Für die SP-Politikerin Min Li Marti ist klar:
Auch hält sie den Journalismus «für demokratierelevant». Lasse er sich nicht mehr finanzieren, werde das zu grösseren Problemen führen. «Das gilt insbesondere für die lokale Ebene.»
Ähnliches betont auch der grüne Nationalrat Michael Töngi. «Den Grünen ist klar», sagt er, «dass die Medien aufgrund der hohen Werbeverluste hin zu Google, Facebook und anderen in grossen Schwierigkeiten sind.»
Doch dem engagierten Plädoyer für die Medien zum Trotz: Marti wie Töngi stehen dem Leistungsschutzrecht kritisch gegenüber. Es sei «nicht zielführend», um die Probleme der Medien zu lösen, sagt Marti. «Medien profitieren von der Reichweite durch die Plattformen.» Und Töngi hält fest: «Es gibt eine grosse Skepsis, ob das Leistungsschutzrecht der richtige Weg ist. Die Medienverlage lassen ihre Inhalte freiwillig von Suchmaschinen indexieren. Offensichtlich ist der Vorteil grösser, auf Google zu erscheinen als abwesend zu sein.»
Martis Kritik hat Gewicht, da die Vorlage von SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider stammt. Diese hat sie allerdings von Vorgängerin Karin Keller-Sutter geerbt. Google, Facebook und Co. sollen die Schweizer Medienhäuser dafür entschädigen, dass sie deren journalistischen Inhalte übernehmen. Die Idee hat keinen leichten Stand bei den Parteien. Nur die Mitte stimmt dem Leistungsschutzrecht deutlich zu. Die SVP lehnt sie ebenso klar ab. Alle anderen Parteien – FDP, GLP, SP und Grüne – sind gespalten. In diesen Parteien finden noch interne Diskussionen statt. Die Vernehmlassung dauert bis zum 15. September.
Der Bundesrat will das Urheberrecht mit dem Leistungsschutzrecht anpassen. Auf Suchmaschinen und sozialen Medien sind die Text- und Bildvorschauen - sogenannte Snippets - nicht geschützt. Die Online-Dienste sollen den Medienhäusern deshalb eine Vergütung zahlen. Fair wären 154 Millionen Franken, schätzt eine Studie des Verbands Schweizer Medien.
Vergütungspflichtig wären Portale, die pro Jahr mindestens zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung als User ausweisen. Das würde Dienste betreffen wie Google, Linkedin, Tiktok, Twitter, Xing und Youtube.
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen erteilt dem Vorschlag eine Absage.«Niemand ist überzeugt von der Wirksamkeit und Umsetzbarkeit dieses Mittels», sagt er. «Es ist ein verzweifelter und hilfloser Versuch des Verbands Schweizer Medien, um Geld zu beschaffen.» Das Leistungsschutzrecht bringe qualitativ nichts, die erstatteten Beträge wären marginal und Schweizer Medienartikel drohten schwerer gefunden zu werden – «eine klare Loose-loose-Situation».
Wasserfallen hat eine Interpellation dazu eingereicht und stellt dem Bundesrat kritische Fragen. Mitglieder aller Fraktionen haben sie unterschrieben, auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli.
Wasserfallen sagt, es gebe keine schützenswerten Textauszüge. GLP-Nationalrat Jörg Mäder argumentiert ähnlich:
Wasserfallen wie Mäder halten fest, Google werde auf ein Leistungsschutzrecht mit Anpassungen des Algorithmus reagieren, um keine Gebühren bezahlen zu müssen.
Klar gegen das Leistungsschutzrecht ist die SVP. «Es gibt bereits ein Gesetz, das die Urheberrechte schützt», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi. «Zudem kann jeder Verleger seine Informationsangebote sichern, indem er sie nicht gratis ins Netz stellt.» Er sieht im neuen Recht ein «grenzüberschreitendes bürokratisches Monster».
Nicht beunruhigt über die kritischen Stimmen zeigt sich der Verlegerverband Schweizer Medien. «Die Parteien sind aktuell in der Positionsfindung», sagt Geschäftsleiter Stefan Wabel.
Wabel denkt an FDP-Präsident Thierry Burkart und die FDP-Ständeräte Hans Wicki und Josef Dittli, die SVP-Ständeräte Hannes Germann und Jakob Stark, GLP-Nationalrat Roland Fischer, SP-Nationalrat Matthias Aebischer und an die grüne Nationalrätin Lisa Mazzone.
Das Leistungsschutzrecht sei keine Erfindung der Schweizer Verleger, betont Wabel.
Die Gegner des Leistungsschutzrechts hingegen raten zu anderen Lösungen. FDP-Nationalrat Wasserfallen empfiehlt den Verlegern Kooperationsverträge mit den Anbietern von Suchmaschinen. GLP-Nationalrat Mäder findet, Medienschaffende und bestimmte Medienformate könnten über eine Abgabe bei allen Werbungen gefördert werden.
Der Grüne Töngi hatte schon 2019 eine Digitalabgabe auf dem Umsatz gefordert, den Internetplattformen in der Schweiz erzielen, die Schweizer Medieninhalte kostenlos zugänglich machen. Das wär noch heute eine umsetzbare Idee, sagt er. Nur: Der Nationalrat lehnte sie ab.
Das will aber natürlich niemand, da es natürlich Leser und Klicks kostete. Was die Branche hier will, ist quasi eine Abnahmeverpflichtung - ein garantiertes Grundeinkommen für Schreiberlinge. Dass dies nicht unbedingt der Qualität zu Gute käme, liegt wohl auf der Hand.
In der Schweiz ist das gleiche Vorgehen zu erwarten. Google und Meta können problemlos ohne Links auf Schweizer Medien existieren. Sie können die Verlinkung aufheben, bis die Verleger auf Knien um eine Wiederherstellung des alten Zustands betteln.