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Wenig Schnee in den Bergen: Diese Alternativen bieten Skigebiete

Flumserberg, 28.12.22
Leerer Sessel in Flumserberg: Die grossen Besucherströme bleiben über Weihnachten und Neujahr aus.bild: CHIARA JESSICA HESS

Wie die Bergler mit dem fehlenden Schnee umgehen – zu Besuch in Flumserberg

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist für viele Skigebiete wichtig für den Jahresumsatz. Doch genau in dieser Zeit bleibt der Schnee aus. Eine Bestandsaufnahme zeigt: Die Bergler bewahren in dieser ungewissen Zeit die Ruhe.
30.12.2022, 09:0831.12.2022, 18:00
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In den Bergen ist zu wenig Schnee gefallen. Und das zwischen Weihnachten und Neujahr – eine für den Jahresumsatz essenzielle Zeit. Keine optimalen Voraussetzungen.

Was sagen Bergbewohner zu der aktuellen Situation? Macht sich Panik breit? Sind die Bergler wirklich so besorgt, wie oft suggeriert wird? watson ist diesen Fragen während eines Besuchs im Skigebiet Flumserberg nachgegangen – und wurde überrascht.

Die Fahrt in der Luftseilbahn von Unterterzen nach Tannenboden, Flumserberg lässt nichts Gutes erahnen. Braun und matschig der Boden, kahl die Bäume. Weit und breit kein Schnee.

Flumserberg, 28.12.22
Die Aussicht aus der Luftseilbahn erinnert eher an einen Herbst- als einen Wintermorgen.Bild: Chiara Jessica Hess

Oben angekommen, kann man aufatmen: Es ist in den vergangenen Monaten etwas Schnee gefallen. Das Thermometer zeigt ein Grad an. Die Kinder üben fleissig in der Skischule und die Erwachsenen «güügeln» schon um 11 Uhr morgens im Après-Ski.

Es sind zwar nur 22 von 65 Pistenkilometern geöffnet, der Gastronomiebetrieb läuft aber wie gewohnt und auch mehr als die Hälfte der Skilifte sind in Betrieb.

Flumserberg, 28.12.22
Viele der Anlagen müssen geschlossen bleiben.Bild: Chiara Jessica Hess

Ein Leben für den Berg

Mario Bislin ist seit etwas weniger als zwei Jahren CEO der Bergbahnen Flumserberg AG. Er erklärt: «Ich bin kein ‹Flumserbergler›. Mit dem Berg und dem Betrieb identifizieren sich die Einheimischen sehr, sehr stark. Das soll so bleiben. Ich werde hier lediglich geduldet», meint er augenzwinkernd. Am Anfang hätte er sich noch an den etwas raueren Umgangston am Berg gewöhnen müssen. Mittlerweile habe er sich aber akklimatisiert, so Bislin.

Flumserberg, 28.12.22
Mario Bislin arbeitet seit rund zwei Jahren auf dem Flumserberg.Bild: chiara jessica hess

Ein Leben am und für den Berg. Dieses Thema kommt im Gespräch mit Josef Föhn, dem Werkstattchef der Flumserbergbahnen, und Mario Bislin immer wieder auf. «Wir Bergler leben mit der Natur und lieben sie. Wir nehmen sie so, wie sie ist. Egal, ob es schneit, windet oder regnet. Klar ist es schade, wenn es regnet. Aber das kommt nun mal vor. Ich bin mir sicher, dass wir am Flumserberg weiterhin Wintersport machen können. Ich habe keine Angst vor der Zukunft», so Föhn, der ehemalige Pistenbully-Fahrer und heutiger Werkstattchef.

Föhn sagt, dass der fehlende Schnee ihn nicht beunruhige. Es habe schon immer wärmere und kältere Winter gegeben, 2015 habe man auch schon die Rodelbahn offen gelassen, weil zu Saisonbeginn noch kein Schnee lag, erklärt Föhn. Dann sei der Schnee nach ein paar Tagen doch noch unerwartet gekommen: «Die Natur ist ab und an unberechenbar. Wir verlassen uns hier nicht auf die Wetter-Apps, sondern auf die grosse Erfahrung, welche wir Angestellten schon sammeln konnten.»

