Der März war so trocken wie schon lange nicht mehr. Bis am Mittwoch zählten die Meteorologen gerade einmal einen Tag mit Niederschlag. Damit geht der Monat als einer der trockensten in die Messgeschichte ein.
Das zeigt sich auch im Regenmesser der Wetterstationen. In Meiringen BE etwa fallen im März durchschnittlich 85 Millimeter Regen. 2022 lag dieser Wert bei 4,7 Millimetern – und damit auch unter dem historischen Tiefstwert von 9 Millimetern.
Zum Vergleich: Der Regenmesser in Kairo, der ägyptischen Hauptstadt, weist im selben Zeitraum durchschnittlich 4 Millimeter auf.
Die Folgen langanhaltender Trockenperioden spüren Landwirtinnen und Landwirte unmittelbar: Die Trockenheit vermindert einerseits das Pflanzenwachstum und die Erträge, andererseits leiden die Milchviehbetriebe darunter, dass Wiesen und Weiden nicht mehr genügend Futter für die Tiere hergeben.
Aktuell ist gerade die Zeit, um verschiedene Gemüse wie Spinat, Nüsslisalat und Mangold für die Ernte im September anzusäen. Die Frage stellt sich darum: Ist der trockene März für Bäuerinnen und Bauern bereits Anlass zur Sorge?
Der Schweizer Bauernverband sieht derzeit keinen Grund, sich Sorgen über Ernteausfälle zu machen. Im Gegenteil: Ein trockener Frühling sei – sofern der benötigte Regen rechtzeitig kommt – eher ein Vorteil als ein Nachteil für die Landwirtschaft. Die Pflanzen etwa würden so ein tiefes Wurzelsystem entwickeln. Zudem seien trockene Böden eher besser für die Bodenbearbeitung und das Arbeiten mit Maschinen.
Die jetzige Trockenheit sollte auch laut Agroscope, dem Kompetenzzentrum der Schweiz für landwirtschaftliche Forschung, keine gravierenden Folgen haben. Die Daten der kantonalen Bodenfeuchtemessnetze zeigten, dass der Unterboden noch gut mit Wasser versorgt ist, auch wenn der Oberboden punktuell trocken ist.
Aktuell werden die im Herbst gesäten Kulturen wie Wintergetreide oder Raps sowie das Grünland gedüngt und die Ackerflächen für die Saat vorbereitet. Auch Zuckerrüben werden ausgesät und Frühkartoffeln gepflanzt, teilt der Schweizer Bauernverband mit. Mit den derzeitigen Niederschlägen stehe einem guten Landwirtschaftsjahr nichts im Wege.
Zu dieser Prognose kommt die Dachorganisation der Schweizer Landwirtschaft, da die Situation in den meisten Ortschaften noch nicht «extrem problematisch» sei. Aktuell herrsche im Tessin und in der Nordost- und Nordwestschweiz eine mittlere Trockenheit, im Rest der Schweiz eine leichte Trockenheit.
Und das Wichtigste für den Anbau der Pflanzenkulturen: Die Bodenschicht der Böden ist immer noch genug feucht. Die grossen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht und der dadurch entstehende Tau würden helfen, die Trockenheit im Zaum zu halten.
Die Umweltorganisation Greenpeace hingegen warnt vor zu viel Optimismus. «Obwohl es in den nächsten Wochen zu Niederschlägen und tieferen Temperaturen kommen soll, scheint es nicht für eine vollständige Erholung der Umwelt auszureichen», sagt Alexandra Gavilano von Greenpeace.
Gavilano verweist auf den prognostizierten Schneefall, der die ersten Vorarbeiten in der Landwirtschaft sowie die aufgrund der Wärme bereits erblühten Kulturen wieder zunichtemachen könnte. Der erneute Wintereinbruch habe auch einen Einfluss auf die Insektenkulturen. Gavilano befürchtet, dass nicht alle Bienenstöcke die kalten und nassen Tage überstehen werden.
Bei einem Punkt sind sich der Schweizer Bauernverband und Greenpeace aber einig: Der jetzige Regen wird die Trockenheit nicht beenden. Dies zeigte auch der Dürresommer von 1947, der sich von April bis in den Oktober erstreckte. Die Niederschläge waren anno dazumal so schlecht verteilt, dass sie nur bedingt vegetationswirksam waren. Der Anbau brachte den Landwirtinnen und Landwirten praktisch keinen Ertrag ein. Der wirtschaftliche Schaden war entsprechend gross.
