Liebe Tamy Glauser
Ich war in Bezug auf Ihre Nationalrats-Kandidatur ein wenig im Dilemma.
Auf der einen Seite begrüsse ich es als Journalist, wenn das Showbiz in die Politik drängt. Es erhöht den Unterhaltungswert und erleichtert es uns, die relevanten politischen Themen ans Publikum zu bringen.
Als Stimmbürger hingegen werde ich immer ein wenig misstrauisch, wenn Parteien Promis aufstellen und ein grosses Tamtam drumherum veranstalten. Können Sie sich noch an Tim Guldimann erinnern?
Er hat mit seiner medial bis zum Exzess ausgeschlachteten Boxkampf-Debatte gegen Köppel der SP zwar einen Nationalratssitz geholt. Im Parlament hat er aber bis zu seinem fadenscheinig begründeten Rücktritt eher wenig gemacht. Schlimmer ist eigentlich nur noch, dass er Köppel auch noch zur Wahl mitverholfen hat. Und dass der im Parlament bis heute genau gar nichts macht, ausser seine Kolleginnen und Kollegen kirre.
Um beim Beispiel Guldimann zu bleiben, man muss ihm immerhin eines zu Gute halten: Er hat einen einigermassen würdigen Abgang hingekriegt. Er macht jetzt seiner Teenager-Tochter wieder Frühstück in Berlin, ist weitgehend vergessen gegangen und sein Nachrutscher macht solid-sozialdemokratische Politik.
Es gibt auch andere Beispiele. Etwa das von Christoph Mörgeli. Der will nach seinem Pyrrhus-Sieg gegen die Universität Zürich zusammen mit der alten Hemdsärmel-Garde um Bortoluzzi und Co. die SVP vor dem sicheren Absturz bewahren. Vier Jahre Glaubwürdigkeitsdemontage durch die Massanzugträger-Führung, ein 15. Listenplatz und Generation-Greta-Stimmung werden Mörgeli zum politischen Waterloo gereichen. Danach kommt nichts mehr, ausser ein letztes Mal Häme.
FDP-Präsidentin Gössi und ihrer Partei geht es auch nicht besser. Sie hat sämtliche Anstrengungen gegen den Klimawandel im Zweifelsfall bekämpft und noch im letzten Jahr der Legislatur ein wirksames CO2-Gesetz im Alleingang versenkt. Nun hält die Generation Greta «Fuck De Planet»-Schilder in jede Kamera nördlich von Tangier und um ein völliges Debakel bei den Klima-Wahlen im Herbst zu verhindern, wartet die Hüterin des Schweizer Liberalismus panisch mit Lenkungsabgaben und Verboten auf.
Nun bin ich weiss Gott kein angefressener Grüner, aber als interessierter Wahlkampfbeobachter muss ich Ihnen nach Ihren Veganer-Blut-Äusserungen auf Instagram im Sinne Ihrer Partei doch raten, die Füsse fürderhin so still wie möglich zu halten. Ihre Partei wird bei der momentanen politischen Grosswetterlage und nach den Ergebnissen der letzten kantonalen Wahlergebnisse im Herbst auch ohne Sie durchmarschieren.
Damit wird die Grüne Partei zur meistgefürchteten Akteurin im Wahlherbst 19 und Sie werden als deren Aushängeschild zur bevorzugten Zielscheibe von Missgunst und medialen Angriffen gehören.
Gut möglich, dass Ihnen das nichts ausmacht, aber denken Sie daran: Der Firnis der menschlichen Würde ist dünn. Das gilt ganz besonders in der Politik.
Lieber Gruss
Maurice Thiriet