Der Schweizer Nationalrat hat am Montag eine «Erklärung» beschlossen, in der er die russische Aggression in der Ukraine verurteilt. Die Erklärung lieferte Potenzial für ein politisches Erdbeben: Sie forderte vom Bundesrat, sich den wirtschaftlichen Sanktionen der EU gegen Russland anzuschliessen.
Alle Parteien, mit Ausnahme der SVP, unterstützten diesen Antrag: Ein deutliches «Ja» aus der Volkskammer der Eidgenossenschaft wäre einer deutlichen Ohrfeige gegen den Bundesrat gleichgekommen. Die Landesregierung verhinderte dies jedoch: Kurz nach 14.30 Uhr – also zeitgleich mit dem Beginn der Parlamentssitzung – kommunizierte er die Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz.
Die Ohrfeige blieb ihm also erspart. Eine wuchtige Niederlage kassierte einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP): Sie scheiterte mit ihrem Nein-Antrag nach einer längeren Debatte, in der ein Parteivertreter nach dem anderen seine Position dargelegt hatte. Wir zeigen hier die Argumente der Parteispitzen und wie die Volksvertreterinnen und Volksvertreter abgestimmt haben.
Die SVP-Fraktion durfte als grösste Parlamentsgruppe als erstes reden. Ihre Nationalrätinnen und Nationalräte stellten nicht nur den Rückweisungs- und Ablehnungsantrag – sie wünschten sich auch eine Abstimmung über jeden einzelnen Punkt der «Erklärung», was auch nicht klappte. Für die SVP sprachen Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) und der Zürcher Nationalrat Gregor Rutz. Wir zitieren hier den letzteren:
Aeschi holte später zum politischen Rundumschlag aus und thematisierte die CO2-Vorlage, die Politik von Bundesrätin Simonetta Sommaruga, den F-35-Kampfjet und die mögliche Mitgliedschaft der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat aus Sicht des Kriegs in der Ukraine.
Mitte-Chef Gerhard Pfister griff als erster von vielen Rednerinnen und Rednern zu historischen Vergleichen. Er erinnerte an die humanitäre Leistung der Schweiz während der kommunistischen Flüchtlingskrise und verlangte von der Eidgenossenschaft, für ihre Werte einzustehen.
Für die FDP-Fraktion sprachen der Zürcher Nationalrat Andri Silberschmidt und der Neuenburger Nationalrat Damien Cottier. Wir zitieren Silberschmidt:
Die Grüne Fraktionschefin und Berner Nationalrätin Aline Trede hielt eine mehrsprachige Rede – darunter auch auf Ukrainisch. Die Protokollantinnen und Protokollanten schafften es nach einiger Zeit, auch die Fremdsprache abzutippen.
Die Grünliberale Fraktionschefin Tiana Angelina Moser kritisierte in ihrer Rede den zögernden Bundesrat. Er habe den Ernst der Lage nicht erkannt oder schlicht die notwendigen Informationen nicht gehabt. Beides habe dazu geführt, dass die Regierung damit der Glaubwürdigkeit der Schweiz schadete.
Die Co-Präsidentin der SP, Mattea Meyer, kritisierte den Bundesrat: Es sei «beschämend und unwürdig», dass es den Druck der Menschen und der internationalen Gemeinschaft gebraucht habe, damit der Bundesrat einlenkt. Schuld seien die Departementschefs des WBF (Guy Parmelin/SVP), EFD (Ueli Maurer/SVP) und EDA (Ignazio Cassis/FDP): Sie hätten es ermöglicht, dass die Oligarchen in der Zwischenzeit ihre Milliarden abziehen und mit Privatflugzeugen verreisen.
Nein: Addor (SVP/VS), Aeschi Thomas (SVP/ZG), Amaudruz (SVP/GE), Bircher (SVP/AG), Büchel Roland (SVP/SG), de Courten (SVP/BL), Dettling (SVP/SZ), Egger Mike (SVP/SG), Estermann (SVP/LU), Fischer Benjamin (SVP/ZH), Friedli Esther (SVP/SG), Giezendanner (SVP/AG), Glarner (SVP/AG), Graber (SVP/VS), Grüter (SVP/LU), Guggisberg (SVP/BE), Heer (SVP/ZH), Heimgartner (SVP/AG), Herzog Verena (SVP/TG), Hess Erich (SVP/BE), Huber (SVP/AG), Imark (SVP/SO), Keller Peter (SVP/NW), Köppel (SVP/ZH), Marchesi (SVP/TI), Martullo (SVP/GR), Matter Thomas (SVP/ZH), Nidegger (SVP/GE), Quadri (SVP/TI), Reimann Lukas (SVP/SG), Rösti (SVP/BE), Rüegger (SVP/OW), Rutz Gregor (SVP/ZH), Schläpfer (SVP/ZH), Schwander (SVP/SZ), Sollberger (SVP/BL), Steinemann (SVP/ZH), Strupler (SVP/TG), Tuena (SVP/ZH), Umbricht Pieren (SVP/BE), Wobmann (SVP/SO)
