«Bauernkalender gibt es, seitdem es Menschen gibt. Und 2005 entstand die Idee eines neuen Bauernkalenders.»
Nein, es handelt sich hier nicht um ein Bibelzitat. So preist die Magic Fox Media AG, nach eigener Angabe ein Schweizer «Kleinverlag», seine Ware. Es werde «wohl über kein Printprodukt so viel berichtet wie über den Kalender», geht es nach eigener Angeberei weiter. Tatsächlich ist dieses Ding demnach «heute aus der schweizerischen Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken».
Das mit den häufigen Berichten stimmt. «Bschiss beim Bauernkalender» titelt 20 Minuten am 10. September 2013 und berichtet, dass Models statt echten Landburschen posiert hätten. «Bschiss beim Bauernkalender», titelt acht Monate darauf auch der Blick und ergänzt: «Letztes Jahr war der Misthaufen am Dampfen: Sechs von 13 Kandidaten waren statt Bauern professionelle Models – und Griechen».
Und was ist mit 2015? Zwei Deutsche und ein Österreicher sollen im Kalender zu sehen sein, klagt Blick im Mai. Die Macher versprechen prompt, «Nicht-Schweizer» wieder auszuladen, falls geeignete neue Bewerber aufkreuzen. Die drohende Überfremdung auf einem der ureigensten Schweizer Felder – der Feldwirtschaft – zeigt Wirkung.
«In letzter Minute haben sich nämlich noch drei Schweizer Landwirte und Bauernsöhne angemeldet und die ausländische Konkurrenz schlicht abgestochen», so die Verantwortliche in 20 Minuten. Zu den «reinen Schweizern» gesellt sich zudem Ex-Mister-Schweiz Renzo Blumenthal, titelt das Blatt. Auch Blick jubiliert: «Ausländer raus, Schweizer rein!»
Darf man das? Unbedingt! Die Frage muss doch lauten: Warum stechen Schweizer Bauernsöhne Ausländer nicht viel öfter ... aus? Wo kämen wir denn da hin, wenn Eidgenossen ihre Felder nicht selbst bestellen dürfen? Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen. Ausländer raus aus unseren Ackerfurchen! Das Feld und der Kalender sind unser Revier! Gerade die Landwirtschaft, die heilige Kuh! Nicht, dass uns Fremdländer den Saisonarbeitsplatz wegnehmen!
Der Kunde darf mit Fug und Recht erwarten, ein rein nationales Produkt zu bekommen. Auch wenn man netto Agrargüter für vier Milliarden Dollar im Jahr einführt. Sogar, wenn statt knapp 360'000 (Schweizer) Menschen wie 1975 nur noch 159'000 Personen (mit rotem Pass) als Gutsherr, Bauer oder Knecht ihr Auskommen (in CHF) verdienen.
(Quellen: Landwirtschaft und BfS)
Spätestens seit «Landliebe» und Co. den Zeitschriftenmarkt aufgerollt haben, ist klar, dass die Sehnsucht nach guter alter Idylle enorm geworden ist wie die Alpenkulisse. In Zeiten der Verunsicherung wegen Globalisierung und Digitalisierung boomt das Geschäft mit ruraler «Authentizität». Nach dem Motto: Wenn ich schon nicht weiss, wo die Reise in Zukunft hingeht, orientiere ich mich an Bewährtem aus der Vergangenheit.
Schön zu sehen an den Accessoires, die beim Shooting des Schweizer Bauernkalenders 2015 verwendet wurden – oder muss man jetzt Stabbing sagen? So von wegen ausstechen? Egal! Im kommenden Bauernkalender ist alles, wie es sein soll: Das Rind wird noch mit Sense geschlachtet, Frauen arbeiten in Bergwerken, und gegen Kälte wie auch Hitze hilft ein locker über die Schulter geschwungenes Lamm.
Wie hätte so was mit den «Nicht-Schweizern» ausgesehen? Was, wenn – nur als Beispiel – drei deutsche Damen einen Haufen Heu durchstochen hätten? Machen Sie sich selbst ein Bild (um 1900):
Ein völlig anderes Bild dagegen in der Schweiz (1986). Auch in einem völlig anderen Zusammenhang.
Doch sollten wir nicht darauf kommen, was wirklich wichtig ist? Die Nörgler haben vollkommen recht. In einer komplizierten Welt muss so ein nationales Trauma, pardon, Träumen ganz einfach noch erlaubt sein dürfen. Industrielle Nahrungsmittelproduktion hin, internationale Verflechtungen her.
Und komme jetzt ja keiner mit Subventionen!
Der Bauernkalender finanziert sich allein aus Ihrer Sehnsucht.