Es gibt immer zwei Sichtweisen, wenn ein Haus in Flammen steht: die Faszination ob der Macht des Feuers, hell und heiss. Auf der anderen Seite: Heimatverlust und Todesangst. Seit Jahrtausenden ist Feuer für die Menschen beides.
«Es zieht immer eine ganz spezielle Aufmerksamkeit auf sich», sagt der forensische Psychiater Frank Urbaniok. Sogar bei Tieren ist das so. Und viele Menschen schauen fasziniert dem 1.August-Feuerwerk zu. «Vielleicht geht es sogar beim Grillieren um etwas Ähnliches», sagt Urbaniok.
Das Feuer muss auch den Brandstifter im solothurnischen Wasseramt in seinen Bann gezogen haben, so sehr, dass er es selbst gelegt hat. Doch die Faszination des Feuers allein macht niemanden zum Brandstifter. Dass ein Feuerwehrmann der Täter ist, kommt immer wieder vor, ist aber dennoch die Ausnahme – wenn auch eine besonders verstörende.
Häufiger werden Scheunen oder Bahnhäuschen von Jugendlichen angezündet aus Langeweile und als Demonstration von Mut. Urbaniok zählt die weiteren Motive auf: Rache ist ein häufiges, wenn es also darum geht, jemandem eins auszuwischen. Ein Ventil für Frust, so Urbaniok.
Drittens gibt es das Motiv, durch die Brandlegung an Versicherungsgelder zu kommen oder sich Abrisskosten zu ersparen. Viertens legen Personen mit Wahnvorstellungen in sehr seltenen Fällen Brände. Ebenfalls eine psychiatrische Komponente hat der fünfte Grund – der vermutlich beim Täter im Wasseramt eine Rolle gespielt hat: die pyromanische Neigung, also die krankhafte Faszination des Feuers.
Urbaniok zieht den Vergleich zu sexuellen Neigungen heran:
Und gleich wie Pädophile von Institutionen mit Kindern angezogen werden, wenden sich Pyromanen manchmal der Arbeit mit dem Feuer zu.
«Aber es ist nicht der Beruf bei der Feuerwehr, der Leute zu Pyromanen macht», betont Urbaniok. Ausserdem seien brandstiftende Feuerwehrmänner unter allen Brandstiftungen die Ausnahme.
Im Gedächtnis haften bleiben die Fälle, wo der Helfer auch der Täter ist, aber besonders gut: So legte ein Feuerwehrmann von 2012 bis 2014 insgesamt 15 Brände in Reconvilier BE und war danach jeweils beim Löscheinsatz dabei. Ein Mitglied der Feuerwehr Eulachtal ZH zündete zwischen 2010 und 2012 dreissig Gebäude und Objekte an. Und in Neuenhof AG war ein Feuerwehrmann 2018 siebenmal bei seinen selbst gelegten Bränden jeweils als Erster vor Ort.
In allen drei Fällen waren die Täter um die 25 Jahre alt – wie auch in einem kürzlichen Fall in der österreichischen Steiermark: Im März zündete dort ein 23-jähriger Feuerwehrmann Laub am Waldrand an und alarmierte nach einiger Zeit die örtliche Freiwillige Feuerwehr, mit der er selbst ausrückte. Er habe sich Respekt bei seinen Kameraden verschaffen wollen und sich ausserdem bei Beförderungen übergangen gefühlt, gab er als Motiv an.
Dass sich Feuerwehrmänner selbst eine Bühne schaffen, um ihre Fähigkeiten zu zeigen oder um sich als Retter zu inszenieren, ist krankhaft-absurd. Derselbe Mechanismus liegt auch dem Münchhausen-Stellvertretersyndrom zugrunde. Bei diesem misshandelt jemand – häufig die Mutter – ein Kind absichtlich oder erzeugt eine Krankheit, um danach von medizinischem Personal als pflegende oder leidgeprüfte Mutter Anerkennung zu erhalten.
Warum der Solothurner Täter Brand gelegt hat, ist noch nicht bekannt. Bekannt ist jedoch, dass es für den Täter stimulierend sein kann, ein Doppelleben zu führen. Urbaniok erklärt:
Es komme auch vor, dass Einzelgänger so zu Aufmerksamkeit kommen – aber es muss nicht sein. Ebenso gibt es jeweils keine Garantie, dass solche Brandstifter nur unbewohnte Gebäude anzünden: «Es kann sein, dass sich Brandstifter bemühen, Menschen zu verschonen, aber das Spektrum geht bis zu jenen, denen das egal ist», sagt der Forensiker.
Die Täter sind fast immer Männer, so wie auch 95 Prozent aller Gewaltstraftaten von Männern verübt werden. «Das gefährlich-kämpferische ist bei jenen Männern besonders ausgeprägt.»
Wie es auf der anderen Seite der Feuer-Perspektive aussieht, ist klar und immer gleich: Die Bevölkerung wird extrem verunsichert, wenn in einer Region der Feuerteufel umgeht. Und der Schrecken hält so lange an, bis der Täter gefasst wird. Im Wasseramt scheint dies gelungen zu sein.