Es gab eine Zeit, in der die Migros als Kopier-Königin des Landes galt. Von beliebten Marken-Originalen liess sich der Detailhändler gerne inspirieren und lancierte eine günstigere Variante davon. Auf Kaffee Haag reagierte die Migros mit Kaffee Zaun, auf Aromat mit Mirador, auf Rivella mit Mivella. Anstatt Freitag-Taschen gab es bei der Migros Donnerstag-Taschen.
Und vor einigen Jahren lancierte sie eine Glace-Marke namens «Jane & Mary's», die offensichtlich an das US-Original «Ben & Jerry's» angelehnt war. So stark sogar, dass der Hersteller intervenierte und die Glace heute «Mary Jane's» heisst.
Doch in letzter Zeit ist es vermehrt die Migros, die Opfer von Nachahmer-Produkten wird. Lidl schickte sich 2016 an, den kultigen, blau-weissen Migros-Ice-Tea zu kopieren. Er verkaufte plötzlich PET-Flaschen mit einem äusserst ähnlichen, blau-gestreiften Look. Nach einer Intervention der Migros wurde das Design leicht angepasst.
Und nun hat es Lidl wieder getan. In seiner neusten Werbebroschüre präsentiert der deutsche Harddiscounter ein «Kultglace», das «ab jetzt neu im Sortiment» verfügbar ist. Es sind drei Glace-Geschmacksvarianten am Stiel, jeweils mit Schokolade umhüllt. Wie bei der Migros. Und je nach Aroma ist ein unterschiedliches Tier zu sehen. Wie bei der Migros.
Die Fauna unterscheidet sich jedoch: Bei Lidl ist ein Fuchs der Erdbeer-Repräsentant, bei der Migros ein Affe. Für Schokolade wählte Lidl einen Steinbock, bei der Migros ist es ein Bär. Und anstatt einem Seelöwen setzt Lidl bei Vanille auf eine Eule.
Die Packung mit 12 Glace à 60 Milliliter kostet bei Lidl 5.99 Franken. Bei der Migros sind es 7.30 Franken, wobei die Glaces pro Stück 3 Milliliter weniger wiegen. Sie produziert ihre Glaces bei der Industrietochter Midor in Meilen ZH. Wie Angaben auf der Verpackung verraten, lässt Lidl seine Kopie beim Luzerner Milchverarbeiter Emmi herstellen.
Die Migros gibt sich stoisch. Man habe von Lidls Lancierung Kenntnis genommen, sagt Sprecher Marcel Schlatter. Es gebe aber nur ein Kult-Glacé in der Schweiz: Seehund, Affe, Bär, Koala und Elefant von der Migros. «Kopiert werden bekanntlich nur die Besten.» Ob man juristische Schritte gegen den Konkurrenten prüft, sagt Schlatter nicht.
Lidl will von einer Kopie nichts wissen: «Mögliche Ähnlichkeiten sind rein zufällig», sagt Sprecher Mathias Kaufmann. Ziel sei es, günstiger und besser zu sein als vergleichbare Produkte auf dem Markt. Dies sei in diesem Fall gelungen, der Preis liege rund 20 Prozent tiefer. Zudem hätten viele Kundinnen und Kunden sich ein Schweizer Glacé in den Lidl-Tiefkühltruhen gewünscht. Der Discounter verkauft sie denn auch nur hierzulande. Die Frage, wie Lidl darauf kommt, die neuen Eisstängel bereits als Kultglace zu bewerben, obwohl sie noch völlig unbekannt sind, bleibt unbeantwortet.
Tatsächlich wird die Migros-Kultglace nicht zum ersten Mal kopiert. 2017 schickte Erzrivale Coop eine ähnliche Glace-Linie in den Verkauf – ebenfalls mit den Aromen Vanille, Schokolade und Erdbeere. Und ebenfalls mit Tiersujets. Produziert werden sie für Coop als Eigenmarke von Emmi – so wie auch jene von Lidl, die aber deutlich günstiger sind. Die Migros gab sich auch damals in den Medien gelassen. Sie sprach von einer plumpen Coop-Kopie, welche die Kundinnen und Kunden vom Original unterscheiden könnten.
🤔Keine Kopie, aber Ziel ist es, günstiger und besser als das Original zu sein😅