Aufregung in der Schweizer Lego-Szene. Wie der Tages-Anzeiger (Abo) berichtet, traf das Konkursamt Uster bei der Räumung eines Nachlasses vor wenigen Tagen auf eine riesige Lego-Sammlung: Geschätzt 600 Lego-Sets, mehrheitlich ungeöffnet und fabrikneu, zum Teil äusserst selten, verbergen sich in hunderten Kisten in einem grossen Kellerraum. 150 Sets davon können in einer ersten Phase nun auf einer Webseite der Liquidators ersteigert werden.
«Da hat es ein paar sensationelle Sets darunter», schätzt Pascal Schafflützel die Angebote für watson ein. «Da darf man getrost von einem Jahrhundertfund sprechen.» Schafflützel weiss, wovon er spricht. Der Lego-Experte betreibt selbst den Lego-Laden Gallusbrick: «Einige der Sets werden vermutlich für 2000 bis 3000 Franken weggehen», glaubt der St.Galler. Verraten, an welche er dabei gedacht hat, will er indes nicht.
Konkreter wird Stefan Bommeli. Das Mitglied des Schweizer Legovereins (SwissLug) und Szene-Kenner aus dem Zürcher Oberland glaubt, dass die Monorail den höchsten Betrag erzielen wird: «Die Monorail ist der absolute Knaller. Dieses Set erzielt auf dem europäischen Markt Preise von bis zu 3300 Euro. Ich denke, in diese Region wird auch diese Auktion gehen».
Aktuell werden für das Set, das 1987 für 120 Franken erstanden werden konnte, 1110 Franken geboten. Speziell sind dabei primär die Schienen-Teile. «Als Einzelteile erzielen diese an Börsen unglaubliche Preise. Eine einzelne Schiene kostet gerne mal 20 Franken. Auch in schlechtem Zustand. Oder aus einem Raucherhaushalt», erklärt Bommeli den Seltenheitswert der Monorail. «Und trotzdem sieht man an Ausstellungen Anlagen in der Grösse von 20 Quadratmetern. Diese Sammler haben einfach alles zusammengekauft.»
Ebenfalls bereits im vierstelligen Bereich befindet sich das Königsschloss aus dem Jahr 1984. Und das trotz leicht beschädigter Verpackung. Bommeli schätzt, dass sich dieser Preis noch vervielfachen wird: «Es gibt kleine Abzüge wegen der eingedrückten Ecke. Dieses Set wird vermutlich in der Region von 2500 Franken weggehen.»
Schwieriger wird die Einschätzung für das Set «Garage» aus dem Jahr 1956. Weltweit existiert kein einziges vergleichbares Angebot. Auf diesen Ersteigerungspreis darf man deshalb besonders gespannt sein. Aktuell steht es bei über 370 Franken.
Sechs der 150 Sets besitzen bereits Angebote über 500 Franken – ein Glücksfall für die Fuchs Liquidationen GmbH, welche die gesamte Sammlung vom Konkursamt Uster erwarb. Wobei «erwerben» nicht der richtige Ausdruck ist. Der Verkaufspreis ist noch nicht fixiert: «Wir haben uns mit dem Konkursamt geeinigt, dass wir uns nach den Auktionen noch einmal zusammensetzen», erklärt Firmenpatron Fuchs gegenüber watson. So kommt am Ende ein fairer Preis zustande. Eine Win-win-Situation.
Dass der definitive Kaufpreis noch in der Schwebe ist, hat einen triftigen Grund. Der Plastikschatz von Uster war im besagten Keller auf hunderte Bananenschachteln und Kisten verteilt. In den restlichen Behältern befanden sich wertloser Gerümpel, Akten, alte Magazine, Schweizer Fahrpläne. Über sechs Tonnen Material mussten dafür gesichtet und entsorgt werden: «Eine seriöse Einschätzung war initial gar nicht möglich», erklärt Fuchs, «wir verbrachten später Stunden damit, die Kisten zu durchsuchen.»
Tatsächlich wissen die Liquidatoren auch heute noch nicht, welche weiteren Perlen sich in ihrer Lego-Sammlung befinden. Jedes Set muss einzeln erfasst und geprüft werden. Das ist bei dieser Menge für das kleine Unternehmen ein Kraftakt. Deshalb werden nun erst einmal 150 Sets verkauft. «Wir haben dabei nicht selektiert», erklärt Fuchs-Mitarbeiterin Kerstin Hartung. Sicher ist: Noch vor Weihnachten werden weitere 150 Schachteln versteigert, eine dritte Welle sei für das Frühjahr 2024 geplant. «Ob es dann noch eine vierte Phase braucht, wissen wir noch nicht.»
Und noch mehr Good-News für Schweizer Lego-Fans: Von der Versteigerung ausgeschlossen sind ausländische AFoLs (Adult Fan of Lego – Erwachsener Fan von Lego). Wer mitbieten will, benötigt eine Schweizer Adresse. Dieser Umstand dürfte die Preise etwas tiefer halten. Eine Öffnung für den internationalen Markt ist derzeit nicht in Planung.
Wessen Sammlung unter den Hammer kommt, ist indes nicht bekannt. «Auch in der Lego-Szene rätselt man über den geheimnisvollen Toten», erklärt Schafflützel von Gallusbrick. Die Schweizer Lego-Szene ist mit Fanclubs, diversen Börsen, Ausstellungen und einem Discord-Server gut vernetzt. Beim Verstorbenen handelte es sich offensichtlich um einen Einzelgänger. Bekannt ist bisher nur, dass er (in geringem Masse) verschuldet war – und Erben hatte. Um wie viele es sich dabei handelt, darf das Konkursamt nicht bekannt geben. Klar aber ist: Es gibt sie. Und sie schlugen die Hinterlassenschaft, mutmasslich in Unkenntnis des Schatzes im Keller, aus.
In den Genuss eines Teiles des Lego-Vermögens dürften sie trotzdem kommen. Was das Konkursamt mit der Sammlung einnimmt, geht zuerst an die Gläubiger. Danach kommen die Erben trotz Ausschlagung des Nachlasses zum Zug.
Gebote für die Auktionen der ersten 150 Sets können noch bis am 13. November um 13.00 Uhr abgegeben werden. Zum Online-Katalog geht es hier.
Wer die Qualität der Ware überprüfen will, der kann das am Donnerstag, dem 9. November, zwischen 16.00 und 18.00 Uhr in Otelfingen tun. Eine Voranmeldung ist dafür allerdings zwingend erforderlich. Informationen dazu gibt es hier.
Wer sich über den Marktwert der Legosets informieren will, kann das mit Hilfe von Brickeconomy tun. Der Dank für diesen Tipp geht an Stefan Bommeli.
…hätte ich sie trotzdem ausgepackt.