Das Zweitpeinlichste neulich an den Swiss Music Awards war der Auftritt von Carlos Leal. Von dem Mann, der einst mit Leichtigkeit als der coolste Schweizer weit und breit gegolten hatte. Jetzt versuchte er – was genau? Dieter Meier zu imitieren? Das ist ja durchaus gestattet, bloss hätte es Carlos Leal ein paar Jahrzehnte früher in den Sinn kommen sollen.
Aber damals war er mit anderem beschäftigt. Mit Hip-Hop. Mit seiner Band Sens Unik, die nach dem ersten Fun Melodramen mit einem Herzen aus Eis entwickelte. Und so grossartig klang, dass man Eminem wahrscheinlich ohne grössere Mühe ein paar Takte Plagiat nachweisen könnte. Und mittendrin dieser Carlos Leal, der Migrantensohn aus Lausanne, wo der Schweizer Hip-Hop damals herkam.
Lausanne stellte man sich in Zürich wie ein kleines Marseille vor, und Sens Unik war sein Soundtrack. Carlos Leal richtete damals mehr fürs Französisch diesseits des Röstigrabens aus als jede schulische Massnahme. Die Fantastischen Vier arbeiteten mit Sens Unik, der kleine Stress durfte als Gast bei Sens Unik auftreten. «La fin d'un millenaire» hiess 1999 ihre düstere Jahrtausendwende-Hymne.
Und dann wurde Carlos Schauspieler. Ganz plötzlich. Zuerst spielte er sich selbst. Den Rapper aus der Romandie, der in einem Zürcher Club auf eine zugedrogte Goldküsten-Beauty trifft. In «Snow White» von Samir. Und danach auch schon einen Croupier in «Casino Royale», dem ersten Bond-Film mit Daniel Craig. War er eigentlich nach Ursula Andress der erste Mensch aus der Schweiz auf dem Mond, pardon, in einem Bond? Sicher, oder? Strassenweise fielen die Mädchen in Zürich damals in Ohnmacht, wenn Carlos Leal vorbeiging.
Und dann? Und dann? Wann kam die Wende zum Ende? Zum Elend? La misère? La fin du cool? Denn heute ist Carlos Leal nicht wieder zu erkennen. Das ist der Hampelmann aus der Werbung. Der mit Trinkröhrli oder Windmaschinen die Wucht von UPC-Cablecom demonstriert. Und das ist eben jetzt der Mann mit dem Softporno-Sound, der sich im ersten Video zu seinem Soloalbum «Reflections» in eine «disco ball», eine Discokugel, verwandelt. Sowas war früher der Job von Kylie Minogue in glitzernden Hotpants, aber auch das ist schon eine Weile her.
Und an was erinnert uns jetzt nun Carlos Leal, der sich als Kellner in einer leeren Bar mit Alkohol verlustiert und bald einmal Scherben erbricht und sich mit Spiegelgeschwüren überzieht? Leider nicht an die Musikclip-Avantgarde von übermorgen. Sondern an Strassenkünstler von vorvorgestern. C'est une misère. «Das Album muss vor allem mir Freude machen», sagte er am Radio. Das passt. Ein Mann, der sich in tausend kleine Spiegel verwandelt, in das Lieblingsspielzeug des Narzissten also, der macht vor allem auch sich selbst viel Freude.
Mir gefallen die elektronischen Einflüsse im neuen Album. Ein Mensch, der mit der Zeit geht!
Klar waren Sens Unik Götter aber komm schon... Disco ball hat doch was!!