilte. In einer Auflage von 28'000 Stück.

Auf dem Flyer lächelt einem das Notfallteam entgegen, schön drapiert auf der Liege einer CT-Maschine. Denn wie das Spital auf der zweiten Seite informiert: «Das Notfallteam wird durch ein Radiologie- und Laborteam ergänzt, falls Sie eine Ultraschall-, CT-, MRI- oder Blutuntersuchung brauchen.»

Spital Affoltern bewirbt ihre Notfallstation mit einem Flyer.
So sieht die erste Seite des Werbe-Flyers des Spitals Affoltern aus.Bild: zvg

Das Spital macht Werbung. Will, dass die Leute zu ihm in den Notfall kommen. Das erscheint suspekt.

Immerhin klagen die Spitäler immer wieder über überlastete Notfallstationen. Einerseits wegen des Fachkräftemangels. Andererseits, weil die Leute zunehmend mit Bagatellen in den Notfall gehen, anstatt eine Hausarztpraxis aufzusuchen.

Das treibt die Gesundheitskosten in die Höhe. Für alle.

Auszug aus dem Flyer:

Spital Affoltern bewirbt ihre Notfallstation mit einem Flyer.
Was das Spital Affoltern alles kann, steht im Flyer unter der Sektion «Was Sie wissen müssen».Bild: zvg

Darum hat die Gesundheitskommission des Nationalrats, die SGK-N, Anfang Jahr die Bundesverwaltung damit beauftragt, rechtlich zu prüfen, ob es möglich ist, eine Gebühr für Bagatellfälle in Spitalnotfallaufnahmen zu verlangen.

Das Notfall-ABC des Spitals Affoltern

Umso seltsamer wirkt in diesem Zusammenhang die zweite Seite des Flyers, auf der steht: «Für alle Notfälle von A bis Z.» Dieses Notfall-ABC hat das Spital Affoltern auch gleich auf die letzte Seite gedruckt. Es reicht von A wie «Atembeschwerden» über E wie «Ein- und Durchschlafstörungen», F wie «Fuchsbandwurm» und J wie «Juckreiz» bis hin zu Z wie «Zittern».

Spital Affoltern bewirbt ihre Notfallstation mit einem Flyer.
Das versteht das Spital Affoltern wohl unter einem Notfall.Bild: zvg

Sind das wirklich alles Notfälle? Lukas Rist, CEO des Spitals Affoltern, antwortet:

«Was wirklich ein Notfall ist, kann man erst nach einer Untersuchung feststellen. Aber ja, Ein- und Durchschlafen kann durchaus ein Zeichen für eine Notfallsituation sein, wenn es den Leuten nicht gut geht.»

Dass sein Spital mit dieser Werbeaktion künstlich die Gesundheitskosten in die Höhe treibt, weil der Flyer suggeriert, dass man auch bei Kleinigkeiten eine Notfallstation aufsuchen soll, davon möchte er nichts wissen. Rist meint:

«Ich glaube eher, wir bewirken damit das Gegenteil: Wir informieren die Leute, dass es unsere Notfallstation gibt und dass wir kurze Wartezeiten haben im Gegensatz zu den Notfallstationen von anderen Spitälern. Damit entlasten wir also andere, überlastete Notfälle.»

Bei dieser Haltung drängt sich die Frage auf: Ist die Notfallstation des Spitals Affoltern also derzeit kaum besucht? «Wir haben noch Kapazitäten, ja. Und Kapazitäten muss ein Spital ausnutzen, damit es rentiert», sagt Rist.

Kanton drehte dem Spital den Geldhahn zu

Dass das Spital Affoltern unter finanziellem Druck steht, daraus macht Rist keinen Hehl. So gehe es aber vielen Spitälern.

Tatsache ist aber: Der Zürcher Regierungsrat hat im vergangenen Jahr entschieden, das Spital Affoltern von der Spitalliste 2023 zu streichen. Leistungsaufträge hat die Regierung dem Spital nur noch im Bereich der akutgeriatrischen und palliativmedizinischen Versorgung zugesichert. Auf eine umfassende stationäre Grundversorgung will der Kanton künftig verzichten.

