«ALLER ANFANG IST SCHWER» – welcher Idiot hat das eigentlich gesagt? Nein, welcher lebensfeindliche, altersstarre, geistig phlegmatische und enorm abkömmliche Deppschädel hat diesen Mist verlautbart?
Ganz sicher hat er nie eine quellfrische «Bachelorette»-Folge rezensiert. Denn die ersten sind immer die einfachsten. Die Idiotendichte ist hoch. Es gibt zwei Adrians, fünf Giuseppes, 17 Personal Trainer und einen mit kochend heissem südamerikanischen Blut. Der Laute, der Leise und der Arsch. Es gibt bloss Typen und schlecht gespielte Klischees. Es menschelt nicht, da die Masken der Kandidaten noch schön stramm sitzen, was einem als Zuschauer ein fröhliches Schubladisieren, ein bedingungsloses Urteilen und ein radikal-brachiales Zersäbeln dieses durchmuskelten Testosteron-Knäuels erlaubt.
Irgendwann werden die Idioten weniger, die Jungs werfen nicht mehr die Koffer ihrer Konkurrenten in den Pool, sondern schlagen «emotionale Kissenschlachten». Und während sie im eher harzigen Mittelteil dieser Staffel zu Bros geworden sind, verlässt Simone Meier das watson-Büro für ein paar Wochen, und mit ihr geht auch der wunderbare Duft sommerlicher Leichtigkeit, der sie stets umgibt. Was bleibt, sind die Bachelorette und ich, Giuliano, Peter, Yuri und Heinz.
Weg sind die faulen Kartoffeln, all die Marcels und Dinos.
Was hat die Yuliya während meiner Abwesenheit weise gewählt! Hätte Walter Donovan doch nur sie statt der fiesen Nazischlange Dr. Elsa Schneider an seiner Seite gehabt, so wäre er nicht so rasend schnell zum Skelett geworden und in tausend Stücke zerbröselt.
Plötzlich werden hier lächerliche Regieanweisungen mit Metawitzen bedacht – «Peschä, du liesisch gar keni Büecher!» Sehr tätowierte Menschen wie Giuliano geben Weisheiten von sich wie: «Hützutags isch me spezieller, wenn me kei Tattoos hät.» Und die ewig gleichen Gefühlsplattitüden – «S'Abentür vo mim Läbe» – und die «Du bisch sone tolli Frau»-Bekundungen – verwandeln sich in ehrlich gefühlte Wahrheiten.
Wäre da nicht noch Peter, der mit seinem Talent für doppelte Redewendungs-Verdrehungen («De Knopf hät sich bim Giuliano um 360 Grad drait»), allzu starren Geschlechter-Vorstellungen (Männer leiden nach dem Betrogenwerden länger, intensiver und mehr als Frauen) und seinem generell etwas zwielichtig scheinenden Wesen für ein wenig Rätselhaftigkeit sorgt, blieben da bloss noch drei Herzen, die der Bachelorette bedingungslos vor die Füsse gelegt werden.
Der Fitnesstrainer durchwaltet also Yuliyas erlesenes Männerbouquet mit ein paar angewelkten, blau-violetten Rittersporn-Blüten. Rettet es vor allzu viel Kitsch, vor dem Kippen ins Schnulzige.
Darum, liebe Leute, wurden wir heute wohl Zeuge des Höhepunkts dieser Staffel. Heinz und Yuri mögen sich so sehr, dass sie gar fähig sind, würdevoll ein Doppel-Dreamdate zu begehen. Und die Bachelorette bekommt erstmals seit dem Bestehen dieses Formats ehrliche Antworten, wer am besten zu ihr passen könnte.
An diesem Punkt wünscht man sich, dass es einfach aufhört. Dass sich diese «fünf tollen Menschen» augenblicklich in eine gemütliche Walliser Alphütte verkrümeln, wo sie zusammen wandern gehen, Wein trinken und in aller Unschuld ihre Freundschaft zelebrieren, bis sie alt und klapprig sind, und Peter sie irgendwann auf seinen niemals schwindenden Kraftarmen gemeinsam ins Jenseits hinüberträgt.
Stattdessen aber hören wir Heinz über Peter und Giuliano sagen: «I han beidi mega gern», Yuri offenbart Yuliya seine Gefühle vor Heinz, während Heinz sich in zehn Jahren mit seiner Tochter, Yuliya und ihren gemeinsamen Kindern unter einem hübsch geschmückten Weihnachtsbaum sitzen sieht.
