Die Fans pöbeln und beleidigen. Und wir reden nicht vom Fussball. «Es wird immer schlimmer. Irgendwann kommt der Moment, da nehme ich mir einen dieser Idioten zur Brust.»
Der Schwinger, der das sagt, ist schon lange dabei. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen: «Sonst heisst es, ich sei ein Jammeri.» Das Problem, das er benennt, ist allerdings real. Die Respektlosigkeit der Fans gegenüber den Schwingern nimmt stark zu.
Durch die steigende Popularität und Kommerzialisierung hat sich das Schwingen in den vergangenen Jahren stark verändert. Vor allem aufseiten des Publikums. Schwingen ist hip geworden. Und Sachverstand ist im VIP-Zelt nicht nötig. «Hey Schiedsrichter, der drückt seinen Gegner ja mit dem Kopf ins Sägemehl», beschwerte sich jüngst eine Frau am Aargauer Kantonalen und offenbarte in mehrfacher Hinsicht ihre Ahnungslosigkeit.
Nick Alpiger bearbeitete in diesem Moment gerade Publikumsliebling Sinisha Lüscher am Boden. Und die Kritik der Frau war noch das Netteste, das er zu hören bekam. Alpiger polarisiert. Das tat er schon immer.
Doch die Anfeindungen nehmen zu. Am gleichen Fest wurde er mehrfach als Arschloch tituliert. Irgendwann reichte es Lukas Döbeli, der als Zuschauer vor Ort war. Der verletzte Eidgenosse griff ein und stoppte die Pöbler.
Alpiger selbst spielt die Vorfälle – zumindest gegen aussen – herunter. «Ich versuche, solche Aussagen zu ignorieren», sagte er vor zwei Jahren im Interview. Ein paar Wochen zuvor eskalierte die Situation am Bergfest auf dem Schwarzsee. Nicht nur Alpiger wurde damals von einem Teil der zahlreich anwesenden Berner Fans bedroht, sondern auch seine Frau und seine Tochter. Das ging ihm zu weit. Und vor allem ging es ihm sehr nahe.
Alpiger spielte mit dem Gedanken, nie mehr im Kanton Bern anzutreten. Den Berner Schwingfans eilt ein zweifelhafter Ruf voraus – und Alpiger haben sie speziell auf dem Kieker. Das hat auch mit Schwingerkönig Christian Stucki zu tun, der sich nach seinem Rücktritt in einem Interview kritisch über Alpiger äusserte. Was einige Berner Fans offenbar zum Anlass nahmen, um den Aargauer Schwinger als neue Hassfigur zu installieren.
Zwei Jahre lang mied Alpiger das Bernbiet dann tatsächlich. Doch am Sonntag tritt er nun am Berner Kantonalschwingfest an. Er hat sich bewusst dafür entschieden. Darüber sprechen möchte er nicht. Es dürfte aber ein Test mit Blick auf das Eidgenössische Ende August sein. Beim grössten Fest der Saison wird eine ganze Tribüne mit Berner Fans auf ihn warten. Der Gang in die Höhle des Löwen ist quasi eine Akklimatisierung.
Alpiger ist allerdings nicht der einzige Schwinger, der es im Bernbiet schwer hat. König Joel Wicki wurde im vergangenen Jahr am Berner Oberländischen vom Publikum beschimpft. «Diese Reaktionen haben mich im ersten Moment ziemlich getroffen», sagte er später im Interview mit dem «Blick». Und zuletzt sorgte ein Berner Betreuer für Schlagzeilen, als er den Innerschweizer Schwinger Pirmin Reichmuth attackierte.
Sind die Berner das Problem? Nein. Das zeigte sich jüngst am Aargauer Kantonalen. Gleichwohl darf man gespannt sein, wie Alpiger am Sonntag empfangen wird. Frau und Kinder lässt er vorsichtshalber zu Hause.
Ich war an einem Schwingfest in meinem Leben und das hat mir gereicht. Lieber ins Fussballstadion, da muss ich mir wenigstens nicht so viele rassistische Witze anhören.