Das Fernsehen hatte mal wieder eine Idee. Hat es öfter. Muss es ja. Und man muss schon sagen: NIEMAND in der ganzen TV-Geschichte ist vorher JEMALS auf diese Idee gekommen. Die Idee hiess: Food!!! Nein, etwas raffinierter war sie schon. Die Sommerausgaben vom «Club» widmen sich ein paar Wochen lang allem ums Essen, also dem Kochen, der Nachhaltigkeit, dem Laborfleisch etc. Und beginnen musste es natürlich mit einer Kochshow. Bloss mit wem?
Das Fernsehen überlegt. Und überlegt. Es sucht nach Autoritäten. Und findet sie in Bundesbern. NIEMALS vorher war es auf diese Idee gekommen! Es formt zwei Armeen aus dem Spitzenpersonal der grossen Parteien: Balthasar Glättli (Grüne) & Gerhard Pfister (Die Mitte) & Marco Chiesa (SVP) kochen gegen Mattea Meyer (SP), Thierry Burkart (FDP) und Jürg Grossen (GLP).
Glättli und Meyer sind die Einzigen, die kochen können, deshalb werden sie Teamleader. Sie müssen ein Gericht konzipieren, das die Schweiz repräsentiert und aus Vorspeise, Hauptspeise und Getränk besteht. Sie überlegen. Und überlegen. Glättli macht den Vorschlag Älplemagronen. Begeisterung im Team.
Schwenk zu Meyer. Sie sagt: «Mir chönntet e richtig, richtig feini Älplermagrone mache.» Burkart ist enttäuscht: «Kä Fläisch ...» Chiesa wählt als Getränk einen feinen Tessiner Merlot. Burkart: «Und derzu nehme mer no en feine Tessiner Merlot.» In beiden Teams gibt's also Älplermagronen mit feinem Tessiner Merlot.
Pfister sagt nichts. Oder ist er es, der kleinlaut das Wort «Zürcher Geschnetzeltes» fallen lässt? Es stösst jedenfalls auf keine Gegenliebe. Weil? Zu schwierig? Zu urban? Zu wenig urig? Glättli versucht zaghaft eine mondäne Ehrenrettung der Älplemagronen, die Pasta darin habe schliesslich Migrationshintergrund, meint er.
Merlot-Chiesa wählt als ganz leichte Vorspeise zur leichtesten aller Hauptspeisen einen Bündner Gerstensalat. Meyer schlägt als Vorspeise immerhin ein Dreierlei von der Rande vor. Merlot-Burkart träumt von einer Wurst, Merlot-Chiesa schmuggelt so viel Bündnerfleisch wie möglich in seinen Salat.
Chiesa findet, die Schweizer Küche habe sich über die Jahrzehnte gar nicht so sehr verändert, gute traditionelle Werte halt, Pfister erwähnt lobend den technischen Fortschritt, Kühlschrank und so, beide halten sich «sehr, sehr, sehr, sehr selten» (Pfister) in der Küche auf.
In der Jury sitzen zwei Männer mit Vornamen David, und ich muss an dieser Stelle sagen, dass ich im Falle des jüngeren Davids positiv voreingenommen bin, weil ich vor wenigen Tagen an einer Great-Gatsby-esken Gartenparty seiner Zahnärztin eingeladen war und er dort das Catering gemacht hat. Es beinhaltete vieles, aber keine Älplermagronen.
Der ältere David, David Höner, gründete Cuisine sans frontières und sagt: «Kochen ist Friedenspolitik.» Und Landwirtschafts-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik. Er setzt schon mal miteinander verfeindete Stämme an seinen Tisch, damit sie bei einem feinen Essen Friedensverhandlungen führen. Und er erzählt von einem Willkommenbier der Indigenen am oberen Amazonas: Es wird aus von Menschen vorgekautem Mais gemacht und enthält alle Bakterien einer gesamten Community. «Sackschtarch» sei das, der Wahnsinn fürs Immunsystem, besser als jede Impfung.
Der jüngere David, David Geisser, war Schweizer Gardist und schrieb zwei Kochbücher des Vatikans. Auf Englisch heissen sie «The Vatican Cookbook» und «The Vatican Chrismas Cookbook» und sind Welterfolge. Er arbeitete dafür mit Papst Benedikt und Papst Franziskus. Mit Benedikt plauderte er gerne über Bayern, mit Franziskus über argentinischen Fussball.
Beide Davide geben sich viel Mühe, die Originalität und Bedeutung von Älplemagrone zu lobpreisen, und finden Glättli und Meyer ausgezeichnete Teamchefs.
Und dann geht es zu Tisch. Team Glättli isst die Älplermagronen von Team Meyer. Team Meyer isst die Älplermagronen von Team Glättli. Unter dem Einfluss von zweierlei feinem Tessiner Merlot verwandeln sich alle in Wölfe in sehr dicken Schafspelzen. Die gegenseitige Abneigung ist anderswo zu sehen.
SVP-Chiesa kann nicht gut die Älplermagronen des gegnerischen Teams verweigern, aber die in seiner Fantasie wahrscheinlich mit kleinen Gender-Wurfsternen gespickten Randen von SP-Meyer rührt er nicht an.
Das Moderationsteam Barbara Lüthi und Mario Grossniklaus versucht jetzt eisern, das Tischgespräch in streng politische Bahnen zu lenken, und will über die bevorstehende Berset-Nachfolge reden. Was einerseits logisch ist, denn wieso soll man sich mit Politikern nicht über Politik unterhalten? Älplermagronen sind jetzt nicht soooo ergiebig, egal, wie viele Sennenstorys mit Migrationshintergrund man dazu erzählen kann. Andererseits ist es zwecklos, wie gesagt, der Merlot, die Sprachbilder werden immer schwammiger in der Vermählung von Kochen und Politik.
Meyer fragt sich: Wollen wir in dieser Demokratie eigentlich das Gleiche kochen? Nach welchem Rezept, mit welchem Kochbuch? Burkart sagt nachdenklich, dass sie in Bern manchmal vergessen, für wen sie eigentlich kochen. Team Glättli gewinnt, wieso, ist nicht ganz klar, aber auch egal, es gibt ja keinen Preis, und alles ist ein käsiges, gemütliches Einerlei, eine täuschend harmonische, unscharfe Konkordanz aus Menschen mit Bäuchen voller Älplermagronen.
Ein bisschen schräg wirkt es ja schon, dass 4 von 6 behaupten, nicht kochen zu können. Wer lesen kann, kann doch auch (zumindest einfache Gerichte) kochen: Man nehme ein Anfänger-Kochbuch und mache genau das, was dort drin steht. 🤷♀️