Das Kreisgericht St. Gallen hat in seinem am Dienstagmittag verkündeten Urteil zwei St. Galler Stadtpolizisten freigesprochen. Bei einem Einsatz schossen sie auf einen 22-jährigen Mann, der mit einer Pfanne unablässig auf eine Frau einschlug und sie tötete.
In seinem mündlich eröffneten Urteil hat das Kreisgericht St. Gallen einen 29- sowie ein 48-jährigen St. Galler Stadtpolizisten vom Vorwurf der versuchten Tötung sowie der schweren Körperverletzung freigesprochen. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Der vorsitzende Richter erklärte, das Gericht sei der einhelligen Auffassung, dass die Polizisten freigesprochen werden müssten. Sie hätten bei ihrem Einsatz eine Person angetroffen, die sich in höchster Lebensgefahr befunden habe und hätten versucht, deren Leben zu schützen. Deshalb könnten sie sich auf Notwehrhilfe berufen. Sie hätten richtig gehandelt.
Die beiden Polizisten waren am 2. September 2020 zu einer Wohnung an der Speicherstrasse beordert worden. Im Eingangsbereich der Wohnung sahen sie viel Blut und herumliegendes Kinderspielzeug. In der Küche kniete ein Mann auf einer reglosen Frau und schlug deren Kopf immer wieder mit voller Wucht auf den Boden.
Auf Rufe wie «Polizei!» oder «Rauskommen!» reagierte der Angreifer, in dem er aufstand und sich in den hinteren Teil der Küche zurückzog. Die Polizisten hörten metallisches Klirren und gingen davon aus, dass er ein Messer holte. Um sich verteidigen zu können, traten sie ein paar Schritte zurück. Der Mann kniete sich wieder auf die Frau und schlug mit einem Kochtopf auf ihren Kopf ein.
Ohne gegenseitige Absprache gaben die beiden Polizisten je sieben Schüsse ab. Die ersten Treffer stoppten den 22-Jährigen allerdings nicht. Solange er gesehen habe, dass der Angreifer weiterhin mit dem Arm aushole, habe er geschossen, sagte einer der beiden Polizisten bei der Befragung. Der Mann sei wie im Wahn gewesen, erklärte sein Kollege.
Später stellte es sich heraus, dass die Frau ein zufälliges Opfer gewesen war. Der Angreifer, der sich in psychiatrischer Behandlung befand, sei bei der Tat voller Medikamente und Drogen gewesen, hiess es an der Verhandlung. Er starb an den Schussverletzungen. Die Frau wurde ins Spital transportiert, aber sie überlebte nicht.
Der Staatsanwalt warf die Frage nach möglichen Alternativen auf, die es gegeben hätte. Taser trugen die Polizisten nicht bei sich, weil es damit technische Probleme gegeben hatte. Pfefferspray hätte zu wenig Wirkung gehabt, für eine körperliche Überwältigung waren die Räumlichkeiten zu eng.
Der Staatsanwalt sagte in seinem Plädoyer, es sei Sache des Gerichts zu beurteilen, ob die Schussabgabe verhältnismässig gewesen sei. Je nach Entscheid stellte er zwei unterschiedliche Anträge: Die beiden Polizisten sollten entweder freigesprochen werden oder je eine bedingte Freiheitsstrafe von 13 Monaten erhalten.
Von der Verteidigung hiess es, die beiden Polizisten könnten sich auf Notwehrhilfe berufen. Es sei ihnen ausschliesslich darum gegangen, das Leben der Frau zu retten. Sie hätten innert Sekunden entscheiden müssen. Der Schusswaffengebrauch sei «alternativlos» gewesen.
Offen ist in diesem Fall noch, was Abklärungen der Staatsanwaltschaft zur Rolle der Psychiatrie Nord ergeben werden, wo der Täter behandelt worden war. Ein erstes Resultat sei erst anfangs des nächsten Jahres zu erwarten, sagte ein Sprecher der St. Galler Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. (aeg/sda)
Traurig, dass die Frau trotzdem nicht überlebt hat.