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Neuer Naturpark für die Schweiz: Deutliches Ja zum Parco Val Calanca

Neuer Naturpark für die Schweiz: Deutliches Ja zum Parco Val Calanca

Vier Gemeinden im südbündnerischen Calancatal haben an der Urne der Einrichtung eines regionalen Naturparks zugestimmt – dem ersten in der Südschweiz.
29.01.2023, 21:56
Gerhard Lob / ch media
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Das Abstimmungsergebnis vom Sonntag war deutlich. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der vier Gemeinden Buseno, Calanca, Rossa und Santa Maria sagten mit Ja-Anteilen zwischen 76 und 100 Prozent Ja zur Parkcharta. Damit kann der Parco Val Calanca definitiv für die Zeitspanne von 2024 bis 2033 eingerichtet werden.

Lagh da Calvaresc
Der «Herzli-See» Lagh de Calvaresc ist das Symbol des Parco Calanca.

Bisher hatte er nur den Status eines Kandidaten. Das Dossier geht nun nach Chur, danach wird das Bundesamt für Umwelt das Label offiziell vergeben, voraussichtlich gegen Ende Sommer, wie die Initianten in einer Medienmitteilung schreiben. Nach 10 Jahren wird die Bevölkerung erneut über die Frage abstimmen, ob der Parkstatus beibehalten wird. Einzig die Talgemeinde Castaneda ist nicht beteiligt. Sie will die Entwicklung verfolgen.

Überbleibsel des gescheiterten Nationalparkprojekts Adula

Das kleine und wilde italienisch-bündnerische Tal, das sich bei Grono im Misox rund 25 Kilometer in Richtung Norden erstreckt, wird mit diesem Votum zum ersten regionalen Naturpark der Südschweiz. Entstanden ist das Projekt Parco Val Calanca als Überbleibsel des gescheiterten Nationalparkprojekts Adula. Die Gemeinden des Calancatals hatten im November 2016 mit grosser Mehrheit (fast 80 Prozent) für den Nationalpark gestimmt, was das Scheitern des Parc Adula aber nicht verhinderte.

Die Bevölkerung des Calancatals sieht im Park eine bisher fehlende regionale Plattform zur Abwicklung und Vernetzung von Modellprojekten für eine nachhaltige Entwicklung. «Da Santa Maria dazu gestossen ist, sind wir nicht länger der kleinste Regionalpark der Schweiz, weil der Regionalpark Diemtigtal im Kanton Bern etwas kleiner ist, aber wir sind der Park mit den wenigsten Einwohnern, also der geringsten Bevölkerungsdichte», sagte Direktor Henrik Bang im Vorfeld der Abstimmung. Rund 550 Einwohnerinnen und Einwohner wohnen in den vier Dörfern.

Parkkategorien

Nationalpark, Naturpärke und Naturerlebnispärke
Der Bund fördert drei Kategorien von Pärken von nationaler Bedeutung: Nationalpärke, Regionale Naturpärke und Naturerlebnispärke. Die Regionalen Naturpärke bewahren traditionelle Kulturlandschaften und werten sie auf. Sie fördern nachweislich die Wertschöpfung der Region auf nachhaltige Weise. Eine intakte Natur und schöne Landschaften schaffen einen touristischen Mehrwert. Die lokale Landwirtschaft und Produktion wird gestärkt. Biosphärenreservate haben zusätzlich Aufgaben im Bereich der Forschung. In dieser Kategorie gibt es landesweit 17 Pärke (inklusive Calanca), davon die meisten in Graubünden (Naturpark Beverin, Parc Ela, Biosfera Val Müstair).
Die Naturerlebnispärke bieten in der Nähe von Städten Tieren und Pflanzen ungestörte Lebensräume und den Besuchern die einmalige Chance, eine intakte Natur zu erleben. In den Übergangszonen werden besondere Naturerlebnisse angeboten. Es gibt zwei Pärke dieser Art (Wildnispark Zürich Sihlwald, Naturerlebnispark Jora).
Die neuen Pärke, die seit 2008 in der Schweiz entstehen, stützen sich auf das Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG). Nicht gelungen ist es, auf Grundlage dieses Gesetzes einen Nationalpark der neuen Generation mit Kern- und Umgebungszonen zu verwirklichen. Zuletzt scheiterten die Projekte Parc Adula (2016) und Parco del Locarnese (2018), weil sich eine Mehrheit der beteiligten Gemeinden gegen eine Errichtung aussprach. Neue Projekte sind nicht in Sicht.
Für den 1914 im Engadin geschaffenen Schweizerischen Nationalpark besteht eine eigene Rechtsgrundlage.

«Wir wollen hier kein zweites Verzasca»

Sinn und Zweck des regionalen Naturparks ist unter anderem die Förderung eines nachhaltigen Tourismus. «Wir wollen hier kein zweites Verzasca schaffen mit Massen von Tagestouristen oder Chinesen, die in Cars schnell das Tal besuchen», so Bang. Glücklicherweise brauche es einen mehrstündigen Fussmarsch, um zum Lagh de Calvaresc, dem See in Herzform («Herzlisee») zu gelangen. Damit sei die Gefahr eines Massentourismus für diesen Hauptattraktionspunkt gebannt.

Der Naturpark Calancatal umfasst eine Fläche von 139.2 Quadratkilometern, davon sind nur 2.4 Quadratkilometer landwirtschaftliche Nutzfläche. Gut 50 Prozent sind Waldgebiete. Der höchste Punkt ist der Berggipfel Puntone dei Fraciòn mit 3202 Metern über Meer, der tiefste Punkt befindet sich in Buseno mit 502 M.ü.M. Das Wanderwegnetz misst 194 Kilometer. Fünf Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS) befinden sich im Parkgebiet, 4 Ortsbilder von regionaler Bedeutung, 9 Kulturgüter von nationaler Bedeutung und 30 Kulturgüter von regionaler Bedeutung.

Das Projekt ist auch aus finanzieller Sicht interessant. Denn der Bund förderte den Park im Rahmen seiner Pärkepolitik. Bisher hatte der Verein Parco Calanca ein Jahresbudget von 630’000 Franken. Mit der offiziellen Errichtung als Regionalpark wird das Budget im Jahr 2024 auf 1.1 Millionen Franken anwachsen, wovon der Bund 550’000 Franken und der Kanton Graubünden 440’000 Franken tragen wird. Die Stellenprozente im Verein werden von heute 240 auf 380 Prozent wachsen, da mehr Projekte und Initiativen umgesetzt werden können.

Neue Einwohner gewünscht

Die Hoffnung im Tal ist, dass der Park nicht nur Touristen anzieht, sondern auch neue Einwohner. Während der Covid-Zeit sind schon Familien ins Tal gezogen, weil sich ein Teil der Berufstätigkeit im Homeoffice erledigen lässt, da die Calanca-Gemeinden über eine gute Internetverbindung verfügen. Auch die Hitzesommer in den Ebenen haben dazu beigetragen, dass das Tal entdeckt wurde. Im 18. Jahrhundert lebten fast 3000 Einwohner im Calancatal, inzwischen sind es nur noch gut 800. (bzbasel.ch)

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