«Die Folgen des Klimawandels treffen keine andere Branche so unmittelbar wie den Immobiliensektor», heisst es beim Rückversicherer Munich Re. Allein 2024 habe es global 43 Naturkatastrophen mit Schäden von jeweils über 1 Milliarde Dollar gegeben. Es gelte daher, vorsichtig zu sein. Sonst investiere man heute in Immobilien, die schon morgen weniger wert sind, weil sie von Stürmen, extremer Hitze oder Überschwemmungen bedroht sind.
Auch Wüest Partner nimmt den Klimawandel ernst. In Zusammenarbeit mit Climada Technologies hat das Beratungsbüro für alle Gebäude in allen Schweizer Regionen nachgerechnet, wie sich verschiedene Klimaszenarien auswirken. Was, wenn es so weitergeht wie bisher? Was, wenn sich der Wandel sogar ungebremst beschleunigt?
Es zeigte sich, dass vor allem die Gefahren durch Starkregen und Hitze voraussichtlich deutlich zunehmen werden. Und, dass alle Gebäude der Schweiz stark bis sehr stark gefährdet sein könnten. Aber der Reihe nach.
Bei Starkregen fällt in zu kurzer Zeit zu viel Wasser. Es füllt zuerst die Orte, wo das Wasser eigentlich hin und bleiben soll: Böden, Kanalisation oder Dachrinnen. Dann fliesst es weiter. Dorthin, wo es nicht hin soll. Über Wiesen oder Strassen und andere versiegelte Flächen in Gebäude hinein. Irgendwie. Oberflächenabfluss nennt sich dieses Risiko.
Experten der kantonalen Gebäudeversicherungen zufolge fliesst das Wasser beispielsweise über zu niedrige Zugänge und Zufahrten, undichte Türen und Fenster, Lichtschächte oder Lüftungsöffnungen. «Schon wenige Zentimeter an einer kritischen Stelle genügen, um einen Keller oder eine Tiefgarage zu fluten.» Oder das Wasser drängt aus der Kanalisation heraus und gelangt durch Toiletten und Waschbecken in die Häuser. Es kann auch in Böden versickern, bis diese aufweichen, abrutschen und erst in Wohnzimmern zum Stillstand kommen.
Starkregen war laut Wüest Partner schon um die Jahrtausendwende für viele Menschen in der Schweiz nicht mehr nur ein Phänomen, das sie aus der Sicherheit der eigenen vier Wände heraus entspannt beobachten konnten. Bereits an die 20 Prozent aller Gebäude waren stark oder sehr stark gefährdet. Bald dürften es allerdings noch viel mehr sein.
Bis 2030 sind es schweizweit über ein Drittel aller Gebäude. Bis 2050 rund die Hälfte. Bis 2100 dann 90 Prozent, wenn es nicht gelingt, die Treibhausgase drastisch zu senken. Oder wenn gar ungebremst mehr davon in die Luft gelangen, trifft es laut Wüest Partner «die gesamte Schweiz und damit 100 Prozent des Gebäudeparks».
Starkregen ist mit dem Klimawandel häufiger und extremer geworden über die letzten 120 Jahre. Das hat etwa eine Studie von Meteo Schweiz aufgezeigt. Auch hat in den vergangenen 40 Jahren die Regenmenge zugenommen, die innerhalb von bloss 10 Minuten herunterkommt – um 20 Prozent.
Die kantonalen Gebäudeversicherungen halten Starkregen ebenfalls nicht für ein Problem von morgen, sondern von heute und bieten eine Gefährdungskarte an. Diese zeigt für jede Adresse in der Schweiz, welchen Weg das Wasser nimmt, welche Orte es überschwemmt und wie es aus Häusern herausgehalten werden kann. Starkregen gebe es überall, und rund zwei Drittel aller Gebäude stünden an Orten, wo ein Oberflächenabfluss entstehen könne.
Fliessendes Wasser hat viel mehr Wucht, als es den Anschein macht. Das musste kürzlich im Kanton Luzern die Schule Sonneweid feststellen, wie die «Luzerner Zeitung» berichtete. Das Schulhaus hatte etwa 15 Jahre zuvor schon nach einem Starkregen eine Überschwemmung gehabt und danach einen Schutzwall errichtet. Er war nicht hoch genug. Diese Woche stand das Schulhaus nach einem Gewitter erneut unter Wasser. Der Schulrektor sagte: «Das Wasser hat uns überfallen.»
Bei extremer Hitze flüchten Menschen gerne in Gebäude. Doch auch dort kann es gesundheitsschädigend warm werden und das Gebäude selbst Schaden nehmen. Auf Dächern oder Wänden entstehen Risse. Fugen reissen auf, Materialien blähen sich auf oder verformen sich sonst wie.
