Sie besitzen einen sperrigen Namen und sind oft der letzte Strohhalm, an den sich Krebskranke mit einer besonders aggressiven Form von Blut- oder Lymphdrüsen-Krebs klammern: die CAR-T-Zelltherapien. Zugelassen ist die innovative Behandlung für Patienten, bei denen alle anderen Therapien machtlos waren. «Sie stellt einen enormen Fortschritt in der Krebsbekämpfung dar», sagt der Onkologe Heinz Läubli, Professor und Leiter des Labors für Krebs-Immuntherapie am Unispital Basel. «Zwei Jahre nach der Behandlung ist die Hälfte der Patienten, für die es zuvor keine Hoffnung mehr gab, noch am Leben.»
Bei der CAR-T-Zelltherapie handelt es sich um eine Gentherapie, bei der das Immunsystem mit gentechnologischen Methoden gegen Krebszellen scharf gemacht wird. Dafür werden körpereigene Immunabwehrzellen, die T-Zellen, so behandelt, dass sie die ausser Rand und Band geratenen Geschwüre erkennen und vernichten können.
Der Vorteil von solchen Therapien, welche die körpereigene Immunabwehr als Verbündete einsetzen, ist laut Läubli, dass sie den Krebs langfristig in Schach halten können. «Wenn man mit einer Chemotherapie einige Krebszellen nicht erwischt, kommt es später fast unweigerlich zu einem Rückfall. Bei den Immuntherapien bleibt das Immunsystem hingegen langfristig angriffsfähig.» Bloss heisst das nicht zwingend, dass sie die Krankheit tatsächlich langfristig kontrollieren oder gar heilen können. Das muss sich erst noch weisen.
So spektakulär die Erfolge der CAR-T-Therapie teilweise sind, so spektakulär sind auch die Behandlungskosten. Eine einzige Infusion kostet laut Listenpreis rund 370'000 Franken; was effektiv bezahlt wird, ist vertraulich. «Die Hersteller rechtfertigten in den ersten Verhandlungen den hohen Preis damit, dass nach der teuren Therapie kaum mehr weitere Kosten anfallen», sagt Maria Trottmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Krankenkasse Swica. Nur stimmt das so nicht, wie eine Analyse von neun Schweizer Krankenversicherern, an der Trottmann beteiligt war, erstmals zeigt. Das Fazit der Studie , die soeben im «Swiss Medical Journal» erschienen ist: Die CAR-T-Therapie alleine reicht nicht, da kommt noch viel mehr dazu.
In die Studie flossen die Behandlungskosten von achtzig Patientinnen und Patienten zwischen 30 und 84 Jahren ein, die unter dem grosszelligen B-Zell-Lymphom litten, einer bösartigen Erkrankung des Lymphsystems. Demnach betragen die weiteren Kosten der Krebskranken in den folgenden zwei Jahren 215'000 Franken – deutlich mehr, als frühere Schätzungen vermuten liessen, wie Trottmann sagt.
Den Basler Onkologen Läubli überraschen die Zahlen nicht: «Wir sprechen hier von schwerkranken Patienten, die eine engmaschige medizinische Begleitung benötigen. Die kann man nicht nach der Therapie nach Hause und einfach einmal pro Monat zum Hausarzt schicken.»
Der Makel der zunächst ungewissen Folgekosten ist kein alleiniges Merkmal der CAR-T-Behandlung, sondern gilt für viele innovative Therapien. «Wir wollten mit unserer Studie zumindest für den einen Fall Transparenz schaffen. Denn nur damit kann die Gesellschaft sachlich diskutieren, wie eine nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens künftig sichergestellt werden kann», so Trottmann.
In der Schweiz erkranken mehr als einer von fünf Menschen vor dem 70. Lebensjahr an Krebs, pro Jahr sind das fast 50'000 Neuerkrankungen. Noch profitieren nicht viele von der CAR-T-Zelltherapie. Auch weil sie derzeit nur bei bösartigen Bluterkrankungen angewendet wird. Das dürfte sich künftig ändern, weil Wissenschafter und Wissenschafterinnen intensiv daran arbeiten, die Gentherapie für weitere Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Darmkrebs zu etablieren.
Für Krebskranke sind das potenziell gute Nachrichten, doch: «Wenn die Preise dafür auf dem heutigen Niveau bleiben oder gar noch weiter steigen, kommen damit enorme Kostensteigerungen auf das Gesundheitswesen zu, die sich unweigerlich auf die Krankenkassenprämien niederschlagen werden», sagt Trottmann. Schon heute verursachen Medikamente, insbesondere die neuen, fast ein Drittel der gesamten Kostensteigerung. Am kostenintensivsten sind dabei die Krebs- und Immunsystemmittel.