Obwohl die aktuelle Lage trotz grosser Trockenheit noch kaum Bauchschmerzen bereitet, könnte ein trockener Sommer zu ernsthaften Schwierigkeiten führen.
Das erklärt auch Christian Sohm, Direktor des Verbands des Schweizerischen Früchte-, Gemüse- und Kartoffelhandels. Im Winter sei die Trockenheit direkt noch nicht spürbar. Die Produkte, welche bereits in der Ernte sind, werden zu grossen Teilen in Gewächshäusern produziert, welche bewässert werden können.
Trockenperioden mit Hitze im Sommer wirken sich hierzulande deutlich heftiger aus, da in der Schweiz mehr auf dem Freiland produziert wird. Dort sei auch die Bewässerung je nachdem schwieriger, da nicht alle Felder gleich gut mit Bewässerungen erschlossen sind.
Auch die einzelnen Obst- und Gemüseproduzenten sehen die Lage derzeit entspannt. Mit Ernteausfällen sei derzeit nicht zu rechnen.
Die aktuelle meteorologische Situation betreffe nur einen kleinen Teil der Kartoffelfläche, da die Speise- und Verarbeitungskartoffeln in den nächsten Wochen erst noch gepflanzt werden, erklärt Christian Bucher von Swisspatat.
Auch für die bereits gepflanzten Gemüsekulturen stellt der trockene März noch kein Risiko dar. Dies teilt der Verband Schweizer Gemüseproduzenten auf Anfrage mit. Die Gemüsegärtnerinnen und -gärtner hätten das schöne Wetter genutzt, um anzupflanzen. Sollte es bald wieder trocken werden, seien die Anbauflächen mit Bewässerungsanlagen ausgerüstet.
Und auch für den Obstbau sind Ernteausfälle aktuell kein Thema, da im professionellen Anbau künstliche Bewässerungen zur Verfügung stehen. Aktuell werden Beeren und Kirschen bewässert, damit sie sich optimal entwickeln können und ausreichend aromatische Früchte bilden, teilt der Schweizer Obstverband mit. Kürzlich gepflanzte Bäume, Sträucher oder Beeren haben noch kein ausreichendes Wurzelsystem und müssten ebenfalls bewässert werden.
Dass Ernteausfälle keine Ausnahme darstellen, zeigt sich derzeit in den Regalen für den Endkonsumenten. Wie die Migros bestätigt, mussten wegen des vergangenen regnerischen Sommers gewisse Gemüsesorten wie Sauerkraut und Randen importiert werden. In gewissen Regionen der Schweiz haben Produzentinnen und Produzenten dadurch einen Totalausfall erlitten. In den Filialen findet man darum derzeit Randen aus Deutschland und Sauerkraut aus den Niederlanden.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche der Schweiz nimmt insgesamt mehr als eine Million Hektar in Anspruch. Davon müssten laut Schätzungen des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) rund 38‘000 Hektar regelmässig und zusätzliche 12‘000 bis 17‘000 Hektar gelegentlich bewässert werden. Zusammen entspricht dies etwas mehr als der Gesamtfläche der spanischen Hauptstadt Madrid.
Doch mit der Bewässerung ist das Problem nicht aus der Welt geschafft. Denn: Die Trockenheit lässt auch die Grundwasserpegel sinken. Besonders in sonst schon trockeneren Regionen wie im Wallis kann die Abhängigkeit von Bewässerungssystemen bei langanhaltenden Trockenperioden Produzentinnen und Produzenten auf die Probe stellen.
Derzeit leidet das Walliser Dorf St.Niklaus unter Wasserknappheit. Der Grundwasserspiegel des Dorfes ist um rund zwei Meter abgesunken. Und auch die Schneeschmelze könne den Wasserpegel nicht wieder ausgleichen, schreibt das Dorf auf seiner Webseite.
Die tiefen Grundwasserstände hängen vor allem mit den geringen Niederschlagsmengen in der Wintersaison und den tiefen Temperaturen zusammen. Um die Trinkwasserversorgung des Dorfes zu garantieren, wird zum Wassersparen aufgerufen: «Der Wasserverbrauch muss stark eingeschränkt und auf das Notwendigste reduziert werden.»