Der Weg zum Babyglück führt die Frau aus dem Kanton Waadt nach Dänemark. Dort dürfen Single-Frauen, anders als in der Schweiz, mittels Samenspende künstlich befruchtet werden. Nach fünf Jahren klappt es endlich. Zunächst verläuft die Schwangerschaft ohne Komplikationen. Dann, am 30. Mai des letzten Jahres, begibt sich die Frau ins Universitätsspital Lausanne: Schwangerschaftsvergiftung, Notfallkaiserschnitt im siebten Monat. Das Mädchen wiegt 2,2 Kilogramm und verbringt den ersten Tag seines Lebens im Brutkasten.
Drei Tage danach platzieren es die Waadtländer Kindesschutzbehörden notfallmässig in der Säuglingsstation und entziehen der Mutter das Sorgerecht. Zehn Tage später wird das Mädchen in ein Kinderheim gebracht. Die Mutter, die einige Jahre in Paris studiert hat, darf es pro Woche während eineinhalb Stunden besuchen. Aber nur unter Aufsicht, wie aus Gerichtsurteilen hervorgeht, die CH Media vorliegen. Jetzt hofft sie, dass sie sich dank einer Beschwerde vor Bundesgericht künftig selbstständig um ihre Tochter kümmern darf, die nicht nur wegen der Frühgeburt einen schwierigen Start ins Leben hat. Ein (noch laufendes) Drama in fünf Akten.
Nach dem Kaiserschnitt ist die Mutter geschwächt. Bald kommt es zu Unstimmigkeiten mit dem Pflegepersonal und den Hebammen. Diese kritisieren, es sei gefährlich, wie die Mutter ihr Baby halte. Sie präpariere den Schoppen falsch und schlage Empfehlungen des Fachpersonals mit Verweis auf eigene Internetrecherchen in den Wind. Der Ton verschärft sich zusehends.
Ein Ärzteteam des Universitätsspitals, das sich um Fälle von Kindesmissbrauch und Vernachlässigung kümmert, bestätigt die Kritik des Personals und macht eine Gefährdungsmeldung bei der Kindesschutzbehörde. Eine Psychiaterin ergänzt, die Mutter zeige kaum Emotionen gegenüber ihrer Tochter und reflektiere ihr Verhalten kaum. Das deute auf eine mögliche psychische Erkrankung hin.
Der Wunsch der Mutter, ihr Kind möglichst rasch zu sich nach Hause zu nehmen, erweist sich je länger je mehr als illusorisch. Vier Tage nach der Geburt muss sie selber auf der Intensivstation betreut werden – weil sie sich geweigert hat, notwendige Medikamente gegen Bluthochdruck einzunehmen. Am 5. Juni entzieht ihr das Friedensgericht des Bezirks Lausanne provisorisch das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr Kind. Am 25. August bestätigt es den Entscheid.
«Es ist unmenschlich, dass man mir mein Kind weggenommen hat», sagte die Mutter der Zeitung «24 heures», die vor einigen Tagen über den Fall berichtete. Sinngemäss argumentiert die 39-Jährige: Es ist normal, nach einem Notfallkaiserschnitt müde und geschwächt zu sein. Eine Hebamme habe sich ihr gegenüber feindselig verhalten und die Samenspende negativ beurteilt. Überhaupt habe das Spitalpersonal ihrer schwierigen Situation nicht Rechnung getragen.
«Ich trinke nicht, ich nehme keine Drogen. Ich bin zwar alleinerziehend, meine Schwester und meine Eltern unterstützen mich aber», sagt die Single-Mutter. Ausserdem wolle sie sich von einer permanent anwesenden Kinderbetreuerin unterstützen lassen. Die Behörden fanden jedoch: Es würde mindestens drei Kinderbetreuerinnen auf unbestimmte Zeit brauchen. Auch der Support ihrer Schwester, einer Neurologin, genüge nicht für eine nachhaltige Lösung.
