Daniela Zimmermann regt sich auf. Schon wieder ein Apostroph! In einem Werbetext hat «Z’Nacht» einen Apostroph zwischen «Z» und «Nacht». So etwas sticht der Mundartkorrektorin sofort ins Auge.
Auf Instagram erklärte Zimmermann den Werbern: «Da ein Apostroph immer einen weggefallenen Buchstaben markiert, hier aber nichts wegfällt, müsste es ‹Znacht› heissen.» Das weggefallene «e» aus dem ursprünglichen Dialektwort «Zenachte» werde heute in keinem Dialekt mehr ausgesprochen, weshalb der Apostroph überflüssig geworden sei.
Apostrophe sind häufige, aber nicht die einzigen Fehler, die Zimmermann auffallen. Die Pendlerzeitung «20 Minuten» erwischte sie, als sie langweilig auf Schweizerdeutsch mit «langwillig» übersetzte. Korrekt wäre «langwiilig». «Lang willig», wäre wieder etwas ganz anderes, scherzt Zimmermann.
Die 31-jährige Winterthurerin, die Songtexte für Baschi oder Dabu Fantastic lektoriert, hat sich auf Schweizer Mundart spezialisiert. Die Arbeit als Korrektorin dürfte ihr in nächster Zeit nicht ausgehen. Denn Schweizerdeutsch erlebt einen Aufschwung. Die Mundartliteratur und -musik boomt, und Firmen werben auf Dialekt («Für ä tüüfä gsundä Schlaaf», «Augelasere zum Fründschaftspriis», «Spaziere. Höckle. Gnüüsse»).
Wer ein Smartphone hat, kann sich dem geschriebenen Dialekt kaum mehr entziehen. Vor allem die Jungen schreiben praktisch ausschliesslich auf Schweizerdeutsch. Auf Whatsapp herrscht Anarchie. Eine offizielle Rechtschreibung des Schweizerdeutschen gibt es nicht.
Das will Zimmermann auch gar nicht ändern. Sie hütet sich davor, von «richtig» und «falsch» zu sprechen. Viel lieber spricht sie von Systematisierung. «Es geht darum, dass die gleichen Wörter oder auch einzelne Lautkombinationen in einem Text konsequent gleich geschrieben werden.»
Der Begriff Zeit etwa wird auf Mundart mal mit Ypsilon, mal mit zwei i geschrieben. Zimmermann empfiehlt Sprechern von Zürcher oder Ostschweizer Dialekten, konsequent «Ziit», mit zwei i, zu schreiben. Ihre Regel lautet: Immer wenn das schweizerdeutsche Wort einen langen Vokal hat, der im hochdeutschen Pendant im Lauf der Zeit zu einem Doppellaut geworden ist, soll das Dialektwort mit zwei Vokalen geschrieben werden. Bauer wird zu Buur, Mauer zu Muur und weit zu wiit.
Die Lektorin betont aber, dass es keine für die ganze Schweiz gültige Lösung gibt. So werde im Kanton Bern Zyt mit Ypsilon geschrieben, um das geschlossene «y» aus Zyt vom offenen «i» aus Gschiir zu unterscheiden. Auch in Basel ist das y aus dem geschriebenen Dialekt nicht wegzudenken.
Bei ihrer Arbeit als Korrektorin von schweizerdeutschen Songtexten muss Zimmermann immer wieder Kompromisse eingehen. So rät sie zwar grundsätzlich davon ab, einzelne Wörter zusammenzuhängen. Doch manchmal muss sie sich dem Publikum anpassen.
Darum heisst es im gedruckten Songtext von Dabu Fantastic zwar «Lug eus a, frisch us em Ei». Der Album-Titel heisst aber «Frisch Usem Ei». Grund dafür ist, dass die meisten jungen Leute die beiden Wörter «us» und «em» zu «usem» kombinieren. Wenn sie das Dabu-Fantastic-Lied dann auf Streaming-Plattformen suchen, werden sie unter Umständen nicht fündig.
In den Chats benutzen die Jungen ohnehin eine ganz eigene Schreibweise. So ersetzt das aus der englischen Sprache stammende «sh» das deutsche «sch». Im Chat des Fussball-Klubs heisst es dann: «Wänn ish de Match?».
Die Jugend hat immer ihre eigene Sprache gepflegt, auch um sich von den Erwachsenen abzugrenzen. Dagegen hat Zimmermann nichts. «Nicht einmal ich befolge meine Regeln, wenn ich eine Whatsapp-Nachricht schreibe.» Zimmermann nimmt’s gelassen. Wenn nur nicht überall falsch platzierte Apostrophe wären.