Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat sich in den vergangenen Monaten drastisch verschlechtert. Dies zeigen aktuelle Daten der Stiftung «Pro Juventute»: Die Anzahl der notwendigen «Kriseninterventionen» durch das Sorgen- und Beratungstelefon 147 ist rapide angestiegen. Die Stiftung ist alarmiert, weil helfende Angebote stark ausgelastet sind und Jugendliche in Not lange Wartezeiten ertragen müssen.
Die «Pro Juventute»-Direktorin Katja Schönenberger geht davon aus, dass die «Multikrise» dafür verantwortlich ist: Innert kürzester Zeit hätten Kinder und Jugendliche mit mehreren Krisen wie Pandemie, Krieg und der Energiekrise umgehen müssen, was nicht allen gleich gut gelang. Die Stiftung fordert deshalb nun Soforthilfe vom Bund und den Kantonen.
Unterstützung erhält sie ausnahmslos von allen Jungparteien. Die Spitzenpolitikerinnen und -politiker der JUSO, der Jungen Grünen und der Jungparteien von Mitte, GLP, EVP, FDP und SVP führten dazu am Donnerstagmorgen eine Aktion auf dem Bundesplatz durch. Sie gaben sich ungewöhnlich einig und posierten vor einem überdimensionierten Handy. Die Botschaft dahinter: Wir stehen hinter dem Sorgentelefon 147.
In den Gesprächen mit ihnen war ein Stolz spürbar: Man sei zum ersten Mal von links bis rechts zu einem Kompromiss gekommen, weil man Fragen der mentalen Gesundheit ernst nehme.
JGLP-Präsident Tobias Vögeli erzählte von seinen psychischen Problemen und wie er erlebte, dass das Gesundheitssystem derzeit nur schlecht auf solche Fälle reagieren könne.
Marc Rüdisüli von der Jungen Mitte kritisierte ebenfalls die lange Wartezeit, die Hilfe suchende Jugendliche ertragen müssten. «Ich glaube, dass gerade deshalb niederschwellige Angebote wie ein Sorgentelefon oder Beratung via Chat helfen könnten: Solche Angebote können psychische Erkrankungen verhindern und abschwächen. Zu Beginn solcher persönlichen Krisen hilft es enorm, wenn man das Gefühl der Hilflosigkeit verhindert. Dafür reichen oft einfache Informationen darüber, wo und welche psychologischen oder psychiatrischen Hilfen angeboten werden.»
Ausnahmslos alle Politikerinnen und Politikern erkannten an: Es gibt Depressionen, Burn-outs und Ängste. Sie waren sich auch bewusst, solche Erkrankungen zu schweren psychischen Krisen und zum Suizid führen können. Diese Einigkeit führte zusammen mit «Pro Juventute» zum gemeinsamen Forderungskatalog: Es benötige eine «sofortige Stärkung der niederschwelligen Erstberatungsstellen» und eine «Steigerung der Bekanntheit dieser Stellen bei der Zielgruppe».
Der Kompromiss hat aber einen Haken: Es gab unterschiedliche Vorstellungen zur Frage, wieso es genau diese Massnahmen brauche und was sie in der Praxis konkret bedeuten würden. Besonders auffällig wurde das beim Engagement der Jungfreisinnigen und der Jungen SVP: Ihre Parteipräsidenten waren nicht nur «aus terminlichen Gründen» am Donnerstagmorgen nicht auf dem Bundesplatz. Der anwesende Ersatz widersprach zudem dem einhelligen Konsens von Jungparteien von SP, Grünen, Mitte, GLP, EVP, was zur Verschlechterung der psychischen Gesundheit geführt habe und was man dagegen tun müsse.
Stephanie Gartenmann, Präsidentin Bezirksorganisation der Jungen SVP im Berner Oberland, machte die Bundespolitik mitverantwortlich: «Man muss nur auf die letzten vier Jahren schauen: Die missratene Energiepolitik, die Coronamassnahmen und der Ukraine-Krieg erschwerten das Leben der jungen Leute in der Schweiz massiv.» Sprich: Mit einem Kurswechsel stelle sich auch die Frage etwa nach fehlenden Psychiatrieplätzen nicht mehr.
Auffällig war auch die Stellungnahme von Philipp Eng, einem Vorstandsmitglied der Jungfreisinnigen Schweiz. Auf die Frage, wieso er nun als Wirtschaftsliberaler nach staatlichen Massnahmen rufe, konkretisiert er seine Deutung der «Pro Juventute»-Forderung: «Wenn wir als Freisinnige den Ausbau von niederschwelligen Angeboten fordern, dann kommen uns auch andere Massnahmen in den Sinn als nur mit Steuergeldern finanzierte Stellen.»
Eng erwähnt als Beispiel der privaten Verantwortung im persönlichen Umfeld: «Die niederschwelligste Form der Hilfe in schwierigen Situationen findet man im privaten Umfeld: Man spricht mit Freundinnen und Freunden. Wir wollen diese Eigenverantwortung stärken, in dem wir Tabus abbauen und ein Milieu schaffen, in dem man über Probleme sprechen darf.»
Eng betont, dass ein offener Umgang mit psychischen Problemen auch das Problem der fehlenden Behandlungsplätze lösen könnte: «Dadurch wird auch deutlich, dass es eine grössere Nachfrage gibt. Entsprechende Angebote werden deshalb nicht vom Staat, sondern vom Markt geschaffen.»
Bei den anderen Jungparteien-Chefs kamen solche Aussagen weniger gut an. Dominic Täubert von der Jungen EVP sagt dazu vorsichtig: «Die Kompromissfindung war nicht ganz einfach.»
Deutlichere Kritik gibt es vom Juso-Präsidenten Nicola Siegrist: «Die Situation bei der Jugendpsychiatrie ist ernst und es ärgert mich sehr, dass sich JSVP und JFDP aus ideologischen Gründen weitergehenden Forderungen verschliessen.» Er betont aber trotzdem die Notwendigkeit solcher gemeinsamer Auftritte: «Wir zeigen den Kindern und Jugendlichen, dass wir ihre Sorgen ernst nehmen. Das ist ein grosser Fortschritt. Die Verharmlosung und Verleugnung psychischer Erkrankungen steht einer Verbesserung der Situation und den dringenden Massnahmen im Weg.»
Auf Deutsch: auch aus der angeschlagenen Psyche von Jugendlichen lässt sich vortrefflich Profit schlagen. 🤮
Zum Thema: Die Kids leiden heute vor allem am Leistungsdruck! Was ist man denn heute schon, ohne tertiäre Ausbildung?
Dazu kommen Schönheitsideale von Tiktok und Co., denen man nachzueifern hat, sowie unzhälige weitere toxische Einflüsse aus dem Internet. Keine einfache Zeit, um jung zu sein!