Wieso Krebsmedikamente so teuer sind, ist nicht immer nachvollziehbar. Das zeigt eine Studie um Kerstin Noëlle Vokinger, Professorin für Recht, Medizin und Technologie an der Universität Zürich. Sie legte dar, dass Krebsarzneien im Durchschnitt etwa dreimal teurer sind als Nicht-Krebsmedikamente – ohne dass es dafür eine objektive Erklärung gebe. Konkret betragen die nicht gerechtfertigten Mehrkosten von Krebsmedikamenten, die sogenannte Krebsprämie, rund 30'000 Franken.
Laut Vokinger und ihrem Team werden unverhältnismässig viele Ressourcen für den Kauf von Krebsmedikamenten bereitgestellt. Deshalb wäre es wichtig, dass sich die Preisverhandler der Krebsprämien bewusst wären und diese in den Verhandlungen mit der Pharmaindustrie berücksichtigen würden, heisst es in der Studie. Dann liesse sich der Preis mit handfesten Argumenten womöglich drücken.
Die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin hat das Problem der extrem teuren und neuen Medikamente in einer Stellungnahme für das Bundesamt für Gesundheit beleuchtet. «Selbst in einem reichen Land wie der Schweiz stehen nicht unbegrenzt finanzielle Mittel zur Verfügung», sagt Markus Zimmermann, Vizepräsident der Ethikkommission und Professor an der Uni Freiburg. Daher sei klar, dass nicht alles, was auf den Markt komme, selbstverständlich finanziert werde. «Braucht es mehr Geld für teure Behandlungen, muss das anderswo eingespart werden, beispielsweise im Präventionsbereich oder bei Vorsorgeuntersuchungen.» Das könne schlimmstenfalls negative Konsequenzen für die Gesundheit der Gesamtbevölkerung nach sich ziehen.
Dieser Überlegung folgend, vergütete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) beispielsweise zwischen den Jahren 2014 und 2018 das Hepatitis-C-Medikament mit dem Namen Sovaldi nur einem kleinen Teil der Behandlungsbedürftigen. Der Grund war, dass zu dieser Zeit rund 40'000 Personen in der Schweiz mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert waren. Wären alle behandelt worden, hätte das die Krankenkassen mit 2,8 Milliarden Franken belastet. Zu viel, wie das BAG befand.
Weil das Medikament sehr kosteneffektiv ist, ist auch die Beschränkung von «Sovaldi» aus ethischer Sicht umstritten – was solche Entscheide wohl immer sein werden. «Wichtig ist daher, dass sie demokratisch legitimiert sind», sagt Zimmermann.
Als positives Beispiel nennt die Ethikkommission in ihrem Papier den Fall Schweden: Dort gibt es ein Institut, das dafür zuständig ist, die öffentliche Debatte zu Prioritätensetzungen im Gesundheitswesen zu fördern. In der Schweiz allerdings, kritisiert Zimmermann, fehlten nicht nur entsprechende Debatten, sondern es existiere auch kein Bewusstsein für die nötigen Beschränkungen von gesundheitlichen Leistungen.
Als eines von wenigen Ländern hat Grossbritannien einen Schwellenwert definiert, wonach die versicherungspflichtigen Behandlungen für ein qualitätsbereinigtes gerettetes Lebensjahr in der Regel maximal zwischen 20'000 und 30'000 Pfund betragen dürfen.
Das Bundesgericht hielt 2010 wiederum in einem Urteil fest, dass sich international eine obere Schwelle des Zahlbaren von 100'000 Franken pro gerettetes Lebensjahr abzeichne, ohne dabei auf die Lebensqualität einzugehen. Zudem untersuchten verschiedene Studien die Zahlungsbereitschaft in der Schweiz, wobei die ermittelten Werte zwischen 100'000 und 250'000 Franken pro Lebensjahr bei guter Gesundheit lagen.
Die politische Debatte dazu muss aber noch geführt werden. Nur handle es sich dabei um ein heikles Thema, das in der Politik kaum sachlich diskutiert werden könne, sagt die Expertin Trottmann: «Dabei ist es aus Sicht der Generationengerechtigkeit notwendig, politisch darüber zu verhandeln, wie wir als Gesellschaft mit neuen Therapien umgehen können, deren Nutzen nicht gesichert ist und deren Kosten unklar sind.»
Ich sehe nach wie vor Milliardengewinne bspw. bei Pharma. Diese fliessen aber nicht zurück in Forschung und Gesellschaft, sondern werden unter Wenigen verteilt.
Ah so geht das. Dann verlang ich für entwickelte Software auch noch etwa 3 Mio mehr, wenn damit die Kosten eines Mitarbeiters gespaat werden können und das das erwartete Gehalt bis zur Pension ist 🤦
Wie gierig kann man sein
werde ich die kosten wieder zurück zahlen können in dem ich arbeite und der gesellschaft nicht mehr so aus der tasche sitze? nein.
ob es wert war mein leben zu retten müssen andere entscheiden.