Schweiz
LGBTQIA+

Wie ein Schwules Paar heute in der Schweiz lebt

Lebt man in der Schweiz als schwules Paar tatsächlich besser als früher?

Zwei Make-up-Artisten kehren in die Schweiz zurück – weil in Berlin das Geschäft nicht mehr läuft und sie wegen ihrer Homosexualität heute stärker angepöbelt werden. Doch wie offen ist die Schweiz tatsächlich?
26.12.2025, 20:0026.12.2025, 20:00
Sabine Kuster / ch media

Bruno Bötschi musste 58 Jahre alt werden, bis es ihm passierte: Ein älterer Herr rief ihm «Schwuchtel» hinterher. «Das war im Mai, in Berlin», erzählt Bötschi, Journalist bei Blue News von Bluewin. «Es tut weh und es macht auch Angst.»

Homosexuelle umarmen sich an einer Demo für die Rechte von Schwulen und Lesben in Zürich.
Homosexuelle umarmen sich an einer Demo für die Rechte von Schwulen und Lesben in Zürich.Bild: keystone

Ein weiteres Beispiel für ein homophobes Berlin, wie dies die Make-up-Artisten Beni Durrer und René Durrer-Lehmann gestern gegenüber CH Media geschildert hatten? Bötsch sagt: «Ich weiss es nicht, es kann auch einfach eine Momentaufnahme gewesen sein.» Das Schwulenfeindlichste, was er in der Schweiz vor Jahren erlebt hatte, war, als er verkleidet in der Innerschweiz ein Lokal verliess und draussen jemand kommentierte: «Kommen da noch mehr von euch?»

Doch er ist keiner, der mit seinem Partner in der Öffentlichkeit knutscht – nicht mal Händchen hält er auf der Zürcher Langstrasse, in deren Nähe er wohnt. «Aber nicht aus Furcht, das ist einfach nicht mein Stil.»

Auch der grüne Luzerner Nationalrat Michael Töngi findet: «Es gibt eine hohe Akzeptanz der Homosexuellen – während die homophobe Grundschicht weiter besteht.» Allerdings melden sich bei ihm nicht Schwulenhasser mit ausländischem Namen, sondern Schweizer. Er findet, dass die Akzeptanz von Homosexuellen in den letzten 20 Jahren besser geworden sei.

Michael Toengi, GP-LU, spricht an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 2. Juni 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
Der Luzerner Nationalrat Michael Töngi.Bild: keystone

Kein Anstieg bei gemeldeter Hassrede

Bei der nationalen LGBTIQ-Helpline verzeichnete man in den letzten Jahren eine konstant bleibende Anzahl von Fällen gemeldeter Hassrede. Dabei sei keine Häufung seitens Personen aus arabischen Ländern festzustellen, sagt der zuständige Pink Cross Geschäftleiter Daniel Furter. Er findet: «Bei solchen Erzählungen geht es oft darum, dass Minderheiten aus politischen Motiven gegeneinander ausgespielt werden. Es ist am einfachsten, mit Angriffe auf Minderheiten Wählerstimmen zu machen», sagt Furter.

Doch wie offen sind die Schweizerinnen und Schweizer denn heutzutage tatsächlich gegenüber Homosexuellen? Eine Umfrage des Forschungsinstitutes GFS im Auftrag verschiedener Menschenrechtsorganisationen ergab 2024, dass 70 Prozent der Bevölkerung finden, es sei ein Menschenrecht, seine sexuelle Orientierung zu leben – 22 Prozent stimmten dem zumindest teilweise zu, nur 6 Prozent waren dagegen.

Aber im Detail zeigte sich die Bevölkerung kritischer: Zwar gaben nur 1 bis 2 Prozent an, dass sie eine ablehnende Haltung gegenüber schwulen oder lesbischen Personen hätten. Doch nur 40 Prozent der Bevölkerung sagten andererseits, sie seien lesbischen oder schwulen Personen gegenüber positiv eingestellt und würden die rechtliche Gleichstellung befürworten. (Bei trans oder non-binären Personen war das nur zu 15 Prozent der Fall.)

People demonstrate at the Zurich Pride parade in Zurich, Switzerland, with the slogan "Dare. Marriage for all, now!" (Trau Dich. Ehe fuer alle. Jetzt!) for the rights of the LGBTIQ community ...
Es sei jedoch nicht einfach geworden in der Schweiz als Homosexuelle Person zu leben. (Symbolbild)Bild: keystone

22 Prozent fanden, dass Menschen ihre sexuelle Orientierung nicht in der Öffentlichkeit zeigen sollten. Und 5 Prozent haben immer noch ein Problem damit, wenn ihre Pflegeperson lesbisch ist, und 29 Prozent halten es für unerfreulich, wenn sich zwei Männer auf der Strasse küssen. Nimmt man die Antwort «teilweise unerfreulich» hinzu, störten sich sogar 49 Prozent an dem Anblick – im Jahr 2024.

