Schweiz
Landwirtschaft

So wollen Umweltverbände den «Gemüsegarten der Schweiz» umpflügen

So wollen Umweltverbände den «Gemüsegarten der Schweiz» umpflügen – und dadurch retten

Die Natur soll im Drei-Seen-Land wieder mehr Platz erhalten, ohne dass die landwirtschaftliche Produktion sinkt. Das fordern fünf Umweltorganisationen in ihrer «Vision 2050». Es soll eine Blaupause für die Schweiz werden.
26.08.2023, 16:38
Maja Briner / ch media
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Über ein Viertel des Gemüses, das in der Schweiz angebaut wird, kommt aus dem Grossen Moos im Seeland. Vom «Gemüsegarten der Schweiz» ist gern die Rede. Aus dem ehemals sumpfigen Gebiet um Neuenburger-, Bieler- und Murtensee wurden dank der Juragewässerkorrekturen fruchtbare Äcker.

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Frisch geernteter Fenchel auf einem Feld in der Nähe von Kerzers (Archivbild).Bild: KEYSTONE

Doch das hinterlässt Spuren. «Der Boden im Drei-Seen-Land löst sich buchstäblich in Luft auf», heisst es in einem Bericht, den fünf Umweltorganisationen am Donnerstag veröffentlichten. Der torfhaltige Boden senkt sich ab.

Und das sei nur eines in einer Reihe von Problemen - neben belastetem Trinkwasser, verbauten Gewässern, schwindender Biodiversität und einer eintönigen Kulturlandschaft. Kurz: Die bisherige Bewirtschaftung führe in eine Sackgasse, sagen Pro Natura, BirdLife Schweiz, Fischereiverband, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und WWF.

Zusammen haben sie deshalb die «Vision 3-Seen-Land 2050» erarbeitet. Diese soll Anstösse für die Zukunft der Region geben und gleichzeitig auch den Weg auf nationaler Ebene aufzeigen. David Bittner, Geschäftsführer des Fischereiverbands, brach die Vision auf einen einfachen Nenner hinunter: Es brauche mehr Grün und mehr Blau - mehr Platz für Natur und Gewässer also.

So stellen sich die Umweltorganisationen das Drei-Seen-Land der Zukunft vor.
So stellen sich die Umweltorganisationen das Drei-Seen-Land der Zukunft vor.Bild: Isabelle Bühler/Vision 3-Seen-Land 2050

Das «Zerrbild» des Gemüsegartens

Konkret heisst das etwa, dass Bäche und Flüsse revitalisiert und alte Moorlandschaften wiederhergestellt werden. Fläche dafür gebe es genug, sagen die fünf Umweltverbände. Denn das Image des «Gemüsegartens der Schweiz» ist aus ihrer Sicht ein Zerrbild: Nur auf 6 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werde Gemüsebau betrieben, viel dominanter sei der Anbau von Mais und anderen Futterpflanzen.

«Wir nutzen wertvollste Böden, um Tierfutter anzubauen», sagt Marcel Liner von Pro Natura. «Das ist nicht mehr zeitgemäss.» Würden Fleischkonsum und -produktion sinken, würde viel Ackerfläche frei. Der gesellschaftliche Trend gehe ohnehin in diese Richtung.

Im Synthesebericht der «Vision 3-Seen-Land 2050» wird ein konkretes Ziel genannt: Die Anzahl der Tiere soll um zirka 80 Prozent reduziert werden - eine ambitionierte Forderung. Dank einem zweiten Trend, der Bekämpfung von Foodwaste, soll noch mehr Ackerfläche frei werden. So soll mehr Platz für die Natur geschaffen werden - ohne dass die Produktion leidet.

ARCHIV - ZU DEN THEMEN AN DER SOMMERSESSION DER EIDGENOESSISCHEN RAETE AM MONTAG, 17. JUNI 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Foreign workers from Poland cut organically-g ...
Feldarbeiter aus Polen bei der Ernte im Seeland (Archivbild).Bild: KEYSTONE

Es gehe nicht darum, den Bauern und Bäuerinnen an den Karren zu fahren, betonen die Umweltorganisationen bei der Vorstellung der Vision. Man wolle mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten.

Beim Schweizer Bauernverband stösst die Vision allerdings auf wenig Gegenliebe: Die Ansätze der Umweltverbände seien «extrem, schwächen Versorgungssicherheit und verlagern unseren ökologischen Fussabdruck weiter ins Ausland».

«Die Landwirtschaftsbetriebe haben alles Interesse, dass die Böden fruchtbar bleiben», sagt Sprecherin Sandra Helfenstein. Dafür verbesserten sie kontinuierlich die Anbaumethoden und -techniken. Und: Zur Schonung der Böden und als Krankheits- und Schädlingsprophylaxe sei eine vielfältige Fruchtfolge unabdingbar. «Es müsste also im Sinn der Umweltverbände sein, dass die Bauernbetriebe auch im Seeland mehr als nur Gemüse anbauen.» (aargauerzeitung.ch)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Weltbürger
26.08.2023 20:06registriert März 2019
Nicht geschätzter Bauernverband: Von einer schwächung der versorgungssicherheit kann keine rede sein. Gemüse wird direkt vom menschen verzehrt, futtermais läuft erst noch durch ein rind. Ansonsten hätte die schweiz im zweiten weltkrieg ( plan wahlen) wohl rindsfilet und nicht kartoffeln kultiviert.
Zur fruchtfolge: Für den bauernverband ist fruchtfolge gemäss angabe unterschieden in "futterpflanze" und "gemüse". Momol gebalte kompetenz...
Warum nur verweigert ihr euch aller progressiver Vorschläge und lebt in einer Landwirtschaft weiter welche so keine zukunft hat?
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Emmalisa54
27.08.2023 07:53registriert Oktober 2022
Bin in Bauernfamilie am Rande des grossen Mosses aufgewachsen. mein Vater bewirtschaftete sehr viel Moosland. Mich erschreckt wieviel Wissen im Bezug mit dem Umgang dieses sehr fruchbaren Boden und dessen Bepflanzung vergessen und verloren gegangen sind. Diesen Boden ist sehr fragiel, erfordert gute Kentnisse im Umgang. Anstatt sie über extreme Vorstellungen von Verbänden zu streiten, sollten die Beteiligten sich zusammen setzen und Lösungen finden. Ein Blick in die Vergangenheit , würde nicht schaden.
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Red4 *Miss Vanjie*
26.08.2023 18:04registriert Mai 2017
Irgendwie ironisch habt ihr einer Person welche bezüglich landwirtschaft mit falsch Aussagen brilliert und sich vehement gegen Naturschutz und Bio einsetzt eine Plattform geboten in einem Video...
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Jans wird wegen Asyldossier von allen Seiten kritisiert – schon wieder: die Sonntagsnews
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