Wer das Züri Fäscht verpasst, muss sich bis zur nächsten Ausgabe drei Jahre lang gedulden. Versäumt man die Fête des Vignerons, das gigantischste aller Schweizer Volksfeste, kann man das erst in über 20 Jahren nachholen. Grund genug, sich aufzuraffen und in den Zug zu steigen.
Das für die kommenden zwei Wochen angekündete Wetter ist – abgesehen von einem kurzen Zwischentief am Sonntag vielleicht – perfekt für einen Besuch der Feier. Die Hitzewelle ist passé, es gibt angenehme Temperaturen von 18 bis 24 Grad.
Es lässt sich also bestens an der Seepromenade von Vevey entlang flanieren und Wein degustieren – ganz ohne Sonnenstich-Risiko. Wer Abkühlung sucht, kann nur wenige Meter weiter neben den Bars und Restaurants in den See springen.
Bei diesem Punkt fällt das Fazit durchzogen aus.
Aber zuerst ein paar Hintergrundinformationen: An der Freilichtvorführung sind 5500 Schauspieler, Statisten, Sänger und Musiker beteiligt, grösstenteils Laien.
Das spectacle handelt von einem Dialog zwischen einem kleinen Mädchen namens Julie und seinem Grossvater. Der Grossvater zeigt Julie die Traditionen und Arbeiten am Weinberg. Die Bühne lebt mit, der gesamte Boden ist ein gigantischer LED-Bildschirm.
Am Ende des spectacle sorgt die Aufführung des jahrhundertealten Hirten- und Sennenlieds «Ranz des vaches» – der inoffiziellen Hymne der Romandie – für einen Hühnerhaut-Moment. Zahlreiche Zuschauer stehen auf heben die Hand an die Brust oder das Handy mit Licht in die Luft.
Die Lichtshows und die rhythmische Musik der Aufführung sorgten bei der Autorin dieses Artikels für eine Art angenehme Tief-Meditation. Sie war ganz begeistert. Unsere Lieblingskanadierin Emily hingegen kämpfte währenddessen gegen den Schlaf. Lediglich die unbequemen Stühle in der Arena hätten sie davon abgehalten, sagte sie. «Also, ähm, werde ich dafür jetzt ausgeschafft?»
Ansonsten ist Emily aber ein Fan vom Winzerfest.
Wenn ich #emilynational erkären muss, dass es ganz normal ist, wenn an der @fevi_2019 plötzlich 50 Kühe ins Stadion laufen. #camillefederale @watson_news pic.twitter.com/gh2yRXGzLt
— Camille Kündig (@CamilleKundig) July 20, 2019
Die Freilichtvorführung wird insgesamt 20 Mal aufgeführt. Die Preise für die Tickets haben es in sich: Sie kosten zwischen 79 und 359 Franken. Und Kinder müssen auch zahlen. Autsch.
Aber: Nun erhält man die Tickets auch günstiger. Für die Shows am Vormittag gibt es für die zwei gehobenen Sitz-Kategorien 10 respektive 39 Prozent Rabatt.
Je nach Tag kann man sich bei der SBB zudem noch Sparbillette für die Zugfahrt nach Vevey schnappen. Statt 39 Franken muss ein Halbtax-Inhaber dann nur 13.80 Franken für einen Weg berappen. Kleiner Wermutstropfen: Bei den Shows am Tag sind die Lichtspektakel vermutlich weniger eindrücklich (wir waren am Abend dort).
Wem ein solches Ticket immer noch zu teuer ist, kann auch ohne an das Winzerfest. Unter dem Motto «La ville en fête» sind über 50 Essens- und Getränkestände über die ganze Stadt verteilt. Sie sind von 9 Uhr morgens bis Mitternacht, am Wochenende bis 2 Uhr morgens geöffnet. Der Zugang zur «Ville en fête» ist kostenlos. Für Familien und Kinder stehen Karusselle zur Verfügung, Clowns, Zirkusdarbietungen und ein Schau-Bauernhof mit Kühen, Maultieren und Ziegen.
Jeden Abend zieht zudem eine nächtliche Parade aus Schauspielerinnen und Statisten mit musikalischer Untermalung in leuchtenden Kostümen durch die Strassen der Stadt – es gibt gewissermassen also auch eine Gratis-Show.
Wie es sich für ein richtiges Winzerfest gehört, gibt es an der Fête des Vignerons zahllose Gelegenheiten, Wein zu trinken. Über 60 Weinkeller öffnen den Besuchern ihre Tore, hinzu kommen die Getränkestände auf dem Festgelände.
Speziell für die Fête des Vignerons wurden zudem verschiedene Weine gekeltert. Ein Jahrgangswein 2017, der bereits seit Herbst 2018 erhältlich ist, wird – sobald die Vorräte aufgebraucht sind – von einem 2018er Jahrgangswein abgelöst.
Produziert wurden vier Weine: Je ein Weiss- und ein Rotwein aus den teilnehmenden Weinbaugebieten Lavaux und Chablais. Hinzu kommen ein Rosé sowie Schaumwein aus Waadtländer Chardonnay-Trauben. Zusätzlich werden zwei Spitzen-Weissweine mit einer limitierten Produktion von je 5000 Flaschen angeboten.
Der Spaziergang entlang der Seepromenade von Vevey ist ein echtes Highlight. Der Weg führt entlang des malerischen Hafens, es gibt eine wunderbare Aussicht auf die französischen und Schweizer Alpen – dann noch ein Glas Wein in der Hand und das Ferien-Ambiente ist garantiert.
Ein Tag in Vevey ist wie Badeferien, Gourmet-Genuss und Kultur-Trip in einem. Wer ein paar freie Tage hat und übriges Geld, weil es für die Sommerferien weit weg nicht ganz reichte, dem empfehle ich den Besuch der Fête des Vignerons wärmstens.
Meine Meinung ist, dass ein Ticketprei von + 300.- für einen Abend abarting ist.
Als Notfallplan ist aber auch das Château de Chillon nicht weit.