Die Brienzerinnen und Brienzer sind nach knapp zwei Monaten Evakuierung in ihrem Dorf zurück. Gemäss Experten können sie von zumindest einigen ruhigen Wochen ausgehen. Was danach kommt, ist ungewiss.
Am 3. Juli hatten die Gemeindebehörden für Mitternacht die Evakuierung nach 52 Tagen aufgehoben. Einige Brienzerinnen und Brienzer nutzten die Möglichkeit und übernachteten schon in der Nacht auf (den heutigen) Dienstag wieder bei sich zu Hause, wie Christian Gartmann, Mitglied des Gemeindeführungsstabs, auf Anfrage von Keystone-SDA erklärte.
Weitere Einwohnerinnen und Einwohner kehren am Mittwoch zurück. Die Gemeinde geht davon aus, dass bis auf einige in die Ferien verreiste Personen nun die ganze Dorfbevölkerung zurückkehrt.
«Die Leute sind sehr erleichtert, dass die Ungewissheit vorbei ist, ob sie wieder in ihrem Dorf leben können», sagte Gartmann. Mit dem gewaltigen Schuttstrom, der kurz vor dem Dorfrand stoppte, sei nicht nur viel Gestein, sondern auch wieder viel Zuversicht ins Dorf gekommen.
Nun können die Brienzerinnen und Brienzer zumindest mit einigen ruhigen Wochen rechnen. Der Gemeindeführungsstab hat die Phase «gelb» ausgerufen. Das bedeutet, dass in den nächsten Wochen keine Verschärfung der Lage erwartet wird, die zu einer erneuten Gefährdung des Dorfes führt.
Wie es danach aussieht, ist aber unklar. Eine Prognose für die Situation in sechs Monaten oder einem Jahr wäre Kaffeesatzleserei, erklärte der Kommunikationsverantwortliche.
Eine künftige Gefährdung für das Dorf könnte vom Bereich «Plateau» hoch über dem Dorf ausgehen. Daraus könnten gemäss dem Geologieteam des Frühwarndienstes zwei bis vier Millionen Kubikmeter sprödes Gestein abrutschen oder abstürzen. Die Prognose ist bewusst in der Möglichkeitsform gehalten. «Im Moment gibt es überhaupt keine Hinweise auf eine Verschärfung der Situation», betonte Gartmann.
Mit dieser Ungewissheit könne die Dorfbevölkerung wohl gut umgehen. «Dass es immer wieder Felsabbrüche gibt und es am Berg rumpelt, ist für sie im Prinzip der Normalzustand», sagte der Mediensprecher. Der Hang über und unter Brienz/Brinzauls sei seit Menschengedenken in Bewegung.
«Ein grösseres Ereignis, welches das Dorf erneut gefährden könnte, wird sich wiederum über Wochen oder Monate im Voraus abzeichnen», versichert die Gemeinde. Es würde genügend Zeit verbleiben, die Bewohnerinnen und Bewohner sowie Tiere in Sicherheit zu bringen.
Brienz war am 12. Mai evakuiert worden. Aus dem mächtigen Berghang oberhalb des Dorfes drohten bis zu zwei Millionen Kubikmeter Gestein abzustürzen, das Volumen von 2000 Einfamilienhäusern. Nach einem Monat des Wartens gingen in der Nacht auf den 16. Juni 1,2 Millionen Kubikmeter Fels als gewaltiger Schuttstrom ab. Dieser stoppte kurz vor dem Dorf und liess es unbeschädigt zurück. (sda)