Drogendealer, die auf privaten Grundstücken herumlungerten, junge Asylbewerber, die in den Quartierstrassen Frauen belästigten, zahlreiche Einbrüche und immer wieder Lärm mitten in der Nacht: 2012 war die Situation im Wohnquartier rund um das Buchser Erstaufnahmezentrum «Casa Torfeld» unhaltbar. Das schrieben die Nachbarn des Flüchtlingsheims in einem Brief an den Kanton. 203 Personen hatten unterzeichnet.
Die Lage, das betonten die Unterzeichner auch in einer Aussprache mit dem Stadtrat, den kantonalen Behörden und der Polizei, war ernst. So ernst, dass sich die Casa-Torfeld-Nachbarn überlegten, eine private Bürgerwehr auf die Beine zu stellen, falls die Behörden nicht handeln würden.
Die drei zentralen Forderungen der Casa-Torfeld-Anwohner: 1. Das Flüchtlingsheim soll umzäunt werden, um zu verhindern, dass Diebesgut an den Eingangskontrollen vorbeigeschmuggelt wird. 2. Sicherheitsdienste sollen regelmässig im Quartier patrouillieren. 3. Im Erstaufnahmezentrum sollen nur noch Familien und keine alleinreisenden Männer mehr untergebracht werden.
Den Brief aufgesetzt hatten die beiden Anwohner Kurt Lindegger und Martin Gasser. «Wir machten deutlich, dass das Quartier nicht länger ein rechtsfreier Raum bleiben darf», sagt Lindegger heute. Mit der Ankündigung, andernfalls eine Bürgerwehr zu organisieren, war es dem pensionierten Kriminalpolizisten ernst. «Hätten die Behörden nicht gehandelt, dann wären wir am 1. Januar 2013 bereitgestanden. Wir hätten das voll durchgezogen», betont Lindegger. So weit kam es nicht.
Drei Tage nach dem Gespräch mit den Behörden wurde die Securitas-Präsenz im Quartier erhöht. Heute ist der private Sicherheitsdienst rund um die Uhr vor Ort. Ein knappes Jahr später, im Herbst 2013, wurde auch der geforderte Zaun um das «Casa Torfeld» hochgezogen. Einzig auf den von den Anwohnern geäusserten Wunsch, dass nur noch Familien im Erstaufnahmezentrum untergebracht werden sollen, ging der Kanton nicht ein. Derzeit leben im «Casa Torfeld» 77 alleine reisende Männer und 76 Personen in Familienverbänden, die meisten von ihnen Afghanen, Syrer und Iraker.
Wie ist die Stimmung im Quartier heute, vier Jahre nach der Bürgerwehr-Drohung? Sorgen der Zaun und die Securitas für die gewünschte Ruhe und Ordnung? «Ja», betont Kurt Lindegger. «Wir haben heute praktisch keine Probleme mehr, auch nicht mit den nach wie vor hier untergebrachten alleine reisenden jungen Männern.»
Das sieht auch Martin Gasser so. «Die Situation im Quartier hat sich markant verbessert.» Er fragt sich zwar ganz grundsätzlich, wie sinnvoll es sei, Flüchtlinge mitten in einem Wohnquartier unterzubringen. Andererseits hätten hier schon immer verschiedene Kulturen nebeneinander gelebt, erzählt Gasser, der im Quartier aufgewachsen ist. «Verändert hat sich über die Zeit nur die Herkunft unserer Nachbarn. Als ich jung war, lebten im ‹Casa Torfeld› italienische Gastarbeiter, heute sind es Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten.»
Das Einzige, was ihn an den fremdländischen Nachbarn manchmal stört, ist die nächtliche Telefoniererei. «Es kommt ab und zu mal vor, dass wir nachts erwachen, weil jemand sehr laut vor unserem Haus telefoniert», erzählt Gasser. Störend war das vor allem im vergangenen Sommer, als ein Teil der Flüchtlinge in Zelten knapp 50 Meter von seinem Haus entfernt wohnte.
Mehr als nur den Schlaf geraubt haben die Flüchtlinge Peter Ryser, der in der Nachbarschaft ein Sanitärgeschäft betreibt. Zwischen 2011 und 2013 wurde insgesamt viermal bei ihm eingebrochen, zweimal waren die Einbrecher nachweislich Asylbewerber. «Weg kamen Laptops, Taschenrechner, Lasermessgeräte und Telefone: Alles Dinge, die so aussehen, als könne man sie schnell zu Geld machen», erzählt Ryser. Nachdem die Zäune rund um das «Casa Torfeld» im Herbst 2013 installiert worden sind, gab es im Quartier keine Diebstähle mehr.
Während eines Augenscheins vor Ort wirkt das Torfeld wie ein ganz normales, ruhiges Wohnquartier. Man grüsst sich gegenseitig und wechselt nicht die Strassenseite, wenn einem die «anderen» entgegenkommen. Im Hof des Erstaufnahmezentrums spielen Kinder Versteckis, Kleider hängen zum Trocknen in der Frühlingssonne, junge Männer sitzen auf dem Pingpong-Tisch und starren auf ihre Smartphones, zwei Securitas stehen neben dem Eingang und aus dem Abfallcontainer hinter dem Zaun lugt der Schwanz eines grünen Plüschkrokodils hervor.
Stutzig macht einzig Kandid Meierhans, der in einem der angrenzenden Gärten steht und frisch geschnittene Weidenzweige zu einem Schutzwall zusammenbindet. Er legt den Fuchsschwanz zur Seite und tritt zum gwundrig fragenden Journalisten an den Gartenhag. Wieso bauen Sie in Ihrem Garten einen Weidenzaun, Herr Meierhans? Wollen Sie sich abschotten? Der Pensionär lacht und streicht sich mit den Gartenhandschuhen über die Stirn. «Jesses, nein, das will ich nicht», sagt er. «Den Zaun baue ich, damit unser Hund im Frühling nicht wieder im Gemüsebeet buddelt!»
Mit den Flüchtlingen hatte Meierhans nie Schwierigkeiten. «Das sind nette Menschen, wir grüssen uns», sagt er. Das einzige Problem: Die Flüchtlingskinder, die oft bis spätabends ohne Aufsicht mit ihren Trottinetts vorne an der grossen Strasse herumkurven. «Das ist nicht ungefährlich.» Doch Meierhans versteht die Kinder. Er würde auch nicht den ganzen Tag in einem eingezäunten Garten spielen wollen, sagt er, und macht sich wieder an die Arbeit.
Das ist, auf einen kurzen Nenner gebracht, die langatmige Botschaft des etwas umständlich hochstilisierten Artikels.