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Frau getötet und in Schacht entsorgt: So verteidigt sich der Angeklagte vor Gericht

Frau getötet und in Schacht entsorgt: So verteidigt sich der Angeklagte vor Gericht

18.01.2016, 18:0119.01.2016, 09:11
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Ein 53-jähriger Schweizer, der 2011 seine Frau erdrosselt und die Leiche in einem Schacht vergraben hat, will im Affekt gehandelt haben. Sein Verteidiger plädierte am Montag vor Kantonsgericht St. Gallen auf Totschlag, die Staatsanwaltschaft und die Privatkläger auf Mord.

Das Kreisgericht Rorschach verurteilte den Mann im März 2015 wegen vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Sowohl die Verteidigung, die Privatkläger als auch die Staatsanwaltschaft zogen das Urteil ans Kantonsgericht St. Gallen weiter.

Der Prozess vor Kantonsgericht begann am Montag mit der Befragung des Angeschuldigten. Die Ehe galt als zerrüttet, beide Eheleute waren in einer neuen Beziehung, die Trennung stand kurz bevor. Die Frau lebte nur noch der drei Kinder wegen im gemeinsamen Haus in Untereggen SG.

Auf Versöhnung gehofft

Mit seiner neuen Partnerin wollte der Beschuldigte eine neue Familie gründen. «Ich kam mir vor wie im Märchen,» sagte der 53-Jährige vor Gericht. Insgeheim habe er aber immer noch gehofft, dass seine Frau zu ihm zurückkommt.

Ende November 2011 kam es zu einem Treffen mit der Scheidungsanwältin. Der Informatiker hätte aus dem gemeinsamen Haus ausziehen müssen, die Obhut über die Kinder verloren und die Mehrheit seines Gehalts als Unterhalt zahlen müssen.

Wenige Tage später, in der Nacht auf den 3. Dezember, kam es in Untereggen zum Drama: Die Kinder schliefen friedlich, als ihr Vater seine 43-jährige Frau tötete. Er schlich sich barfuss ins Schlafzimmer seiner Frau und schlug sie mit einem Hammer bewusstlos. Mit einem Plastiksack und zwei Kabelbindern erdrosselte er sein wehrloses Opfer.

Im Ausnahmezustand

Er sei in jener Nacht plötzlich erwacht und habe Durst gehabt, sagte der Mann vor Gericht. In der Küche habe er etwas getrunken, auch Alkohol. Plötzlich sei er in einen Ausnahmezustand geraten. «Die Gedanken haben wie wild gedreht, ich hatte Angst und wollte meine Kinder vor meiner Frau schützen.» Er habe sich in einem Zug befunden, den er nicht mehr habe bremsen können. Er sei ins Zimmer seiner Frau gegangen und habe sie getötet.

Danach versteckte er die Leiche in einem Schacht neben dem Haus und legte falsche Spuren: So fuhr er beispielsweise mit dem Auto des Opfers ins Nachbardorf und stellte den Wagen dort unverschlossen ab. Am nächsten Abend wurde die Frau von ihrem Bruder als vermisst gemeldet.

Tat vertuscht

Auf die Frage des Gerichtsvorsitzenden, weshalb er die Tat vertuscht habe, sagte der Beschuldigte: «Ich war feige. Ich brauchte Zeit, um mir zu überlegen, was ich mit den Kindern tun sollte.» Er habe Weihnachten noch gemeinsam ihnen verbringen wollen. Es sei ein einmaliger Riesenfehler gewesen.

In den darauffolgenden Tagen wurde intensiv nach der Vermissten gesucht. Auch der Ehemann beteiligte sich an der Suche. Als bekannt wurde, dass es Eheprobleme gegeben hatte, geriet der Informatiker ins Visier der Ermittler.

Rund drei Wochen nach der Tat wurde im Garten des Einfamilienhauses die Leiche der Frau im zugeschütteten Schacht entdeckt. Nachdem er als Verdächtiger verhaftet worden war, gab der Mann die Tat zu. Seit März 2012 sitzt er im vorzeitigen Strafvollzug.

Heimtückisch und feige gehandelt

Der Staatsanwalt forderte eine Verurteilung wegen Mordes und eine Freiheitsstrafe von 17 Jahren. Der Mann habe besonders skrupellos gehandelt. Die Tat sei wohl überlegt, feige und heimtückisch ausgeführt worden. «Er liess seiner schlafenden Ehefrau keine Chance, sich zu wehren», so der Staatsanwalt.

Er habe die bevorstehende Trennung nicht verwinden können und seine Frau beseitigen wollen. Das Nachtatverhalten sei besonders berechnend gewesen. «Er sieht sich selbst als Opfer», sagte der Vertreter der Privatkläger. Dabei sei er ein guter Schauspieler, das habe er in den Wochen nach der Tat bewiesen. Nichts an der Tat sei entschuldbar. «Man tötet nicht, weil die Ehe zu Ende ist», sagte er.

Krasse Überreaktion

Die Verteidigung plädierte auf eine angemessene Verurteilung wegen Totschlags. Das Strafmass bei Totschlag liegt zwischen einem und zehn Jahren. Der Beschuldigte habe sich in einer massiven seelischen Belastungssituation befunden. Dies gehe aus dem Gutachten hervor.

Er habe weder aus Rache gehandelt, noch habe er die Tat von langer Hand geplant. «Sie ist einer spontanen, krassen Überreaktion entsprungen», sagte der Verteidiger. Der Beschuldigte habe aus Wut und Verzweiflung gehandelt. Das Urteil wird am Dienstagnachmittag mündlich eröffnet. (SDA)

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