Die Schweizer Open Airs und Festivals haben sich nach der Aufhebung der Coronamassnahmen 2022 relativ schnell erholt. Das Publikum kam in Strömen und feierte die Rückkehr ausgelassen. Ganz anders ist die Situation bei den Musikclubs. Auch anderthalb Jahre nach dem offiziellen Ende der Pandemie läuft es harzig. Gegenüber der Zeit vor Corona verharrt der Publikumsaufmarsch bei rund 80 Prozent.
Zu schaffen macht den Konzertclubs vor allem der Nachwuchs. Die junge St. Gallerin Joya Marleen ist die einzige Sängerin, die sich in den letzten Jahren durchsetzen konnte und heute regelmässig ausverkaufte Konzerte gibt. Der Basler Sänger Zian ist immerhin auf gutem Weg. Aber sonst erreichen neue Acts gemäss Marco Liembd von der Schüür in Luzern nur selten dreistellige Zuschauerzahlen. Volle Hütte bei Hecht & Co. – gähnende Leere bei jungen Bands und Newcomern. Es ist die verlorene Generation.
Die Newcomer sind die grössten Corona-Opfer der Musikbranche. Während der Pandemie durften sie sich nicht präsentieren, danach hatten sie gegen die etablierten Acts einen schweren Stand. Sie litten am stärksten unter den coronabedingten Verschiebungen und dem daraus resultierenden gewaltigen Überangebot. Die Schere zwischen etablierten und neuen Bands hat sich seither noch stärker geöffnet.
Neues hatte es schon immer schwer. Orientieren sich die meisten Leute doch am Bekannten. Die neue Generation an Newcomern wie Riana, Leila, Dana & Co. hat es aber ungleich schwerer, weil ihnen das gleichaltrige Publikum weitgehend fehlt.
Die Hauptgründe sieht Liembd auch hier in der Pandemie. «Die Jugendlichen, die während den Coronajahren 16 wurden, sind nicht mit Musik und Konzerten sozialisiert worden», sagt Liembd. Diese Generation der 16- bis 24-Jährigen hat ein anderes Freizeitverhalten entwickelt. Ihnen fehlt aber auch die Erfahrung einer Auseinandersetzung mit Musik. Deshalb bleiben sie auch heute den Musikclubs fern. Die verlorene Generation.
«Wo sind die Jungen, die ganz Jungen und wie erreichen wir sie?», das ist auch die grosse, entscheidende Frage für Daniel Kissling vom KIFF Aarau. Denn sie wären es, die am ehesten auch die jungen Bands hören und unterstützen sollten. Gemäss Kissling sucht man sie sogar an Tanzpartys vergebens. «Wir arbeiten daran, diese Generation zu holen. Aber vielleicht müssen wir mit dieser Lücke leben und uns darauf konzentrieren, die nachfolgende Generation zu gewinnen», sagt Kissling.
Aber auch bei jungen Musikerinnen und Musikern bewegt sich wenig. «Wir haben Mühe, Supportacts aus der Region zu finden. Das Bedürfnis, aktiv Musik zu machen, ist offenbar gesunken», sagt Kissling, «wäre ich während der Pandemie 16 gewesen, wäre ich drei Jahre im Probekeller gewesen». Die grosse Corona-Sensation hat er jedenfalls bis heute nicht entdeckt. Es ist ein Teufelskreis. Womöglich ist diese Generation für den Schweizer Konzertbetreiber für immer verloren.
Sorgen bereiten den Clubs auch die sogenannten No-Shows. Dieses Phänomen, das wir aus der Gastronomie und Tourismusbranche kennen, nimmt auch in der Konzertbranche bedenklich zu. Es sind Leute, die trotz gekauftem Ticket nicht zum Konzert erscheinen. In der Schüür sind es bei einem ausverkauften Konzert mit 700 Besuchenden rund 50, die ihr Ticket nicht einlösen. Es ist ein weiteres Warnzeichen dafür, dass Einzelkonzerte in Clubs an Attraktivität verloren haben.
Kissling denkt denn auch schon weiter. Vielleicht ist die Konzertabstinenz der heutigen Jugend ein erstes Symptom einer aufkommenden Konzertkrise. Das Rockkonzert hat sich seit seiner Erfindung in den 1960er-Jahren kaum verändert. «Vielleicht ist es an der Zeit, über neue Konzertformen in der Pop- und Rockmusik nachzudenken», sagt Kissling. Die Open Airs, die nach wie vor grossen Zuspruch haben, machen es schliesslich vor. Sie profitieren von ihrem Happening- und Erlebnischarakter.
Vielleicht müssen sich die Clubs mit Ein- und Zweitages-Festivals auch in diese Richtung bewegen. «Wir müssen den Leuten mehr bieten als ein blosses Konzert. Clubs müssen zu einem Ort der Begegnung werden. Zu einem Ort, an dem ich Gleichgesinnte treffe», sagt Kissling.
Musikclubs bilden das Fundament der hiesigen Pop- und Rockszene. Geht es ihnen gut, geht es auch der Branche gut. Umso wichtiger ist deren Entwicklung. 2024 ist ein entscheidendes Jahr für die Clubs und für die Popbranche. «In einem Jahr muss die Normalität hergestellt sein», sagt Liembd, «andernfalls kommt es zum grossen Clubsterben». Gefordert ist dabei auch die Politik. Denn ohne Förderung und Unterstützung geht es nicht. Es geht um die fundamentale Frage, welche Rolle die Popkultur in der Gesellschaft und in der Kulturförderung spielen soll. (aargauerzeitung.ch)
Ich lese den Text und sehe eher, dass die Clubs und Veranstalter mühe haben, ihr Businessmodell zu betreiben.
Musikmachende kommen hier nicht zu Wort.