Bislin pflichtet seinem Mitarbeiter bei: «Es ist wirklich so. Die Einheimischen hier kennen ihre Region. Die können genau sagen, welcher Wind welches Wetter bringt. Sie verstehen ihren Berg und sein Klima.»

Flumserberg, 28.12.22
Auf einer Anhöhe im Tannenboden thront ein Kreuz.Bild: Chiara Jessica Hess

Föhn schildert, dass er auch sehr um ebendieses Klima und die Umwelt besorgt sei. «Wir haben uns neue Pistenfahrzeuge angeschafft, die möglichst energieeffizient arbeiten. Wir testen auch verschiedene Alternativen für die Energiezufuhr, die nicht so umweltschädlich sind wie die herkömmlichen Kraftstoffe», sagt Föhn.

Auch mit der Beschneiung der Piste sei man vorsichtig. Je nach Wetterlage könnte man viel Ressourcen verbrauchen und am Schluss sei der Schnee sofort wieder weg, gerade wenn starke Regenfälle oder der Föhn zuschlage, erklärt Bislin. Sein Mitarbeiter ergänzt: «Wir möchten möglichst wenig in die Natur eingreifen. Sie ist unser grösstes Kapital.»

Flexible Anpassung ans Wetter

Weil dieses Jahr wenig Schnee gefallen ist, mussten Bislin und seine Mitarbeitenden improvisieren. Innert drei Tagen haben sie vor Weihnachten ein Festtags-Spezial-Konzept ausgearbeitet. Im Handumdrehen melden sich die Mitarbeitenden für die verschiedenen Aufgaben: So wurde die Marketingspezialistin zur Märchenerzählerin, der Verkäufer aus dem Sportgeschäft zum Tanzlehrer und zwei Küchenmitarbeitende zu den Maskottchen Flumsi und Flumsina.

Das Angebot ist überraschend gross, die Kinder können sich in der Hüpfburg oder auf dem Kletterturm austoben, mit Alpakas, Geissen und Pferden spazieren oder Kindercocktails mixen. Die Erwachsenen können geführte Wanderungen machen, das Tanzbein schwingen oder sich in Pilates und Yoga versuchen.

Das Angebot auf dem Flumserberg

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Festtags-Special
Familie Beeler vom Schwendihof bietet ein Trekking-Special an.
quelle: chiara jessica hess
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«Die Besucher schätzen das Angebot sehr. Wir bekommen viel positives Feedback. Die Leute geniessen es, sich im Yoga zu entspannen zwischen den Ski-Abfahrten. Aber einmal habe ich mit einem Ohr einen Vater schimpfen gehört, weil er lange auf seine Kinder warten musste vor der Hüpfburg», schmunzelt Bislin.

Der Sarganserländer ist stolz auf sein Team und bleibt optimistisch: «Wir lassen uns nicht unterkriegen. Es hat nicht so viel geschneit, wie wir uns das erhofft hätten, aber in unserem Betrieb machen wir trotzdem mit viel Engagement weiter. Alle haben mitangepackt. Wir haben an guten Wochenend-Tagen bis 12'000 Gäste. Aktuell waren es bisher rund 3000, wobei am Mittwoch die 7000-er Grenze überschritten worden ist. Aber auch die 3000 sollen bei uns ein schönes Wintererlebnis geniessen können.»

Arbeit gibt es trotz des reichhaltigen Angebots zu wenig, als dass alle Mitarbeitenden zu 100 Prozent arbeiten könnten. Hier setzt Bislin auf Fairness: «Es ist klar, dass es aktuell nicht so viele Mitarbeitende braucht. Aber mir ist es wichtig, dass die Arbeit gerecht verteilt wird und alle, die wollen, arbeiten können. Für einzelne Mitarbeitende ist es ok, wenn sie ein paar Ferientage nehmen oder ihre Überstunden abbauen können.»

Was für einen Einfluss die milde Weihnachtszeit auf den Umsatz haben wird, kann Bislin noch nicht sagen. Er hält fest: «Abgerechnet wird am Ende der Saison. Aktuell können wir nur Mutmassungen aufstellen.»