Die Neurologin, selber Mutter eines dreijährigen Kindes dank Samenspende, legte ein gutes Wort für ihre Schwester ein. Sie betonte, sie habe ihre Tochter regelmässig während längerer Zeit gehütet, problemlos die Windeln gewechselt und den Schoppen gegeben. Ihr Gynäkologe taxierte die Mutter als fähig, sich um ein Baby zu kümmern – falls sie genug familiäre und soziale Unterstützung bekomme.
Ein Psychiater, der im Auftrag der Mutter ein Gutachten über sie verfasste, plädiert dafür, ihr das Sorgerecht wieder zu erteilen. Dass eine Mutter nach einer traumatischen Geburt mit ihrem Kind fremdle, sei ein bekanntes Phänomen bei solch einer Stresssituation. Und ihr Anwalt erklärte «24 heures», er habe in seiner langjährigen Berufskarriere noch nie so einen Fall erlebt. «Man nimmt nicht einer Mutter das Kind weg unter dem Vorwand, sie stelle zu viele Fragen zur Dosierung des Schoppens.» Die Behörden sehen dies freilich anders. In ihren Augen hat die Single-Frau ein grundsätzliches Problem, sich adäquat um ein Baby zu sorgen.
Ein Baby, das direkt von der Säuglingsstation in einem Heim platziert wird: Dieses Szenario ist sehr selten, wie eine Umfrage von CH Media bei diversen KESB zeigt. Wenn es doch so weit kommt, leiden die Mütter in der Regel an Suchtproblemen oder unter starken psychischen Problemen, und sie vernachlässigen ihr Kind. Der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist die einschneidendste Massnahme im Kindesschutz. Die KESB ergreifen sie dann, wenn aus ihrer Perspektive mildere Mittel nicht ausreichen, um das Kindeswohl zu schützen. In der Schweiz waren per Ende 2022 gemäss der Statistik der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz 264 Kinder im Alter von 0 bis 2 Jahren fremdplatziert.
In der Westschweiz wirft das Schicksal der Mutter hohe Wellen. Sie könne sich wegen des Amtsgeheimnisses nicht zum konkreten Fall äussern, sagte Manon Schick dem Westschweizer Radio und Fernsehen RTS. Die Chefin der Waadtländer Direktion für Kindesschutz erklärte, Eltern könnten solch schwerwiegende Entscheide oft nicht nachvollziehen.
Die Behörden stützten sich auf ein Kriterienraster. «Eine Fremdplatzierung ist immer der letzte Ausweg», so Schick. Ihre Botschaft: Die KESB ist keine feindselige Behörde, die aus dem Nichts Neomüttern ihre Kinder entreisst, sondern eine, die zum Wohl der Kinder handelt. Was der Fall auch offenbart: Manchmal klaffen tiefe Gräben zwischen der Wahrnehmung der betroffenen Eltern und jener der Behörden.
Gibt es gar keine Hoffnung mehr für die Mutter? Doch. Die Behörden bemühen sich, der Mutter beim Aufbau einer tragfähigen Beziehung zu ihrer Tochter zu helfen. Das Friedensgericht des Bezirks Lausanne hat auch einen Psychiater beauftragt, die Situation neu zu analysieren. Zudem ist ein Rekurs vor Bundesgericht hängig.
Das Waadtländer Kantonsgericht bestätigte derweil in einem Entscheid vom letzten Oktober die Argumente der Kindesschutzbehörden. Diese hegen nach wie vor erhebliche Zweifel am Baby-Know-how der Mutter. Sie sei sich noch immer nicht im Klaren, was es bedeute, Mutter zu sein. Sie verhalte sich gegenüber ihrem Kind distanziert, nenne es «Baby» anstatt mit dessen Namen. (aargauerzeitung.ch)
Statt solchen Menschen eine mediale Stimme zu geben bräuchte es besser eine gute Ombudsstelle für KESB-Fälle, die zwischen Behörde und Angehörigen vermittelt.
Am Ende haben wir eine 39 Jährige, welche auf biegen und brechen noch Kinder bekommen wollte und nicht in der Lage war dafür eine stabile Beziehung zu einem Mann aufzubauen. Zudem weiss sie offenbar selbst alles besser. Man sollte nicht vorschnell urteilen, doch in Zweifel sollte man vorläufig(!) das Kind schützten.