Fertig getrötzelt: Acht Jahre nach dem Eklat in der «Rundschau» mit dem damaligen Moderator Sandro Brotz tritt Ueli Maurer wieder in einer grossen SRF-Sendung auf. Dies obschon er noch im Dezember «kä Lust» auf die «Arena» verspürte und zuerst absagte. Nun hat der Finanzminister das Messer am Hals – und muss bei der Abstimmung vom 13. Februar über die Emissionsabgabe der Stempelsteuer möglichst viele Bürgerinnen und Bürger von einem Ja – also für eine Abschaffung – überzeugen.
Denn der Urnengang steht auf Messers Schneide: Laut der ersten GFS-Umfrage unterstützen derzeit nur 42 Prozent der Befragten den Plan des Bundesrats und der bürgerlichen Parlamentsmehrheit, die sogenannte Emissionsabgabe abzuschaffen. Diese müssen Unternehmen bezahlen, wenn sie Eigenkapital – etwa durch den Verkauf von Aktien – aufnehmen. Dies ab einer Höhe von einer Million Franken.
Fällt die Abgabe weg, piesackt dies das Bundesbudget: Dem Bund gingen – zumindest kurzfristig – jährlich rund 250 Millionen an Steuereinnahmen flöten.
Trotz der an sich trockenen Materie gehen die Wogen in der Arena hoch. Dafür sorgt neben Maurer SP-«Schlachtross» und IT-Unternehmerin Jacqueline Badran. Sie schnauft, sie stampft, sie greift immer wieder die Gegenseite um FDP-Präsident Thierry Burkhart und GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche an, welche die Emissionsabgabe wiederholt eine «Anti-Start-Up-Steuer» nennen. Da platzt Badran der Kragen, sie schiesst scharf gegen ihren Kumpel Ueli Maurer und seine Mitstreitenden (siehe Video):
«Der mit den Start-Ups geht mir gruusig auf den Wecker. Als würden wir (Linken, die Red.) nichts für Start-Ups machen, verdammt nochmal.»
Start-Ups hätten ganz andere Probleme als die Emissionsabgabe. Sie hätten Mühe mit der Drittrundendfinanzierung. «Unsere Lösungsvorschläge hat das Departement Maurer und die FDP abgelehnt. Maurer war dagegen, wie immer, wenn man etwas Reales für Start-Ups machen will», poltert Badran weiter. Ueli Maurer, amüsiert und etwas irritiert ob der Tirade zugleich, grinst derweil Richtung Badran. Kein Wunder: «Wir lieben uns schon fast ein bisschen», hatte er einmal im Parlament über seine Polit-Kumpanin gesagt.
Ueli Maurer lächelt die Kritik weg. Der Finanzminister ist in Form, gut gelaunt, der Krach mit SRF-Brotz scheint vergessen. Er weibelt mit Herzblut für die Reform: Das Aus der Emissionsabgabe sei zwar nur ein Mosaikstein, aber ein wichtiges «Willkommenssignal» an die Unternehmen. Dies mit Blick auf den sich immer härter werdenden internationalen Standortwettbewerb. «Start-Ups sind sehr mobil. Man darf sie nicht mit Steuern abstrafen, bevor sie auch nur einen Franken verdient haben. Die Schweiz muss gleich lange Spiesse bieten wie das Ausland.»
In der Tat kennen in Europa neben der Schweiz nur Spanien und Griechenland eine Emissionsabgabe. Man habe die Konsequenzen gut durchdacht: «Jede Steuerreform in den letzten Jahren hat zu mehr Arbeitsplätzen geführt», so der Finanzminister stolz. Und attackiert wiederum Badran, in deren Steuerpolitik kein klares Konzept, sondern ein «Durcheinander» erkennbar sei.
Der Ökonom und frühere Preisüberwacher Rudolf Strahm lässt dies nicht gelten. Vielmehr verletze die Abschaffung der Emissionsabgabe einen sozialen Kompromiss. Dieser sei bei der Einführung der Mehrwertsteuer in den 1990er-Jahren geschlossen worden – auch von den Bürgerlichen. «Zum Deal gehört die Emissionsabgabe», so das SP-Urgestein.
