Die Schweiz ist zunehmend im Visier der organisierten Kriminalität. Das betrifft auch den gewerbsmässigen Menschenschmuggel, den am schnellsten wachsenden kriminellen Markt in Europa. Wie stark die Schweiz betroffen ist, zeigt ein Bericht des Bundesamtes für Polizei.
Der Bericht vom November dieses Jahres, der jenen von 2014 ersetzt, führt laut einer Mitteilung des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) vom Mittwoch aus, wie internationale Krisen und wachsende Migrationsströme die Aktivitäten von Schleusern antreiben. Gemäss Europol operieren derzeit 54 Schleppernetzwerke in Europa.
Die Schweiz ist dabei Transit- und Zielland. Schleppernetzwerke nutzen die zentrale geografische Lage der Schweiz, um Migrantinnen und Migranten auf teilweise lebensgefährliche Weise über die Grenze zu transportieren. Sichtbar wird diese verborgene Kriminalität laut Fedpol oft erst bei Kontrollen oder nach tragischen Zwischenfällen.
So wurden im Jahr 2022 bei einer Polizeikontrolle in Nidwalden 23 Menschen aus Afghanistan, Indien, Syrien und Bangladesch aus einem überfüllten Lieferwagen befreit. Sie hatten mehrere Stunden unter widrigsten Bedingungen ausharren müssen.
Der Bericht zeigt laut dem Bundesamt für Polizei auf, dass der Menschenschmuggel in der Schweiz in Einzelfällen gezielt und erfolgreich, jedoch nicht systematisch und flächendeckend effektiv bekämpft wird.
Das liege daran, dass sich die Bekämpfung des Menschenschmuggels in der Schweiz komplex gestalte. So liege die Strafverfolgungskompetenz grundsätzlich bei den Kantonen; allerdings könne bei unklarer Zuständigkeit oder besonderen internationalen Verbindungen das Fedpol erste polizeiliche Ermittlungen aufnehmen. Ergebe sich daraus eine Bundeszuständigkeit, könne auch die Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnen. Präventive und kooperative Massnahmen erforderten jedenfalls kantons- und behördenübergreifende Zusammenarbeit.
Laut Fedpol hat die EU ihre Anstrengungen zur Bekämpfung dieser organisierten Kriminalität kontinuierlich verstärkt. Neue Gesetzgebungen und der EU-Aktionsplan 2021–2025 sollen den Informationsaustausch und die polizeiliche Zusammenarbeit gegen Menschenschmuggel und -handel fördern. In diese Bemühungen ist die Schweiz als Schengen-Mitgliedsland eng eingebunden.
Das Angebot der Menschenschmuggler ist gemäss dem Bericht vielfältig. So gibt es Direkt- oder Etappenschleusungen, Luxusschleusungen, Schleusungen auf dem Luft-, Land- oder Seeweg, Schleusungen in Fahrzeugen über offizielle Grenzstellen und ausgestattet mit gefälschten Dokumenten oder zu Fuss über die grüne Grenze. Die Kosten für eine Schleusung reichen von mehreren hundert bis zu mehreren tausend Franken.
Migrationsbewegungen habe es seit jeher gegeben, gibt das Fedpol zu bedenken. Allerdings stelle die internationale Migration heute mehr denn je eine globale Herausforderung dar. Im Jahr 2020 lebten demnach schätzungsweise 281 Millionen Menschen nicht in ihrem Geburtsland. Das sind etwa 128 Millionen mehr als 30 Jahre zuvor.
Die Begriffe Menschenschmuggel und Menschenhandel werden laut Fedpol oft miteinander verwechselt. Während Menschenhandel ein Verbrechen gegen eine Person bezeichnet, ist gewerbsmässiger Menschenschmuggel von Gesetzes wegen ein Verbrechen gegen einen Staat beziehungsweise gegen dessen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen.
Und während Menschenschmuggel immer grenzüberschreitender (transnationaler) Natur sei, könne Menschenhandel, bei dem es oft um individuelle Ausbeutung jeglicher Art gehe, auch innerhalb desselben Staates stattfinden. (rbu/cma/sda)