Die Leistungsaufträge für die innere Medizin und Chirurgie strich die Regierung schon ab diesem Jahr. Der Kanton erklärt diesen Entscheid damit, dass das Spital keinen relevanten Anteil an die Gesundheitsversorgung im Kanton leistet. Selbst Patientinnen und Patienten aus der Region würden andere Spitäler bevorzugen.

CEO Lukas Rist sagt, dass dieser Entscheid Patientinnen und Patienten verunsichert habe.

«Sie wussten nicht mehr, ob wir überhaupt noch einen Notfall haben. Darum haben wir uns für diese Informationskampagne entschieden.»

Mit ihrer Werbung würde sein Spital lediglich auf ein Angebote aufmerksam machen. Immerhin habe der Gesetzgeber den Wettbewerb zwischen den Spitälern explizit gewünscht. «Dann ist es auch logisch, dass wir für unsere Angebote werben», sagt Rist.

Notfall soll Patienten auf andere Stationen locken

Es gibt jedoch auch noch einen zweiten Grund, warum ausgerechnet nur die Notfallstation beworben wird. «Die Notfallstation ist die Eintrittspforte für stationäre Aufenthalte», sagt Rist.

Der Slogan «Im Notfall nicht warten», hat das Spital Affoltern damit sehr bewusst gewählt. Gemäss Rist soll die Botschaft sein: Wir sind noch immer ein vollwertiger Notfall.

Ganz alles kann das Spital Affoltern aber doch nicht. Die Abteilung Chirurgie gibt es nicht mehr. Muss eine Patientin auf ihrer Notfallstation operiert werden, muss das Spital Affoltern sie an ein anderes Spital weiterleiten.

Zürcher Gesundheitsdirektion war ahnungslos

Die Zürcher Gesundheitsdirektion hat von der Flyer-Aktion des Spitals Affoltern nichts gewusst. Auf Anfrage schreibt sie, dass es grundsätzlich Sinn mache, wenn Spitäler ihre Patientinnen und Patienten transparent über ihr Leistungsangebot informiere.

«Aktionen, die isoliert die Bewerbung des eigenen Notfallangebots zum Ziel haben, erachten wir jedoch für wenig sinnvoll.»
Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich

Denn bei nicht lebensbedrohlichen gesundheitlichen Problemen in Abwesenheit der Hausärztin oder des Hausarztes stehe mit dem Ärztetelefon als kantonale Triagestelle ein kostenloser medizinischer Service zur Verfügung. Dieser treibt die Krankenkassenprämien auch nicht in die Höhe.

Doch auch die Gesundheitsdirektion räumt ein, dass ihr Entscheid, Affoltern von ihrer Spitalliste zu streichen, bei den Patientinnen und Patienten Verunsicherung ausgelöst haben könnte. Denn die Notfallstation des Spitals Affoltern werde sicher noch bis 2025 betrieben. Was danach aus ihr wird, ist jedoch offen.

Politiker sprechen Klartext über die Situation mit den Gesundheitskosten:

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132 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Walter-Brock Miami-FM
11.09.2023 06:14registriert August 2023
Also einerseits bezahlen alle im Sinne der Solidarität Krankenkassengebühren und anderseits müssen Spitäler wie das in Affoltern gewinnorientiert arbeiten und locken Patienten an, um das finanzielle Optimum aus ihnen herauszuholen. Irgendwie passt das was grundsätzlich nicht mehr zusammen.
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du_bist_du
11.09.2023 05:46registriert Mai 2020
Natürlich ist es aus der Sicht des Spitals logisch und schlüssig. Aber es ist halt widersprüchlich im Gesamtkontext der aktuellen Diskussionen. Man erklärt der Bevölkerung wie man Kosten sparen soll, während das Gesundheitswesen in den Grundstrukturen krankt und Gelder verschlingt. Da muss man sich halt nicht wundern wenn der normale Bürger nichts mehr versteht im Bereich Gesundheitswesen...
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Tagedieb
11.09.2023 07:22registriert März 2016
«Wir haben noch Kapazitäten, ja. Und Kapazitäten muss ein Spital ausnutzen, damit es rentiert» - das ist genau der Fehler: ein Spital sollte -insbesondere im Notfall - freie Kapazitäten haben sonst ist die gesundheiltliche Versorgung einfach nicht mehr gewährleistet! - das ist keine Fabrik die auf maximum getrimmt werden kann, Gopf!
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