Historie in Ehren, aber Stimmen holt man mit Start-Up-Förderung, die den Kern der Sendung ausmacht. Dazu gehöre die Abschaffung der Emissionsabgabe, so die Zürcher GLP-Nationalrätin Bellaiche. Start-Ups seien meist klein und schlank und bezahlten sich anfangs oft keine Löhne. Und wenn sie dann Kapital beschaffen wollten, sollen sie Steuern zahlen. «Die Emissionsabgabe kommt absolut zum falschen Zeitpunkt und trifft hunderte Spin-Offs von Hochschulen.» Zudem sei es «widersinnig und ungerecht», dass bei der Erhöhung von Eigenkapital eine Abgabe bezahlt werden müsse. Wer Schulden mache, müsse hingegen keine Abgaben bezahlen, sagt Bellaiche.
Profitiert nun wirklich die ganze Wirtschaft von der Abschaffung der Emissionsabgabe oder nur die Grosskonzerne? Diese Frage bringt Badran so richtig in Fahrt. Die Schweiz habe über Jahrzehnte das Kapital besteuert und weniger die kleinen Leute, sei damit gross und innovativ geworden. Nun werde vermehrt Arbeit und Konsum besteuert. Die Streichung der Emissionsabgabe sei keine Kleinigkeit. «Viele Peanuts geben auch ein Snickers», so Badran. Produktivitätsgewinne gingen heute ans Kapital, nicht mehr an die einfachen Leute, das dürfe nicht sein.
Badran vs. Maurer – da mutieren die anderen Gäste schon fast zu Nebendarstellerinnen und Nebendarsteller. Mitte-Nationalrätin Marianne Binder regt sich ob den Voten Badrans auf. «Sie haben immer noch die Kampfrhetorik von Karl Marx drauf. Ich habe mich ja auch an ihm versucht. Dabei ist ein Kapitalist übersetzt ein Investor, der in Arbeitsplätze investiert.» Diese Idee von Anfang an zu bestrafen, sei unsinnig.
Wer hat am Schluss etwas davon, wenn die Stempelabgabe fällt? Wer profitiert? In der Schweiz bezahlten zuletzt bloss 2300 von 600'000 Firmen eine Emissionsabgabe. Davon bezahlten die 50 grössten Firmen die Hälfte der 250 Millionen an Abgaben. «Diese Firmen expandieren, schaffen Arbeitsplätze. Das gilt es zu fördern. Davon profitieren alle. Ob die Firmen gross oder klein sind, spielt keine Rolle», wirft Ueli Maurer ein.
Wegen der OECD-Steuerreform müsse die Schweiz die Steuern ohnehin erhöhen. Darum sei die Streichung der Emissionsabgabe umso wichtiger. «Wir können im Gegensatz zu anderen Ländern Firmen nicht einfach Bauland schenken», so Maurer, der insgesamt ein solides Arena-Comeback gibt.
Zum Schluss fragt ihn Moderator Brotz, ob er nun wieder öfter in die Arena komme. Maurer lacht: «Ich kann Frau Badran in diesen schweren Stunden nicht alleine lassen.»
Maurer und Co. können in der Arena zwar überzeugen, aber auch die Gegner um Jay Badran können punkten. Einen wirklichen Sieger gibt es in dieser Abstimmungs-Arena nicht. Noch haben die Stimmbürgerinnen gut einen Monat Zeit, sich ihre Meinung zu bilden.
Man kann sich ausrechnen, wer wohl die Anliegen der Grosskonzerne und wer die wirklichen Anliegen der KMUs vertreten hat.
Herr Maurer... Mobilität ist nicht gratis. Entweder haben Start-Ups kein Geld übrig für die Stempelsteuer. Dann haben sie aber auch keines übrig, um einen internationalen Umzug zu finanzieren, um diese Ministeuer zu umgehen. Denn für Start-ups ist es eine Ministeuer. Die absolut überragende Mehrheit dieser Steuer kommt von juristischen Personen mit grossem Handelsvolumen von Finanzmitteln. Nicht von den Start-Ups...