«Ein konservativeres Klima ist zu spüren»

So die aktuelle Situation. Obwohl weder Töngi noch Bötsch oder Furter Anzeichen für mehr Anfeindungen von Homosexuellen in der Schweizer Bevölkerung sehen, so kamen doch alle drei ungefragt auf einen «Backlash» zu sprechen. «Einfacher wurde es nicht», sagt Bruno Bötschi, «wir sehen bei Bluenews jedenfalls mehr Hasskomentare zu LGTBQ-Themen.» Und Michael Töngi sagt: «Ein konservativeres Klima ist zu spüren. Man kommt heute schneller als früher in eine hässliche Diskussion rein.»

Daniel Furter von Pink Cross sagt, in der Bevölkerung sei die Realität eine andere als in der Politik und verweist auf die neuste GFS-Umfrage im Auftrag der Schwulenorganisation Pink Cross im Frühling 2025: 69 Prozent der Bevölkerung zeigten sich darin besorgt, dass schwule, lesbische, bisexuelle und trans Menschen aktuell vermehrt Diskriminierung erfahren. 83 Prozent fanden, dass Mitglieder von LGBT in allen Bereichen des Lebens gleichgestellt und vor Diskriminierung geschützt sein sollten. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese (Ex-)Fussballer haben sich als homosexuell geoutet
1 / 11
Diese (Ex-)Fussballer haben sich als homosexuell geoutet
Josh CavalloDer Australier outete sich im Oktober 2021 als homosexuell. «Ich bin stolz, dass ich heute öffentlich sagen kann, dass ich schwul bin. Es war eine lange Reise, um an diesen Punkt in meinem Leben zu kommen, aber ich könnte nicht glücklicher sein», so der Mittelfeldspieler.
quelle: keystone / brendon thorne
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Nemos Auftritt an der Pride
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
128 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Idealisst, Fabulisst, Alchemisst
26.12.2025 20:35registriert Januar 2014
Es ist wirklich beschämend, dass man über dieses Thema in der heutigen Zeit noch Umfragen machen muss und Artikel darüber schreibt. Das müsste ungefähr so unbestritten sein wie die Frage, ob alle Menschen das Recht auf einen Zmorgekaffi haben.
18224
Melden
Zum Kommentar
avatar
suppenteller73
26.12.2025 20:32registriert Oktober 2025
Wahrscheinlich werde ich nie verstehen, wieso sich Menschen bedroht fühlen, wenn sie Menschen mit anderer sexueller Orientierung sehen.

Oder geht es nur um sichtbaren Zärtlichkeitaustausch wie Küssen, der stört? Also auch bei Heterosexuellen?

Oder handelt man aus Nächstenliebe, weil man Angst hat, dass diese Person nicht ins Paradies kommt?

Oder hat man Angst vor einer Ansteckung, welche die Sexualität umpolt?

Oder ist man sowieso unzufrieden und ist darum gegenüber allen hässig?

Oder Angstzustände selbst LGBTQ zu sein?

Kann jemand helfen?
12116
Melden
Zum Kommentar
avatar
SpitaloFatalo
26.12.2025 20:43registriert März 2020
Da haben wir‘s. „Keine Häufung von Personen arabischer Herkunft“. Also hat Berlin kein Problem mit einer bestimmten Religion? Dort wo der Islam noch klar in der Minderheit ist, z. B. in den meisten Orten der Schweiz, tut man viel, um nicht aufzufallen. Ist man aber erstarkt, wie in Berlin, sieht es anders aus. Danach sollte man diese Religion beurteilen.
12845
Melden
Zum Kommentar
128
Jugendliche klauen 9 Motorräder in Cazis GR – und werden in Frankreich verhaftet
Vier 17-jährige Diebe haben in der Nacht auf Dienstag in Cazis GR unter anderem einen Lieferwagen und neun Motorräder aus drei Industriebetrieben gestohlen.
Daraufhin wurden sie in Frankreich unweit des Grenzübergangs festgenommen. Neben den Motorrädern und dem Lieferwagen, entwendeten die Jugendlichen auch ein Kontrollschild, Helme sowie Bargeld, wie die Kantonspolizei Graubünden am Mittwoch mitteilte.
Zur Story