Unter dem Haus sinkt erst das Grundwasser, dann der Boden. Das Fundament bekommt Risse oder sackt teilweise ab, heisst es in einer Studie des Deutschen Bundesamt für Stadtforschung. Im Innern arbeiten die Lüftung und die Kühlung weniger effizient und verschlingt mehr Energie. Und es wird gesundheitsschädlich warm. Entweder wird dann ins Gebäude investiert oder es verliert an Wert.
Bei der Gefahr der extremen Hitze ist vieles möglich. Es kann mehr oder weniger bleiben, wie es um die Jahrtausendwende war. Dann sind in allen Regionen weniger als 0,5 Prozent der Gebäude gefährdet. Ein Hitze-Problem hat dann einzig Morges VD, am Genfersee gelegen und eine der wärmsten Gemeinden der Schweiz. Dort haben heute schon 41 Prozent der Gebäude ein ernsthaftes Hitze-Risiko.
Morges wird jedoch keine Ausnahme mehr sein, wenn die Welt weiter ungebremst Erdöl verbrennt. Dann trifft es laut Wüest Partner schnell mehr und mehr Häuser, bis Ende des Jahrhunderts nahezu alle – 90 Prozent. Hitzegefährdet werden dann vor allem Gebäude im westlichen und östlichen Mittelland sein, im südlichen Tessin sowie in und um Basel herum.
In den Regionen Untersee TG und Weinland ZH sind es 100 Prozent, ebenso in Grenchen SO, Basel-Stadt sowie in Genf und Mendrisio TI. In Solothurn wären es 98 Prozent und in der Stadt Zürich auch 85 Prozent. Meist sind tiefere Lagen bedroht. Diese Risiken werden zusätzlich verstärkt durch lokale Gegebenheiten, die von Klimamodellen nicht erfasst werden. Dazu gehören Städte, in denen es zu wenig Bäume hat, die kühlen würden; und zu viele zubetonierte Strassen und Plätze, die Sonnenstrahlen speichern und die Umgebung aufheizen.
Sorgen bereitet den Klimaforschern auch, dass an manchen Orten vorherige Hitzerekorde haushoch übertroffen wurden. Von einem unerwarteten Hitze-Extrem wurde beispielsweise das kanadische Dorf Lytton heimgesucht. Die Temperaturen stiegen im Jahr 2021 auf nahezu 50 Grad an, 5 Grad über dem vorherigen Rekord.
Der ETH-Klimatologe Erich Fischer hat aus solchen Extrem-Fälle die Lehren für die Schweiz gezogen. Wie Fischer letztes Jahr zu Radio SRF sagte, seien für die Stadt Zürich gar Temperaturen von 43 bis 44 Grad nicht auszuschliessen. Auf Nachfrage sagte Fischer damals: «Das sind zwar zur Zeit absolute Worst-Case Szenarien, aber auch die Schweiz sollte testen, ob kritische Infrastruktur auf so extreme Temperaturen vorbereitet ist.» (aargauerzeitung.ch)
Währenddem Klimawissenschaftler schon lange wissen, dass die erwartet höheren Klimaschwankungen die 100 Jahresereignisse viel wahrscheinlicher Macht. Überschwemmungen und Bruthitze werden immer häuffiger. Als ich Kind war, hatten wir bei Temperaturen, die heute schon häuffig auftreten, hitzefrei von der Schule. In Rothenturm SZ konnte man im Winter skifahren. Der Klimawandel ist da, hier und jetzt. Entschiedenes gegensteuern, wie es zB Dänemark tut, wäre dringend.
Damals gab's noch Rasen, auf dem der Regen ganz gemütlich versickern konnte, ohne zig Känäle.
Und die Flüsse? Die durften noch frei herumschlängeln wie betrunkene Schlangen nach dem Dorffest.
Klimawandel, Starkregen, ja klar... aber Hand aufs Herz: das eigentliche Problem ist, dass heute einfach alles zugepflastert, zubetoniert und zugebaut wird inklusive der letzten Wiese, wo früher der Hund vom Nachbarn hingemacht haben ;-)
Das Problem sind eher die Bauherrschaften, die heute immer noch zu wenig Verständnis mitbringen, um teilweise einfachste Lösungen zu emplementieren, weil es ihnen nicht so richtig passt oder sie die Gefahr herunter spielen.
Wer bewusst mit Zukunftsveränderungen umgeht, kann in vielen Fällen Problemen klar entgegen wirken.