Es folgt die Rosennacht und die übliche Regieanweisung – schreibt der Bätschi einen gefühlsduseligen Brief! – tut das erste Mal weh, weil sich fast alle Kandidaten schon so entblösst haben, voreinander und auch vor Yuliya und uns, sodass sich das jetzt anfühlt, als würden die Chippendales bereits nackt auf die Bühne kommen müssen.
Und so tritt als Erster der blutte Heinz zur Bachelorette, einzig sein Bünzli-Mal trägt er wie einen verblassten Nachtclub-Stempel am Leibe, er hat nur zwei Sätze aufgeschrieben, die restlichen Worte quellen ihm einfach so aus dem Mund heraus. Er erzählt davon, wie Yuliya ihm von Anfang an das Gefühl gegeben habe, am richtigen Ort zu sein und zur richtigen Zeit, ja dass er richtig sei, der wilde Heinz und der Dirty Heinz und überhaupt alle Heinzes, die da aus ihm herausgekommen seien und die allesamt die Bachelorette haben wollen, diese wunderbare, tolle und herzliche Frau.
Yuliya weint und in ihre Heinz-Tränen hinein spricht nun Yuri, der nicht mehr nur nackt ist, sondern bloss noch aus einem einzigen riesigen, unerhört pochenden Herzen besteht, einem, das einen leeren Rucksack auf dieses Abenteuer mitgenommen habe, den Yuliya dann mit wundervollen, kostbaren Sachen gefüllt habe:
«Glück, Hoffnig, Liebi, und vor allem s'Leba häsch du, Yuliya, mir ipackt. I han kämpft, i han mi überwunda, und i han mim Herz freia Lauf geh. I han für di, Yuliya, ä Stuck vo mim Herz uf Papier brocht. I will nüm dä Wäg vom gringschta Widerstand wähla, i will kein Feigling si, drum, Yuliya, loh mi dä Maa si, wo du verdiansch.»
Jetzt weint auch er und in Yuliyas Heinz-Tränen mischen sich Yuri-Tränen, während sich Giuliano hervorwagt, und seine Verliebtheit «chli churz, aber intensiv» herausrappt:
«... Mit dir ischs wie di erscht Nacht inere fremde Stadt,
i dinere Nöchi gönd die Butterflies im Buch so ab,
du häsch alles, was ich inere Frau gsuecht han,
mini Feelings dreiet düre, s'isch so chrank man,
ich säg's dir jetzt straight is face, ich glaub ich han mich verliebt,
i cha dir nöd gnau säge wie, aber s'isch passiert ...»
Zum Schluss ist Peter dran, der Mann, der die Worte für seinen Brief als einziger nicht in sich selbst gefunden, sondern aus Liebes-Büchern zusammengeklaubt hat. Eventuell war auch ein grenzwissenschaftliches Erzeugnis mit dabei, das würde seine Aura-Ausführungen erklären und vielleicht auch, warum sich das erste Rendezvous mit Yuliya für ihn wie ein Déjà-vu angefühlt hat. Möglicherweise war aber auch ein qualitativ minderwertiges Reim-Bändlein schuld. Oder «Französisch für Anfänger».
Welches Teufelswerk aber hat ihn bloss dazu verleitet, ausgerechnet eben jenen Dummbatz-Satz «ALLER ANFANG IST SCHWER» niederzuschreiben? Wenn die Liebe sich bereits am Anfang schwer anfühlt, dann lass es um Himmels willen sein, lieber Peter.
Aber er will es partout nicht sein lassen, er stilisiert sich lieber zum Risiko hoch, das Yuliya eingehen muss, um sich die Liebe zu verdienen.
Und da haben wir ihn wieder, den angewelkten Rittersporn, der die Vollkommenheit dieses Gefühlsstrausses abermals zu durchbrechen weiss.
Und Yuliya entfernt daraus auch nicht Peters lampige Blüten, sondern die Sonnenblume Heinz. Weinend zupft sie den strahlenden Helianthus aus ihrem Gesteck, das Zentralgestirn dieser Staffel – und der Himmel verdunkelt sich für ein Weilchen.
Das einzig Schwere ist immer das Ende.