Steigende Zahlen, eine Intervention der parlamentarischen Aufsicht und nun erneut der Vorwurf aus Deutschland, die Schweiz kontrolliere ihre Grenze zu wenig und lasse Geflüchtete einfach wieder ausreisen: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Asyl-Situation in der Schweiz.
Die UNO zählt aktuell 6.2 Millionen Vertriebene innerhalb der Ukraine. Weitere 4.4 Millionen Menschen haben das kriegsversehrte Land bereits verlassen. Die Schweiz hat bislang 66'952 Personen den Schutzstatus S verliehen. Bei weiteren 2000 Personen ist dieses Verfahren hängig, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Twitter schreibt. Seit einigen Monaten sind die Zahlen damit auf hohem Niveau ziemlich stabil.
Freitag, 28. Oktober – die aktuellen #UkraineInfoCH-Zahlen:
— SEM (@SEMIGRATION) October 28, 2022
- 69'339 Status-S-Anträge
- 66'952 Personen haben den Status S erhalten
- Bei 5'166 Personen wurde der Status S beendet, bei 1'293 ist die Beendigung in Prüfunghttps://t.co/kN6j6s4coQ pic.twitter.com/Z5VeEA1cG7
Darauf gibt es zur Zeit keine eindeutige Antwort, weil sich der Kriegsverlauf in der Ukraine nur schwer voraussagen lässt. «Bis Ende Jahr könnten tatsächlich 80'000 bis 120'000 Schutzsuchende aus der Ukraine bei uns sein», sagte Christine Schraner Burgener am Samstag im «Blick». Diese Zahlen seien «enorm», so die SEM-Chefin. «Wir sind in der grössten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.»
Mit diesem S-Status können Ukrainerinnen und Ukrainer unbürokratisch in der Schweiz aufgenommen werden. Gemäss Bundesrat gilt dieser Status vorerst unbefristet, ein Enddatum wurde nicht festgelegt. Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte dazu jüngst, klar sei nur, dass die Ausweise jeder Person nach einem Jahr erneuert werden müssten. Dies betreffe aber nicht deren Status. Ein Jahr nach der Einführung des Schutzstatus S kann der Bundesrat diesen widerrufen. Verzichtet er darauf, laufe das Aufnahmeprogramm wie gehabt weiter. Das SEM schreibt dazu: «Die Schweiz wird sich hierbei mit den Schengen-Staaten koordinieren.» Der Schutzstatus S sei «rückkehrorientiert».
Da die Zahl der Asylgesuche in den ersten neun Monaten deutlich anstieg, hat das SEM seine Jahresprognose am Mittwoch auf mindestens 22'000 angehoben. Asyl-Chefin Schraner Burgener spricht sogar bereits von 24'000 Gesuchen. Zum Vergleich: Noch im Sommer rechnete das SEM für 2022 mit 19'000 Asylgesuchen. Trifft die jüngste Prognose ein, würde sich die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz also innert Jahresfrist verdoppeln.
Nebst der Aufforderung an die Kantone, rasch zusätzliche Möglichkeiten zur Unterbringung bereit zu stellen, hat der Bund angekündigt, Asylverfahren von Personen aus Afghanistan, den Maghreb-Staaten sowie aus Staaten ohne «Verfolgungssituation» weiter zu beschleunigen. Laut den aktuellsten Asylzahlen vom September stellen Afghaninnen und Afghanen die meisten Gesuche, gefolgt von Menschen aus der Türkei und aus Syrien. Afghanistan liegt seit der Taliban-Machtübernahme auf Platz eins. Die Gesuchs-Zahlen aus der Türkei steigen seit 2021 markant an.
Die SVP lief mit ihrer Forderung zur Abschaffung oder Einschränkung des Schutzstatus S in der Herbstsession im Nationalrat auf. Zugleich kritisieren linke Kreise eine Ungleichbehandlung von Geflüchteten aus anderen Kriegsgebieten. Kritik also von allen Seiten. Jetzt wird die zuständige Subkommission der Geschäftsprüfungskommission der eidgenössischen Räte aktiv, bestätigt deren Präsident Alfred Heer gegenüber CH Media.
Das Aufsichtsgremium will sich bereits am Montag «über die besorgniserregende Entwicklung der Asylzahlen, welche schon lange abzusehen waren, und der damit einhergehenden Schwierigkeiten durch die Staatssekretärin des SEM informieren lassen». Denn, so der Zürcher SVP-Nationalrat im «SonntagsBlick»: «Es herrscht ein Notstand und die Kosten explodieren.»
Der grösste Teil der aktuellen Zusatzkosten im Asylwesen ist auf die ukrainischen Flüchtlinge zurückzuführen. Mehr S-Status-Flüchtlinge und mehr Asylgesuche generell lassen zudem die Kosten für Integration und Administration ansteigen.
Das betrifft vor allem junge Afghanen. Für sie ist offenbar nicht die Schweiz das Ziel, sondern Deutschland oder Frankreich - teilweise gar Grossbritannien. Die Schweiz ist für sie also ein Durchreiseland. Nach einer Kontrolle der Personalien durch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit ziehen sie jedenfalls weiter, ohne ein Asylgesuch zu stellen.
Die Kantonspolizei St. Gallen erlaubt die Weiterreise. Ihr fehle für eine weitere Festhaltung die Rechtsgrundlage, teilt sie mit. Wie das SEM am Sonntag mitgeteilt hat, erteilt jedoch «keine der involvierten Stellen» illegal eingereisten Migrantinnen und Migranten Instruktionen, wohin sie gehen sollen. Wer ein Asylgesuch stelle, werde vom SEM einem Bundesasylzentrum zugewiesen und erhalte ein ordentliches Verfahren.
Namentlich aus Deutschland wird Kritik am Schweizer Vorgehen laut. «Wenn diese Berichte zutreffen, betreibt die Schweiz ein reines Durchwinken», zitiert die «NZZ am Sonntag» Andrea Lindholz, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Das deutsche Bundesamt für Migration wertet das Vorgehen der Schweiz sogar als Verstoss gegen das Dublin-Abkommen. Das SEM schreibt dazu: «Die Schweiz verletzt weder das Dublin-Assoziierungsabkommen noch das Ausländer- und Integrationsgesetz.» Zudem könnten weder SEM noch Zoll noch Polizei den SBB vorschreiben, wer in Zügen fährt. Besitze jemand ein Billett, gelte die Beförderungspflicht. (aargauerzeitung.ch)
ein „Durchwinken“ betreiben alle Länder (die einen bewusster). Das Land Schweiz kennen die Allerwenigsten und wir sind selten Zielland. Das ist immer dort, wo bereits eine grössere Diaspora ist.
Die Kosten explodieren primär weil jede Person Sozialhilfe erhält und ein Dach über dem Kopf braucht. Wir haben dieses Jahr alleine 15 neue Unterkünfte dazugemietet.
Die Qualität der Betreuung/Integration leidet, vor allem wegen Personalmangel. Allerdings sind Ukrainer viel selbständiger und finden schnell arbeit.