Enthaltung: Burgherr (SVP/AG), Geissbühler (SVP/BE), Grin (SVP/VD), Haab (SVP/ZH), Hurter Thomas (SVP/SH), Nicolet (SVP/VD), Walliser (SVP/ZH), Zuberbühler (SVP/AR)
Ja: Borloz (FDP/VD), Bourgeois (FDP/FR), Cattaneo (FDP/TI), Cottier (FDP/NE), de Montmollin (FDP/GE), de Quattro (FDP/VD), Dobler (FDP/SG), Farinelli (FDP/TI), Feller (FDP/VD), Fiala (FDP/ZH), Fluri (FDP/SO), Giacometti (FDP/GR), Gössi (FDP/SZ), Jauslin (FDP/AG), Lüscher (FDP/GE), Markwalder (FDP/BE), Moret Isabelle (FDP/VD), Nantermod (FDP/VS), Portmann (FDP/ZH), Riniker (FDP/AG), Sauter (FDP/ZH), Schilliger (FDP/LU), Schneeberger (FDP/BL), Silberschmidt (FDP/ZH), Vincenz (FDP/SG), von Falkenstein (FDP/BS), Walti Beat (FDP/ZH), Wasserfallen Christian (FDP/BE), Wehrli (FDP/VD), Bäumle (GLP/ZH), Bellaiche (GLP/ZH), Bertschy (GLP/BE), Brunner (GLP/SG), Christ (GLP/BS), Fischer Roland (GLP/LU), Flach (GLP/AG), Gredig (GLP/ZH), Grossen Jürg (GLP/BE), Mäder (GLP/ZH), Matter Michel (GLP/GE), Mettler (GLP/BE), Moser (GLP/ZH), Pointet (GLP/VD), Schaffner (GLP/ZH), Weber (GLP/VD), Andrey (Grüne/FR), Arslan (Grüne/BS), Badertscher (Grüne/BE), Baumann (Grüne/BE), Clivaz Christophe (Grüne/VS), de la Reussille (Grüne/NE), Egger Kurt (Grüne/TG), Fivaz Fabien (Grüne/NE), Girod (Grüne/ZH), Glättli (Grüne/ZH), Gysin Greta (Grüne/TI), Klopfenstein Broggini (Grüne/GE), Mahaim (Grüne/VD), Michaud Gigon (Grüne/VD), Pasquier (Grüne/GE), Porchet (Grüne/VD), Prelicz-Huber (Grüne/ZH), Prezioso (Grüne/GE), Python (Grüne/VD), Ryser (Grüne/SG), Rytz Regula (Grüne/BE), Schlatter (Grüne/ZH), Schneider Meret (Grüne/ZH), Töngi (Grüne/LU), Trede (Grüne/BE), Walder (Grüne/GE), Weichelt (Grüne/ZG), Wettstein (Grüne/SO), Binder (Mitte/AG), Bregy (Mitte/VS), Bulliard (Mitte/FR), Candinas (Mitte/GR), Glanzmann (Mitte/LU), Gmür Alois (Mitte/SZ), Gschwind (Mitte/JU), Gugger (Mitte/ZH), Hess Lorenz (Mitte/BE), Humbel (Mitte/AG), Kamerzin (Mitte/VS), Kutter (Mitte/ZH), Landolt (Mitte/GL), Lohr (Mitte/TG), Maitre (Mitte/GE), Müller Leo (Mitte/LU), Müller-Altermatt (Mitte/SO), Paganini (Mitte/SG), Pfister Gerhard (Mitte/ZG), Rechsteiner Thomas (Mitte/AI), Regazzi (Mitte/TI), Ritter (Mitte/SG), Roduit (Mitte/VS), Romano (Mitte/TI), Roth Pasquier (Mitte/FR), Schneider-Schneiter (Mitte/BL), Siegenthaler (Mitte/BE), Stadler (Mitte/UR), Streiff (Mitte/BE), Studer (Mitte/AG), Wismer Priska (Mitte/LU), Aebischer Matthias (SP/BE), Amoos (SP/VS), Atici (SP/BS), Barrile (SP/ZH), Bendahan (SP/VD), Birrer-Heimo (SP/LU), Crottaz (SP/VD), Dandrès (SP/GE), Fehlmann Rielle (SP/GE), Feri Yvonne (SP/AG), Fridez (SP/JU), Friedl Claudia (SP/SG), Funiciello (SP/BE), Graf-Litscher (SP/TG), Gysi Barbara (SP/SG), Hurni (SP/NE), Locher Benguerel (SP/GR), Maillard (SP/VD), Marra (SP/VD), Marti Min Li (SP/ZH), Marti Samira (SP/BL), Masshardt (SP/BE), Meyer Mattea (SP/ZH), Molina (SP/ZH), Munz (SP/SH), Nordmann (SP/VD), Nussbaumer (SP/BL), Piller Carrard (SP/FR), Pult (SP/GR), Roth Franziska (SP/SO), Schneider Schüttel (SP/FR), Seiler Graf (SP/ZH), Storni (SP/TI), Suter (SP/AG), Wasserfallen Flavia (SP/BE), Wermuth (SP/AG), Widmer Céline (SP/ZH), Wyss (SP/BS), Aebi Andreas (SVP/BE), Buffat (SVP/VD), Gafner (SVP/BE), Page (SVP/FR), von Siebenthal (SVP/BE)
Entschuldigt: Brenzikofer (Grüne/BL), Badran Jacqueline (SP/ZH), Gutjahr (SVP/TG) – die Präsidentin Kälin stimmt nicht ab.
(pit)