Flumserberg, 28.12.22
In der Garage haben Föhn und seine Mitarbeiter immer genug Arbeit. Bild: Chiara Jessica Hess

Bei Föhn in der Werkstatt arbeitet auch nicht die gesamte Bereitschaft. «Aktuell sind sechs Pistenbully-Fahrer im Dienst, wenn viel Schnee fällt, sind es elf», sagt Föhn. Auf die Frage hin, ob es dann viel weniger Arbeit gebe, wenn weniger Schnee fällt, entgegnet er: «Nein. Die Arbeit für die Fahrer wird teilweise sogar intensiver. Denn sie müssen den Schnee von ausserhalb auf die Pisten transportieren. Erst dann können sie richtig präparieren.» Föhn fügt an, dass es auch in der Garage immer genug Unterhaltsarbeiten gebe.

Weil es immer wärmer wird und der Schnee wohl auch in Zukunft vermehrt ausbleiben könnte, liegt die Frage nahe, ob viele Mitarbeiter die Branche verlassen wollen. Föhn und Bislin sagen, dass das auf dem Flumserberg nicht der Fall sei. Föhn fügt an, dass es bei allen Mitarbeitenden und auch bei den Pistenbully-Fahrern einen grossen Berufsstolz gebe: «Wir lieben unsere Arbeit. Man verlässt die Branche nicht, nur weil ab und zu weniger Schnee fällt. Für mich ging damals ein Bubentraum in Erfüllung, ich wollte seit ich denken kann Pistenbully-Fahrer werden, dies wurde mir damals am Flumserberg ermöglicht.»

Flumserberg, 28.12.22
Josef Föhn in seiner Garage mit einem Pistenbully.Bild: Chiara Jessica Hess

Gäste zufrieden trotz wenig Schnee

Die Besucherinnen und Besucher scheinen Bislin recht zu geben – mürrische Gesichter sucht man vergebens. Liam und seine Freunde sind aus dem Zürcher Oberland angereist: «Hier ist alles tipptopp. Klar ist es schade, dass nur 22 Kilometer offen sind. Aber diese sind in einem super Zustand, darum macht es Spass.»

Flumserberg, 28.12.22
Die Zürcher Oberländer geniessen die Sonne.Bild: Chiara Jessica Hess

Auch Natascha, eine Touristin aus Malaysia, ist gut gelaunt. Sie macht eine Rundreise in Europa. Auf die Frage hin, ob es für sie genug Schnee habe, entgegnet sie: «Ja, es ist genau so, wie ich mir die Schweiz vorgestellt habe. Viel Schnee und sehr kalt.» Sie ergänzt: «Die Leute hier sind so freundlich. Sehr offen und überhaupt nicht so rassistisch, wie sie uns gegenüber in Mailand waren.» Die Bergler weltoffener als die Leute aus der Metropole – eine spannende Beobachtung.

Flumserberg, 28.12.22
Natascha (links) und ihre Freundin sind aus Malaysia in die Schweiz gereist. Bild: chiara jessica hess

Jan arbeitet an der Outdoor-Bar auf dem Maschgenkamm. Er beteuert: «Alle sind gut gelaunt und entspannen hier mit mir an der Bar. Es hat zwar nicht so viel Schnee, aber die Sonne scheint ja!» Das einzige, was ihn stören würde, sei die schlechte Musik, die aktuell laufe. Aber die könne er selbst umstellen, witzelt der Barmann.

Flumserberg, 28.12.22
Jan hat seine Sonnenbrille aufgesetzt und mischt Drinks für seine Gäste. Bild: chiara jessica hess
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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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HugiHans
30.12.2022 09:31registriert Juli 2018
Die Erwartungshaltung der Kunden ist leider häufig: Wenn ich Zeit habe muss schönes Wetter und perfekte Bedingungen herrschen!

Resultat: Buchungen werden immer kurzfristiger und die Aufgabe der betroffenen Dienstleister immer noch schwieriger. Hut ab vor ihrem Einsatz und Engagement!
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PlusUltra
30.12.2022 11:50registriert Juni 2019
".. oder der Föhn zuschlage, erklärt Bislin."

Gut, dass sie den in der Werkstatt untergebracht haben!😉
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dega
30.12.2022 11:15registriert Mai 2021
Nun das nennt sich Betriebsrisiko und wird sich in der Zukunft noch vergrössern. Unter 1600m wird es schwierig werden Pisten zu haben.
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